Landwirtschaft auf Hawaii wird wieder grün
18. April 2017Noch vor wenigen Jahren war Hawaii eine Zuckerinsel. Die Industrie war mächtig und produzierte mehr als eine Million Tonnen des süßen Rohstoffs pro Jahr. Das waren 20 Prozent der Gesamtproduktionsmenge der Vereinigten Staaten. Im Dezember 2016 wurde die letzte Zuckerfabrik auf der zweitgrößten Insel Maui allerdings geschlossen. Und damit ging eine Ära auf der Pazifikinsel endgültig zu Ende.
Hauptakteur im Geschäft war die "Hawaiian Commercial & Sugar Company". Das Unternehmen schrieb schon viele Jahre rote Zahlen, allein im Jahr 2015 rund 30 Millionen US-Dollar (28 Millionen Euro). Das geht aus Zahlen der Konzernmutter "Alexander & Baldwin" (A&B) hervor.
Schuld war die wachsende und billigere Konkurrenz aus China, Thailand und Pakistan. Außerdem strich die US-Regierung Subventionen. Beides zusammen ließ die Industrie kollabieren.
A&B war eine von nur einer Handvoll Unternehmen, die das Zuckergeschäft kontrollierten. Gemeinhin wurden sie als die "Big Five" bezeichnet. Deren Tradition reicht weit zurück. Im 19. Jahrhundert gründeten Missionare, oder deren Nachfahren, Unternehmen auf den Inseln. Sie sollten die Wirtschaft Haiwaiis für mehr als 150 Jahre bestimmen. Und nicht nur die Wirtschaft, mit der Zeit wuchs auch der politische Einfluss dieser Unternehmen. Für einige waren sie die Motoren der Wirtschaft, für andere schlicht Eindringlinge, die es sich auf Kosten der Einheimischen bequem gemacht hatten. Auf Hawaii gab es vor dem Eintreffen der Missionare keinen echten Landbesitz. Grund dafür war die Vergangenheit des Archipels als Kolonie europäischer Großmächte.
Da nun die Landwirtschaftsgiganten langsam verschwinden, entsteht eine neue Generation von Landwirten, die nicht nur nach einem Ersatz für Zucker sucht. Vielmehr geht es um ein ganz neues, zukunftsträchtiges Agrarmodell. Einfach umsetzen läßt sich das allerdings nicht.
Lang lebe die Landwirtschaft (aber nicht der Zucker)
Auch wenn das Ende der letzten Zuckerplantage bedauerlich sei, so sei es doch ein notwendiger Schritt, hatte der Bürgermeister von Maui, Alan Arakawa, im Dezember erklärt.
Und: "Wir machen viele Testversuche, mit Obstbäumen, Taro, Biomasse, Papayas, Avocados und vielem mehr. Wir sind sehr zuversichtlich, dass, auch wenn Zuckerrohr tot ist, die Landwirtschaft hier sehr lebendig bleiben wird."
Das ist ganz im Sinne der Unterstützer von nachhaltiger Landwirtschaft. Alles ist besser als riesige Zuckerrohr-Plantagen, sagen sie. Der Umwelteinfluss sei deutlich spürbar. Allein die Erntepraxis, überschüssige Blätter am Zuckerrohr vor der Ernte zu verbrennen, verursacht mächtige Rauchwolken, die den Himmel verdunkelten und das Atmen für die Bewohner schwer machen. Das Verbrennen endete erst, als im Jahr 2016 Umweltschützer und Großunternehmen eine Vereinbarung dazu treffen konnten. Zuvor hatten die Hawaiianer den Rauch stillschweigend ertragen.
Über die Rauchbelastung hinaus haben auch Pestizide aus dem Zuckerrohranbau negative Auswirkungen gehabt. Sie sickerten ins Grundwasser der Insel. Und weil Zuckerrohr zudem eine sehr durstige Pflanze ist, musste A&B längst Millionen Liter Wasser am Tag aus den Flüssen der Insel ableiten.
"Die Anbauweise als Monokultur hat Wasser aus den Flüssen abgezogen, das eigentlich von den Bergen ins Meer fließen sollte", sagt Ashley Lukens, Leiterin des gemeinnützigen "Center for Food Safety". "Und durch den Landbesitz konzentriert auf Wenige, haben sich die Leute um ihre Zukunft betrogen gefühlt."
Zurück in die Vergangenheit
Aber nun, da die großen Unternehmen geschwächt sind, versuchen Biobauern auf kleiner Fläche wieder Boden gutzumachen. Simon Russell von "Hawaii Farm Union United" sagt, dass seine Organisation Politiker davon überzeugen möchte, Gesetze zu erlassen, die den Biolandbau stärken.
Russell ist einer der Kleinbauern, die davon profitieren würden. Er baut tropische Früchte an, Gemüse und sogar Rohrzucker. Er sagt, seine Aufgabe an der Nordküste Mauis sei, auf einen gesunden, natürlichen Boden zu achten, damit seine Pflanzen keinen extra Dünger benötigen.
"Das geht über einen Nährstoff-Kreislauf", erklärt er. "Man muss die Mikroben im Boden im Auge behalten. Bei Monokulturen verschwinden die einfach."
Im Augenblick ist Russells Farm einen Hektar groß, er würde sie in den kommenden fünf Jahren gern auf 40 Hektar vergrößern. Zusammen mit einigen Kollegen ist er dabei, einen Fahrplan zurück in die Vergangenheit zu erstellen, als alle Farmen noch ökologisch gearbeitet haben. Allerdings soll diese Umstellung auch profitabel sein und im 21. Jahrhundert ankommen.
Darüber hat im Jahr 2016 Jenny Pell den "Mālama ‘Āina Report" geschrieben. Sie ist ebenfalls Mitglied von "Hawaii Farm Workers United". "Mālima ‘Aina" ist ein hawaiianischer Begriff, der dafür steht, dass Sorge getragen wird, dass auch zukünftige Generationen von ihrem Land leben können. Ganz konkret steht in dem Bericht, wie man von großen Monokulturen wieder zurück zu abwechslungsreicher, ökologischer Landwirtschaft kommt. Das schließt auch inselweite Kooperativen mit ein und Wege, vom Import unabhängiger zu werden. Heute importiert Hawaii 90 Prozent seiner Nahrungsmittel.
Laut Pell wäre die Umwandlung von konventioneller zu regenerativer Landwirtschaft in diesem großen Maßstab ein Präzedenzfall. Und sie sagt, dass noch einiges passieren müsse, bevor eine Umsetzung stattfindet.
"Erstens müssen wir den Bauern helfen, Land zu bekommen. Sie brauchen Schulungen und die nötigen Fähigkeiten, um in großem Maßstab arbeiten zu können, und sie brauchen erschwinglichen Wohnraum", so Pell.
Der Kampf um Wasser und Land
Um alles umsetzen zu können und den Landwirten Einkünfte zu ermöglichen, ist es dringend notwendig, dass A&B sein Land zum marktüblichen Preis verkauft. Und davon war bislang noch keine Rede. A&B gehört noch immer das Land, auf dem Zuckerrohr wuchs. Insgesamt mehr als 14.000 Hektar.
Davon sind 3.600 Hektar für eventuelle Entwicklung vorgesehen. Wie diese aussehen soll, sagt das Unternehmen allerdings nicht. Die restlichen knapp 10.000 Hektar sind als wichtiges Landwirtschaftsland in einem Vertrag vermerkt. Das heißt, es muss freigehalten werden für die Entwicklung des Unternehmens, damit es seine günstigeren Steuer- und Wasserregelungen behalten kann.
A&B sagt, dass es eine abwechslungsreichere Landwirtschaft verfolgen will, wird aber nicht konkret. Deshalb befürchten einige, dass A&B auch weiterhin auf große Plantagen setzen will.
Wenn Hawaii tatsächlich Landwirtschaft voranbringen will, brauchen die Bewohner auch Kontrolle über das Wasser. Noch sind allerdings weniger als ein Zehntel von Mauis Wasserreserven in öffentlicher Hand. Selbst wenn Milliarden Liter Wasser auf öffentlichem Land entspringen. A&B besitzt den Rest und der überwiegende Teil davon geht in die landwirtschaftliche Bewässerung.
"A&B hat gesagt, dass es das Wasser für die nächsten 30 Jahre kontrollieren möchte, ob sie es benutzen oder nicht", sagte Pell.
Dagegen will Albert Perez mobil machen. Der Direktor des Umwelt-Nonprofits "Maui Tomorrow" trommelt dazu nachhaltig arbeitende Landwirte zusammen. "Viele Bauern meinen es ernst, sie wollen die Landwirtschaft und ihr Wasser zurück", sagte er. "A&B kümmert sich nicht wirklich um die Landwirtschaft." Sie ist auch nur ein Teil des Portfolios. Auf seiner Webseite listet das Unternehmen Landwirtschaft auch nur als einen Teilbereich auf, neben Immobilien- und Infrastrukturaufbau.
Die Bewohner der Insel haben deshalb einen der Ihren gewählt, um sie im Bezirksrat von Maui zu vertreten. Der Bio-Landwirt Alika Atay hat zwar keine politische Erfahrung und auch nur wenig Geld für seine Kampagne.
Aber, sagt er, sein Sieg zeige, dass die Leute gewillt sind, Permakultur und traditionelle Landwirtschaft zurück nach Hawaii zu bringen. Die Einwohner nehmen Nachhaltigkeit ernst und seien bereit, sich mit den "Big Five" anzulegen.
"Die Leute fragen uns: 'Wie bauen wir etwas an, das wir auch hier nutzen können?", sagt Atay. "Also gehen wir in kleinen Schritten vorwärts zu einem nachhaltigen Maui ... Wir alle müssen gemeinsam am Tisch sitzen, andernfalls landen wir nur auf der Speisekarte."