Das 1943 entstandene "Selbstbildnis gelb-rosa" des deutschen Expressionisten ist das teuerste jemals in Deutschland versteigerte Gemälde. Die Würth-Sammlung will es kostenlos zugänglich machen.
Anzeige
Das Meisterwerk "Selbstbildnis gelb-rosa" des deutschen Künstlers Max Beckmann (1884-1950), das zwischen 1943 und 1944 nach Beckmanns Flucht aus Nazi-Deutschland im Amsterdamer Exil entstand, hatte am 1.12.2022 in Berlin einen neuen Rekord für Auktionen in Deutschland aufgestellt: Mit seinem Gebot in Höhe von 20 Millionen Euro erhielt der - anonyme - Bieter den Zuschlag im Auktionshaus Villa Grisebach.
Nun wurde bekannt, dass es sich beim Käufer um den deutschen Unternehmer Reinhold Würth handelt. Das Bild solle in einem seiner Museen ausgestellt werden, sagte Würth der deutschen Tageszeitung "Handelsblatt": "Früher oder später wird es in unseren Ausstellungen auftauchen, da kann es sich jeder kostenlos anschauen." Die Sammlung Würth gehört zu den bedeutendsten Privatsammlungen Europas.
Anzeige
Auftrieb für Kunstmarkt Deutschland?
Der Schätzwert war zuvor auf 20 bis 30 Millionen Euro beziffert worden. Nie zuvor ist in Deutschland mehr für ein Kunstwerk gezahlt worden. Micaela Kapitzky, Direktorin und Partnerin des Auktionshauses Villa Grisebach, sagte im Gespräch mit Reuters: "Die Gelegenheit, ein Beckmann-Selbstporträt dieser Qualität zu kaufen, wird sich nicht wieder bieten. Es ist also etwas ganz Besonderes." Ein solcher Verkauf könne dem deutschen Kunstmarkt, der hinter New York, London und Paris zurückbleibt, Auftrieb geben. Der bisher höchste Auktionspreis für ein Gemälde in Deutschland war 2018 erzielt worden, als Max Beckmanns "Die Ägypterin" für 5,5 Millionen Euro verkauft wurde.
Beckmanns Welt war eine Bühne
Beckmann ist bekannt für seine Leidenschaft für das Theater, die zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn in den 1920er-Jahren begann und bis zu seinem Lebensende anhielt. Er malte Porträts von Schauspielern und stellte hauptsächlich Szenen aus dem Leben hinter den Kulissen und auf der Bühne dar. Er malte häufig Bilder und Figuren aus Varietés, Zirkussen und Jahrmärkten. Seine Motive reichten von Seiltänzern über Trapezkünstler bis hin zu Zirkustieren. Oft malte sich der Künstler selbst inmitten des Geschehens.
Max Beckmanns Bühnenwelt
Der Maler Max Beckmann war begeistert vom Treiben auf und hinter der Bühne. Zeitlebens malte er Akrobaten, Clowns und Schauspieler. Jetzt zeigt das Museum Barberini in Potsdam jene Werke in der Ausstellung "Welttheater".
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Tod auf der Bühne
Der Star unter den Werken der Ausstellung ist Max Beckmanns Tryptichon "Schauspieler" von 1942. Es illustriert Beckmanns Metapher vom "Welttheater". Der König begeht Selbstmord auf offener Bühne. Beckmann hat ihm die eigenen Gesichtszüge verliehen. Ein grandioses Stück Malerei, ein Farb- und Formenrausch.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Chef im "Circus Beckmann"
Der Theaterchef in Aktion. Max Beckmann sah sich gern als Regisseur und Kulissenschieber. Sein Herz schlug, wie die Ausstellung "Welttheater" belegt, für die Bühnenwelt. Das zeigt auch dieses gezeichnete Selbstbildnis aus dem Jahr 1921. Der Titel: "Der Ausrufer".
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Karneval mit Quappi
Ein Bild als Liebeserklärung: Nach seiner Scheidung heiratete Beckmann die 20 Jahre jüngere Mathilde von Kaulbach, genannt "Quappi". 1925 wurde Beckmann an die Kunstschule des Städel-Museums in Frankfurt berufen, wo das "Doppelbildnis Max Beckmann und Quappi, Karneval" entstand. Dazu schrieb er an seine Frau: "Schön wird unser Brautbild. Ich denke immer an Dich und unser Bild."
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Tänzerin als Sinnbild politischer Isolation?
Eine Tänzerin übt sich im Spagat, angestrengt um Balance ringend. Kunstexperten sehen in Beckmanns Bronze "Tänzerin" von 1935 ein Gegenmodell zum nationalsozialistischen Menschenbild. Spiegelt das Werk schon die künstlerische und politische Isolation des Künstlers, den die Nazis als "entartet" verfemten?
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017/bpk/Museum der bildenden Künste, Leipzig
It's showtime!
Hoch das Bein, während die Musik Bewegung auf die Bühne zaubert. Beckmann begeisterte sich für solche Szenen. Hier spielt er mit der Perspektive. Gebrandmarkt als "entarteter Künstler" floh Beckmann 1937 nach Amsterdam. Dort arbeitete er mit abstrakten und mit figürlichen Elementen. Sein "Großes Varieté mit Zauberer und Tänzerin" entstand 1942.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Wilder Apachentanz
Traurige Clowns, Artisten, Schauspieler und Zirkusdirektoren bevölkern Beckmanns Bilder und Grafiken. Sie wandeln förmlich am Abgrund, wie das Tänzerpaar im "Apachentanz". Das Bild, entstanden 1938, ist mehr als ein exzesshafter Paartanz. Beckmann kommentiert darin die brenzlige Situation in Europa - ein Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017
6 Bilder1 | 6
Auf dem Porträt, das nun zum Verkauf stand, wich Beckmann von seinen üblichen dunklen Farben ab und malte sich selbst in gelben Stoff gehüllt. Sein distanzierter Blick, die meditationsähnliche Pose und der fast kahle Kopf erinnern an einen buddhistischen Mönch, so das Auktionshaus.
Geschenk an seine Frau "Quappi"
Nachdem die Nazis seine Bilder als "entartete Kunst" gebrandmarkt hatten, flohen Beckmann und seine Frau Mathilde, genannt "Quappi", 1937 aus Deutschland. In Amsterdam wartete Beckmann jahrelang auf ein Visum für die Vereinigten Staaten und arbeitete unter widrigen Umständen.
"Entartete Kunst": Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Adolf Hitler war vor der Machtergreifung 1933 selbst Kunstmaler. Als "Führer" kategorisierte er Kunstwerke nach seinem Gusto - was er verabscheute, wurde als “entartete Kunst” gebrandmarkt und aus Museen entwendet.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst
Als "entartete Kunst" bezeichneten Adolf Hitler und die Nationalsozialisten Kunstwerke der Moderne, deren Stil, Künstler oder Sujet ihnen nicht genehm waren. Die Nazis beschlagnahmten solche Kunstwerke ab 1937 aus deutschen Kunstmuseen. In einer Wanderausstellung wurde "entartete Kunst" vor Publikum an den Pranger gestellt. Hier besichtigen Goebbels und Hitler die Originalausstellung in München.
Bild: picture-alliance/dpa
Hitler und die Kunst
Hitler mochte die Romantik sowie Malerei des 19. Jahrhunderts, bevorzugt ländliche Idyllen. In seiner Privatsammlung fanden sich z.B. Werke von Cranach, Tintoretto und Bordone. Hitler wollte sich in seinem Ruhestand - analog zu seinen Vorbildern Ludwig I. von Bayern und Friedrich dem Großen - selbst einer Kunstsammlung widmen. Sie sollte in Linz an der Donau im "Führermuseum" gezeigt werden.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Actual Films
Die Enteignungen
Die Nationalsozialisten waren nicht die Ersten, die Avantgarde-Künstler verfemten, aber sie gingen einen Schritt weiter, indem sie ihre Werke aus den Kunsthäusern verbannten. Über 20.000 Werke ließen die Machthaber 1937 aus 101 staatlichen deutschen Museen abtransportieren. Alles, was den Nazis als nicht erbaulich für das deutsche Volk erschien, wurde abtransportiert.
Bild: Victoria & Alber Museum
Hitlers Nationalstil
Abstrakte Kunst hatte in Hitlers “Nationalstil” nichts verloren. Das machte auch die “Große Deutsche Kunstausstellung” klar, die am 18.7.1937 in München die traditionellen Landschafts-, Historien- und Aktmalereien u.a von Fritz Erler, Hermann Gradl oder Franz Xaver Stahl zur Schau stellte. Je näher das Sujet der realen Vorlage kam, umso schöner war sie in den Augen des Führers.
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-C10110/CC-BY-SA
Was als entartet galt
Sogar unter seinen Untergebenen herrschte große Unsicherheit darüber, welche Künstler Hitler akzeptierte. Klarheit brachten die Große Deutsche Kunstausstellung 1937 und die zeitgleiche Ausstellung "Entartete Kunst" in den Münchner Hofgarten-Arkaden. Verfemt wurden Kunstschaffende der Moderne, darunter Max Beckmann, Otto Dix, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst auf Tournee
Die Ausstellung "Entartete Kunst" zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Sie setzte die Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleich und kombinierte sie mit Fotos verkrüppelter Menschen, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. Über zwei Millionen Besucher sahen die Schau, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.
Bild: cc-by-sa/Bundesarchiv
Rechtsgrundlagen
Das "Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst" vom 31.5.1938 legalisierte rückwirkend den entschädigungslosen Einzug der Kunstwerke. Nach Kriegsende behielt das Gesetz seine Gültigkeit, es habe lediglich Staatsbesitz umverteilt, beschieden die Alliierten. Werke, die Nazis als "entartete Kunst" aus den Museen trugen, können im Gegensatz zu Raubkunst bis heute frei gehandelt werden.
Bild: CC by Österreichische Nationalbibliothek
Handel mit "entarteter Kunst"
Die beschlagnahmten Werke kamen in Depots in Berlin und ins Schloss Schönhausen. Viele Verkäufe enteigneter Werke wurden durch die vier Kunsthändler Hitlers, Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller, durchgeführt. Ein Bestand an ca. 5000 nicht verkauften Kunstwerken wurde am 20.3.1939 von der Berliner Feuerwehr in einer als Übung bezeichneten Aktion verbrannt.
125 Werke waren für eine Versteigerung in der Schweiz vorgesehen. Eine von Hermann Göring und anderen eingesetzte Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst schätzte die Mindestgebote und wählte schließlich die Galerie Fischer in Luzern für die Auktion aus. Diese Auktion fand am 30.6.1939 statt und fand großes Interesse in der ganzen Welt.
Bild: Fotolia/Fredy Thürig
Viel “entartete Kunst” bei Gurlitt
Über 21.000 Werke "entarteter Kunst" waren beschlagnahmt worden. Über die Anzahl, die seitdem verwertet worden sind, herrscht bis heute Uneinigkeit. Je nach Quelle ist die Rede von 6000 bis 10.000 veräußerten Werken. Anderes wurde vernichtet oder verschwand. Hunderte verschollen geglaubter Werke sind in Cornelius Gurlitts Sammlung wieder aufgetaucht. Und haben die Diskussion neu entfacht.
Bild: privat/Nachlass Cornelius Gurlitt
10 Bilder1 | 10
Beckmann schenkte das "Selbstbildnis gelb-rosa" seiner Frau, die es nie verkaufte. Sie liebte es und bewahrte es bis zu ihrem Tod im Jahr 1986 auf. Schließlich erwarb eine Privatsammlung in der Schweiz das Gemälde, bevor sie es der Villa Grisebach anvertraute.
Eine aktuelle Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne mit dem Titel "Max Beckmann - Departure" untersucht die Themen "Aufbruch und Reise als existentielle Grunderfahrungen" in der Kunst Beckmanns und thematisiert damit auch seine Erfahrungen im Exil. Die Schau läuft vom 25. November 2022 bis zum 12. März 2023.