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Max Ophüls Preis auch online stark

Philipp Jedicke | Christine Lehnen
23. Januar 2021

Eines der renommiertesten deutschen Filmfestivals endet am Sonntag. Zum ersten Mal hat der Max Ophüls Preis komplett im Netz stattgefunden - mit Erfolg.

Svenja Böttger und Oliver Baumgarten sitzen im Studio beim Max Ophüls Preis 2021
Die Geschäftsführerin Svenja Böttger und der künstlerische Leiter Oliver Baumgarten auf Sendung im festivaleigenen TVBild: Oliver Dietze/ffmop

Filmfestivals sind seit jeher das Herz der Filmkultur. Bei Vorführungen, Pressekonferenzen, Fragerunden und Preisverleihungen zeichnen sich Trends ab und tauschen sich Filmschaffende mit ihrem Publikum aus. Auf Festivals beginnen wichtige Kollaborationen und große wie kleine Karrieren im Film - nach wie vor eine der beliebtesten Kunstformen unserer Zeit. 

Seit Beginn der COVID-Pandemie steht die ganze Filmbranche unter gewaltigem Druck. Die ganze Filmbranche? Nein. Denn die Streamingdienste zeichnen sich seit Monaten als die großen Gewinner dieser Jahrhundertkatastrophe ab. Das kurze, prägnante Intro vor Filmen und Serien des Streamingdienstes Netflix ist vermutlich der weltweit meistgehörte Ton des Jahres 2020 - neben dem Schnarchen des Partners auf dem Sofa. 

Turbulente Zeiten und neue Wege

Die aktuellen Kontaktbeschränkungen haben auch die 42. Ausgabe eines der renommiertesten deutschen Filmfestivals eingeholt: Zum ersten Mal hat der 1980 gegründete Max Ophüls Preis komplett im Netz stattgefunden. Das Festivalteam um die beiden Geschäftsführer Svenja Böttger und Thomas Brück und den künstlerischen Leiter Oliver Baumgarten musste immense Anstrengungen leisten, um das zu ermöglichen. 

Filmstill aus dem Eröffnungsfilm "A Black Jesus" von Luca LucchesiBild: Alessandro Tedesco/RoadMovies

Das aktuelle Team führt den Max Ophüls Preis durch seine vermutlich turbulenteste Zeit: Die Pandemie macht Kinos das Leben noch schwerer, als es ohnehin schon ist, Streamingdienste gerieren sich seit einiger Zeit auch bei Weltpremieren als die neuen Platzhirsche. Was für eine Rolle kann und soll ein Filmfestival wie der Max Ophüls Preis in solchen Zeiten spielen?

Oliver Baumgarten hat eine klare Antwort darauf: "Ganz wichtig ist für uns, dass wir in diesen Zeiten nicht komplett auf Kultur verzichten müssen, dass wir ins Gespräch kommen über Kultur. Der andere Punkt ist, dass wir den jungen Filmschaffenden die Möglichkeit geben, trotz all dieser Hindernisse der Pandemie auf sich aufmerksam zu machen und dafür zu sorgen, dass sie in ihrer Karriere weiterkommen können."

Experiment geglückt

Und das scheint zu gelingen: Bisher seien die Reaktionen des Publikums auf die erste Online-Ausgabe des Festivals laut Baumgarten überaus positiv. Das Team des Max Ophüls Preises hat es in kurzer Zeit geschafft, auch diese ungewöhnliche 42. Ausgabe zu dem zu machen, was den Max Ophüls Preis als das wichtigste Nachwuchs-Filmfestival im deutschsprachigen Raum auszeichnet: einen Ort der Begegnung und des Austauschs.

Auf einer eigens für das Festival konzipierten Streamingplattform sind alle Filme des Programms verfügbar und ab dem Kauf des Tickets 24 Stunden einsehbar. In Zoom-Konferenzen können sich Publikum und Filmschaffende mit den Filmschaffenden austauschen, eine weitere Webkonferenz-Software namens wonder.me ermöglicht es Festivalteilnehmerinnen und -teilnehmern, sich als Avatare in virtuellen Räumen dynamisch fortzubewegen und sich auf diese Weise virtuell zu begegnen. 

Wichtigstes Pfund: das Netzwerken

Das Kennenlernen von neuen Filmen und Filmschaffenden ist beim Max Ophüls Preis, der normalerweise in Saarbrücken stattfindet, Jahr für Jahr das große Thema: Junge - oder besser gesagt - neue Filmschaffende aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg reichen hier Jahr für Jahr ihre Filme ein. Bis zum jeweils dritten Film darf man seine Werke in den Bereichen Spielfilm, Dokumentarfilm, Kurzfilm und mittellanger Film einreichen. Insgesamt sechs Preise in einem Gesamtwert von rund 110.000 € werden am Sonntag, den 24.01. verliehen.  

"The Case You" von Alison Kuhn handelt von sexueller Belästigung in der FilmbrancheBild: Pia Lamster


Inhaltliche Schwerpunkte waren in den diesjährigen Einreichungen die großen sozialen und politischen Themen, die seit einigen Jahren die gesamte Gesellschaft beschäftigen: darunter der Klimawandel, die zerstörerischen Aspekte des Kapitalismus, der Wunsch nach politischer Veränderung und nach Selbstbestimmung von Frauen. So geht es in dem Dokumentarfilm "The Case You" von Alison Kuhn um fünf junge Frauen, die vor einigen Jahren bei einem Casting waren, wo es zu sexuellen und gewaltsamen Übergriffen kam, während der Dokumentarfilm "Dear Future Children" von Franz Böhm drei Aktivistinnen porträtiert, die sich mit all ihrer Kraft für sozial- und umweltpolitische Themen einsetzen. Besonders auffallend und interessant sei, dass in diesem Jahr die "Filme alle inhaltlich in Dialog treten - aus ihren verschiedenen Perspektiven, wie sie sich mit diesen Themen beschäftigen", so Oliver Baumgarten.

Auswirkung der Pandemie erst 2022 spürbar

Bei der Zahl der Einreichungen habe es laut Baumgarten im Vergleich zu den Vorjahren zwar einen leichten Rückgang gegeben, aber die eigentlichen Auswirkungen der Pandemie werden die Filmfestivals aufgrund der langen Produktionszeit von Filmen vermutlich ohnehin erst 2022 zu spüren bekommen - sowohl was die Inhalte als auch die Einreichungen betrifft. Denn zahlreiche Filmdrehs mussten seit Ausbruch der Pandemie verschoben oder gar abgesagt werden.

Oliver Baumgarten im GesprächBild: ffmop/Oliver Dietze

Von dieser Ausgabe des Festivals bleibt laut Baumgarten die überraschende Erkenntnis, dass tatsächlich so etwas wie Festivalstimmung aufkam. Zu den "hart erarbeiteten Fakten" der Online-Ausgabe gehöre auch, dass das Festival durch seine digitale Ausspielform neue Zuschauer erreichen konnte, vor allem aus der Branche. "Davon können die Filmschaffenden profitieren, dass man da gezielter und anders arbeiten kann. Auch in verschiedenen Bereichen der Organisation." Das Team des Max Ophüls Preises will nach dieser Ausgabe ganz in Ruhe auswerten, welche Elemente aus dieser digitalen Erfahrung bleiben werden und welche nicht. Jetzt sei es noch zu früh, das konkret zu sagen.

Die physische Präsenz bleibt unsersetzbar

Doch eines sei bei aller Freude über den gelungenen Transfer des Festivals ins Netz schon jetzt glasklar: "Diese Begegnungen auf dem Gang von einem Kino ins andere oder beim abendlichen Bier sind definitiv durch nichts zu ersetzen." Die physische Präsenz bleibt also unabdingbar, und nirgendwo sonst lässt sich ein Film so intensiv und mit allen Sinnen genießen wie in einem Kinosaal.

Das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis läuft noch den ganzen 24. Januar 2021. Unter diesem Link kann die Streamingplattform mit allen 98 Filmen des Festivals aufgerufen werden. Die Tickets können bis zum Ende des Festivals erworben werden. Ab Start eines Filmprogramms steht dieses 24 Stunden lang zur Verfügung.

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