Verstappen Superheld
5. Oktober 2016Wunderjunge, Nachwuchsstar, Naturtalent - wenn es um Max Verstappen geht, geizen Journalisten nicht mit huldigenden Bezeichnungen für den jüngsten Formel-1-Fahrer aller Zeiten. Und Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo schwärmt nahezu vom "Feuer der Jugend" und der "scheinbar unerschöpflichen Energie", die der 19-Jährige mitbringt. Dieses Feuer hat Verstappen aber auch ein ums andere Mal in die Kritik gebracht. Zum Beispiel beim Grand Prix im belgischen Spa. Dort provozierte er erst einen Start-Crash von Sebastian Vettel mit dessen Ferrari-Teamkollegen Kimi Räikkönen. Dann sorgte er in der 13. Runde fast für einen Riesenunfall, wäre Räikkönen nicht voll auf die Bremsen gegangen.
"Fall für den Psychiater"
Er müsse noch einmal in die Schule, schimpfte Niki Lauda, der frühere dreimalige Weltmeister und Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, nach Verstappens gefährlichen Manövern: "Der gehört in die Psychiatrie." Ein Satz, der in den Medien schnell die Runde machte. Erst recht, als Max Verstappen in einer niederländischen Sportshow konterte: "Wenn ich doch gehen muss, dann können wir zusammen gehen. Das ist doch gemütlich."
Explosive Mischung: jung und unerfahren
Max Verstappen traut sich was - weil er so jung ist. Aus demselben Grund fährt in den Formel-1-Rennen aber auch seine Unerfahrenheit immer mit. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hätte es deshalb nicht treffender ausdrücken können: "Der Junge ist erfrischend, aber auch gefährlich." Verstappen bringt einen neuen Fahrstil mit. Er sucht jede kleinste Lücke, fährt Zickzack in der Anbremszone, wagt spektakuläre Überholmanöver und zeigt vor allem eines nicht: Respekt vor den "Alten". Dabei unterscheidet er sich womöglich nicht von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton oder Fernando Alonso, als sie jung im Formel-1-Geschäft waren
Aus Fehlern lernen
Verstappens Rüpelimage mag ein Stück weit berechtigt sein. Red-Bull-Teamchef Christian Horner räumt Fahrfehler sogar ein. "Aber Max lernt schnell", sagt der Brite. "Fehler gehören zu seiner Entwicklung und seinem Lernprozess." Gerade die jungen talentierten Fahrer, so Horner, müssten zu Beginn ihrer Formel-1-Karriere ohnehin immer Kritik einstecken. Ähnlich sieht das der ehemalige österreichische Formel-1-Pilot Gerhard Berger. Max Verstappen erinnere ihn deshalb sehr an Ayrton Senna und Michael Schumacher, sowohl was den kompromisslosen Fahrstil als auch die darauf folgende Kritik betreffe.
Hype in den Niederlanden
Fragt man Verstappens Fanbase, ist diese Kritik an dem Teenager - klar - unberechtigt. In den Niederlanden wird er als großer Nachwuchsstar gefeiert. Immerhin hatte er im Mai in Spanien seinen ersten Formel-1-Sieg geholt. Die Sensation war perfekt: Verstappen war nicht nur der erste Niederländer, der einen Großen Preis gewann. Er war mit seinen 18 Jahren auch der bis dahin jüngste Formel-1-Sieger. Seitdem hat er im niederländischen Motorsport einen regelrechten Boom ausgelöst.
Rund 700.000 Niederländer zahlen inzwischen für einen Pay-TV-Sender, um die Rennen sehen zu können. Das sind doppelt so viele wie vor dem Verstappen-Hype. Und in der Freizeitindustrie freuen sich die Indoor Kart Center über deutlich mehr Besucher. Im Leistungssport rechne der niederländische Automobilverband KNAF in zwei, drei Jahren sogar mit bis zu 100 neuen Lizenzhaltern, sagt der Chef der KNAF-Akademie, Maarten van Wesenbeeck.
Zeug zum Weltmeister
Er erinnert sich noch gut an Max Verstappen. Die KNAF hatte ihn entdeckt und als 13-Jährigen in ihr Talentprogramm aufgenommen. "Schon damals war Max ein Riesentalent", sagt van Wesenbeeck. "Um ehrlich zu sein, mussten wir außer dem Medientraining und dem physischen Training nicht mehr viel an ihm arbeiten. Sein Vater Jos hatte ihm schon so viel beigebracht." Jos Verstappen hatte zwischen 1994 und 2003 insgesamt 107 Formel-1-Rennen bestritten. Die größte Stärke von Max, so der Akademie-Chef, sei, dass er im richtigen Moment, in Millisekunden, die richtige Entscheidung treffe: "Er hat alles, was ein Weltmeister braucht."
Formel 1 mit Verstappen weniger langweilig
Die Königsklasse der Rennserien hat mit Verstappen nicht nur ein junges Ausnahmetalent gewonnen. Der Niederländer hat endlich auch frischen Wind in das Geschäft gebracht. So sieht es auch der frühere Benetton-Teamchef Flavio Briatore. der die Formel 1 zuletzt noch als "zu langweilig, zu künstlich, zu perfekt, zu bürokratisch" kritisiert hatte. Am Sonntag startet Max Verstappen beim Großen Preis von Japan (Start um 7 Uhr MESZ, ab 6.45 Uhr im DW-Liveticker). Zuletzt hatte er mit seinem Team-Kollegen Daniel Ricciardo beim Grand Prix von Malaysia für einen Red-Bull-Doppelsieg gesorgt: Platz eins für Ricciardo, Platz zwei für Verstappen.