1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

"Maximaler Druck" auf Iran gescheitert - was nun?

6. Dezember 2020

Donald Trumps Sanktionen haben Irans Hardliner gestärkt, nicht geschwächt. In der israelischen Zeitung "Haaretz" wurde jetzt die Idee einer regional-wirtschaftlichen Eindämmung des Iran lanciert.

Iranian Präsident Hassan Rouhani PK
Bild: picture-alliance/dpa/Iranian Presidency

Mit Blick auf den Iran könnte es für den künftigen US-Präsident Joe Biden einen schwierigen Start geben. Wenige Wochen nach seinem Wahlsieg von Anfang November verdüsterte sich die Atmosphäre am Persischen Golf. Zunächst wurde der iranische Atomwissenschaftler Mohsen Fachrisadeh ermordet, am Donnerstag dieser Woche billigte der iranische Wächterrat den Parlamentsbeschluss,  die Urananreicherung von derzeit 4,5 auf 20 Prozent zu erhöhen sowie Inspektoren nicht mehr ins Land zu lassen, sollten die gegen den Iran verhängten Sanktionen nicht wieder aufgehoben werden. Damit würden die bisherigen niedrigschwelligen Verstöße Teherans gegen das Atomabkommen eine neue Qualität erreichen. 

Trumps Sanktionen gegen den Iran haben nicht gefruchtet Bild: picture-alliance/Photoshot/Liu Jie

Ein versöhnliches Signal sandte allerdings gleichzeitig der iranische Außenminister Dschawad Sarif aus. Sein Land werde zwar vom Wächterrat erlassenen Vorgaben zur Urananreicherung umsetzen, erklärt er. Die Entscheidung sei aber "nicht unumkehrbar". Kehrten die iranischen Partner zum Atomabkommen zurück, werde sich auch der Iran an die Vereinbarungen halten.

Kann Teheran die Hardliner im Zaum halten?

Vor seiner Wahl hatte Biden eine im Umgang mit dem Iran eine flexible Politik angekündigt. "Wir werden die destabilisierenden Aktivitäten des Iran weiterhin zurückdrängen, die unsere Freunde und Partner in der Region bedrohen", erklärte er im September dieses Jahres in einem Meinungsbeitrag auf CNN. Wenn Iran die Konfrontation suche, sei er bereit, die vitalen Interessen Amerikas und seines Militärs zu schützen. "Aber ich bin auch bereit, einen diplomatischen Weg zu gehen, wenn der Iran zeigt, dass auch er dazu bereit ist."

Erster Zug mit Exportwaren aus Iran trifft im afghanischen Herat einBild: Press office of herat provincial governor

Aber die Hardliner im iranischen Parlament und an der Spitze des Staates scheinen zum Dialog mit den USA kaum bereit. "Die Konservativen wollen zwar ebenfalls die Aufhebung von Sanktionen, zugleich aber wollen sie Rohanis achtjährige Amtszeit als verlorene Zeit darstellen", heißt es in einer Analyse der Webseite "Al-Monitor".

Irans Präsident Hassan Rohani warnte am Donnerstag dieser Woche indirekt davor, die Beziehungen zu den USA voreilig zu belasten. "Unsere Brüder (gemeint: iranischen Parlamentarier, Anm. d. Red.) sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen", erklärte er mit Blick auf die von den Abgeordneten geforderte signifikante Urananreicherung. "Lasst doch diejenigen, die von Diplomatie etwas verstehen, dieAngelegenheiten mit der notwendigen Reife, Ruhe und Aufmerksamkeit regeln",so Rohani im Staatsfernsehen.

Neue Idee zur regionalen Eindämmung Irans

Der US-Politikwissenschaftler Joshua Landis hat jetzt in der israelischen Zeitung "Haaretz" einen neuen Weg für die amerikanische Iran-Politik skizziert. Man solle die Volkswirtschaften der Nachbarn Irans – genauer gesagt der Golfstaaten und auch Ägyptens - so stark unterstützen, dass diese die Islamische Republik wirtschaftlich ausstechen könnten, etwa beim Wiederaufbau in Syrien. Der Rückzug Trumps aus dem Atomabkommen wie auch die Sanktionen hätten bislang nicht die erwünschten Resultate gebracht, schreibt Landis mit Blick auf die Verstöße Teherans gegen das Atomabkommen. 

Wie im Iran werden auch in Ägypten unter Präsident al-Sisi Menschen- und Bürgerrechte verletztBild: John Macdougall/AP Photo/picture alliance

Sinnvoller sei darum eine andere Strategie, nämlich die ökonomische. "Sie würde bedeuten, die arabische finanzielle und kommerzielle Kraft dafür zu nutzen, den Iran überall dort in der Region zu überbieten, wo er seine Präsenz oder seinen Einfluss auszubauen versucht." Für Syrien hieße das etwa, Angebote beim Wiederaufbau zu machen, bei denen der Iran nicht mithalten könne; auch im Irak und im Libanon könnten die Golfstaaten bei den anstehenden Aufbauarbeiten helfen. Im Libanon, schreibt Landis, könnten sie auf diese Weise der mit dem Iran verbündeten Hisbollah sogar langfristig den Boden entziehen.

Wirtschaftliche Probleme als Gelegenheit

Die wirtschaftliche Lage des Iran bietet sich für diese Strategie an. Seine Wirtschaftsleistung schrumpft seit 2018 stetig um rund fünf Prozent,  in derselben Zeit hat der Rial gegenüber dem US-Dollar fast 90 Prozent an Wert verloren. Die der iranischen Opposition nahestehende Website "Iran International" schreibt unter Berufung auf die iranische Zentralbank von chronischer Kapitalflucht aus dem Land. 

Allein im zweiten Quartal dieses Jahres  seien drei Milliarden US-Dollar aus dem Land abgeflossen, in den vergangenen zehn Jahren seien es über 113 Milliarden US-Dollar gewesen. Der Abfluss, so die Analysen der Zentralbank, ging auch zwischen 2015 und 2018 nicht zurück, als die USA noch im Atomvertrag waren. Dies, so "Iran International", dokumentiere einen "grundlegenden Vertrauensmangel in die Wirtschaft des Landes."

Kann der Iran aus Syrien durch wirtschaftliche Konkurrenten herausgedrängt werden?Bild: picture-alliance/AP Photo/G. al-Sayed

Allerdings sind auch die Golfstaaten derzeit selbst ins Straucheln gekommen. Saudi-Arabien etwa musste dieses Jahr, auch aufgrund des gefallenen Ölpreises und der Corona-Pandemie, ein Anwachsen der Staatsverschuldung von gut 22 auf 32 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts hinnehmen. Zugleich aber genießt das Land offenbar das Vertrauen internationaler Investoren: Deren Direktinvestitionen wachsen seit Jahren. Insgesamt beliefen sie sich im Jahr 2019 auf gut 213 Milliarden Euro.

Herausforderung Menschenrechte

Der Vorschlag einer wirtschaftlichen Offensive gegen den Iran durch engere Kooperation mit den Nachbarn dürfte allerdings unter Präsident Biden auf Skepsis stoßen. Denn der Plan setzt die engere Zusammenarbeit mit Staaten voraus, deren Menschenrechtsbilanz alles andere als überzeugend ist. Saudi-Arabien verletze weiterhin "fundamentale Freiheiten" schrieb die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" anlässlich des von Saudi-Arabien ausgerichteten virtuellen G-20-Gipfels im November dieses Jahres. Auch Ägypten setzt sich über minimale Standards hinweg. Anfang Dezember sprach Amnesty mit Blick auf die vergangenen Monaten von einer "schrecklichen Hinrichtungswelle" in Ägypten: Allein seit Oktober hätten 91 Hinrichtungen stattgefunden.

Seine Regierung werde die Haltung Washingtons zu Saudi-Arabien "überdenken", hatte Joe Biden im Oktober erklärt. Ebenfalls im Oktober hatten über 50 demokratische Mitglieder des US-Kongresses, die Achtung der Menschenrechte durch die Regierung Al-Sisi sei für die amerikanisch-ägyptischen Beziehungen "essentiell".

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen