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Politik

Mazedonien "geht" nach Norden

25. Januar 2019

Das griechische Parlament hat den historischen Namensvertrag mit Mazedonien verabschiedet. Nach jahrzehntelangem politischen Streit hoffen die beiden Balkanländer nun auf gute Nachbarschaft in der Zukunft.

Bildergalerie Skopje
Bild: DW/A. Feilcke

Der Winter ist etwas kälter und schneereicher als üblich, aber das ist das einzige Anzeichen dafür, dass ein im tiefen europäischen und balkanischen Süden liegendes Land plötzlich über Nacht zum "Norden" wird. Eine Gruppe von streunenden Hunden ruht sich aus unter der 30 Meter hohen Statue von Alexander dem Großen im Zentrum von Skopje, der Hauptstadt dessen, was nun die "Republik Nord-Makedonien" heißt. Sie sind die einzigen Wächter eines Projektes der späten Nationsbildung, das schief gelaufen ist, finanziell wie ästhetisch. 

"Die monumentale Statue von Alexander dem Großen, die die ethnische Identität der Mazedonier künstlich stärken sollte, wird auf dem zentralen Platz der Hauptstadt plötzlich zu einem riesigen Nichts", sagt der mazedonische Politologe Gordan Georgiev der DW. Als das Denkmal aufgestellt wurde, ärgerten sich Griechen sehr darüber und sahen es als einen Versuch der Mazedonier, das kulturelle Erbe Griechenlands zu vereinnahmen. Gute nachbarschaftliche Beziehungen förderte das nicht.

Das Parlament in Athen hat entschieden: Der Namenskompromiss mit Mazedonien ist verabschiedetBild: Getty Images/A. Tzortzinis

Nun hat aber etwa 700 Kilometer südlich, in Athen, das griechische Parlament heute das so genannte Prespa-Abkommen akzeptiert und damit einen 27 Jahre alten Namensstreit zwischen den beiden Nachbarländern beendet. Das Parlament in Skopje hat bereits am 11. Januar für die Umbenennung des Landes in "Nord-Makedonien" gestimmt.

Neue Balkanpolitik

Was lange als einer der bizarrsten und unverständlichsten Streitfälle auf der Welt galt, soll jetzt als gutes Beispiel für eine neue, zukunftsorientierte und gemäßigte Balkanpolitik werden.

Republik Mazedonien oder die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien (FYROM), wie sie in Griechenland genannt wurde, fügt ihrem Namen ein geografisches Qualifikationsmerkmal hinzu, das sie von der gleichnamigen nordgriechischen Region unterscheiden soll. Das historische Abkommen zwischen beiden Ländern, in dem die Namensfrage geregelt wurde, unterzeichneten am 17. Juni 2018 in der Grenzregion Prespa der griechische und der mazedonische Regierungschefs Alexis Tsipras und Zoran Zaev.

Einerseits sollte damit ermöglicht werden, dass Mazedonien NATO-Mitglied wird und auch die Beitrittsverhandlungen mit der EU vorantreiben kann. Andererseits soll die Beilegung des Namensstreites die Grundlage für gute nachbarschaftliche Beziehungen in einer Region bilden, die in der Vergangenheit oft durch Grenz- und Identitätsprobleme in ihrer Entwicklung blockiert war.

"Diese historische Versöhnung eröffnet den Weg zu einer strategischen Partnerschaft und einer engen Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen, die von gemeinsamem Interesse sind", sagte der mazedonische Außenminister Nikola Dimitrov der DW kurz nach Abschluss der Abstimmung in Athen. Er glaube fest daran, dass sogar die Gegner des Prespa-Abkommens "dies allmählich erkennen werden". "Mit unseren griechischen Nachbarn sind wir natürliche Verbündete", so Dimitrov.

Überwindung der Mythen

Dabei sind Gesten und Symbolik sehr wichtig. So wird an der Statue von Alexander dem Großen in Skopje künftig vermerkt, dass der berühmte Krieger auch Teil des hellenischen, und nicht nur des slawisch-mazedonischen Erbes ist. Und eine gemeinsame griechisch-mazedonische interdisziplinäre Kommission arbeitet bereits an der Klärung einer Reihe historischer, archäologischer und pädagogischer Fragen, die die beiden Nationen in den letzten Jahrzehnten spalteten.

Ihre Arbeit steht immer noch vor vielen Herausforderungen, nicht zuletzt wegen des Drucks der Nationalisten auf beiden Seiten der Grenze. Massive, manchmal gewalttätige Proteste gegen den Kompromiss finden regelmäßig sowohl in Mazedonien als auch in Griechenland statt. Die führenden oppositionellen konservativen Parteien, Nea Demokratia in Griechenland und VMRO-DPMNE in Mazedonien, lehnen das Abkommen strikt ab.

"In beiden Ländern wuchsen nationalistische und faschistische Narrative", sagt die mazedonische Schriftstellerin Kica Kolbe in einem DW-Gespräch. "Von diesem Streit profitierten nur korrupte nationalistische Politiker. Und gerade deshalb kämpfen sie so heftig gegen den Vertrag. Denn er schwächt ihre Propaganda." Als Mitglied der "Gemeinsamen Interdisziplinären Kommission" wurde Kolbe oft mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert.

Sie wurde 1951 in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Skopje geboren, nachdem ihre Eltern während des Bürgerkriegs zwischen 1946 und 1949 aus Nordgriechenland vertrieben worden waren. Die Autorin erlebte das Leid und die Komplexität der langjährigen Fehden zwischen den beiden Nationen. Das hat sie aber nur in ihrem Willen bestärkt, die Aussöhnung und den Kompromiss zwischen Griechenland und Mazedonien aktiv zu unterstützen.

Ab jetzt Regierungssitz der "Republik Nordmazedonien" in SkopjeBild: DW/P. Stojanovski

Versöhnung und Normalisierung

"Versöhnung ist für die Griechen und Mazedonier wichtig, um zu sehen, dass Sie sich Ihren ersten Nachbarn nicht auswählen können", sagt Kica Kolbe. "Wenn zwei Personen Streit haben, kann ein Vermittler helfen. In diesem Fall ist der Vermittler ein Dokument: Das Prespa-Abkommen. Und die Botschaft des Dokumentes ist klar: Beide Seiten müssen miteinander über alles reden, was sie voneinander trennt."

Mit der Abstimmung des Athener Parlamentes ist aber nicht die ganze Arbeit erledigt. In den kommenden Tagen soll die mazedonische Regierung die Vereinten Nationen über die Namensänderung informieren. Und das griechische Parlament muss demnächst erneut abstimmen, diesmal über das NATO-Beitrittsprotokoll. Damit soll Nord-Makedonien die Vollmitgliedschaft in der politischen und militärischen Allianz ermöglicht werden.

In Nord-Makedonien ist man überzeugt, dass diese Entwicklung nicht mehr zu stoppen ist. Und so werden in den Medien allmählich andere Themen stärker betont, wie die Luftverschmutzung, die schwache Wirtschaft, eine dramatische Auswanderung Tausender junger und gut gebildeter Menschen. Selbst die streunenden Hunde rund um das Denkmal von Alexander dem Großen sind plötzlich zu einem größeren Thema in der Presse geworden als das "ewige" Dilemma: War der Reiter hoch oben ein Grieche oder ein Mazedonier?

Boris Georgievski Boris Georgievski leitet die mazedonische Redaktion von Deutsche Welle.
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