McCain in der Bredouille
2. September 2008Grund sind diverse "Enthüllungen" über Palin, die während des Nominierungsparteitags der US-Republikaner in St. Paul (Minnesota) bis zum Dienstag (02.09.2008) bekannt wurden. Zunächst erfuhr man, dass die 17-jährige Tochter der streng konservativen Gouverneurin des US-Bundesstaats Alaska unverheiratet schwanger geworden ist. Dann berichteten Medien, dass Palin in den Neunzigerjahren Mitglied der Unabhängigkeitspartei gewesen sei, die ein Referendum über Alaskas Loslösung von den USA forderte.
Außerdem kochte USA-weit eine Geschichte hoch, die Palin in ihrer Heimat seit längerem verfolgt. Palin soll dort einen Polizeichef gefeuert haben, weil dieser sich weigerte, einen gewissen Mitarbeiter zu entlassen: Palins Ex-Schwager, der damals in einem bitteren Sorgerechtsstreit mit ihrer Schwester stand.
Ist Palin doch keine Vorzeige-Konservative?
Zwar wollen nicht einmal die gegnerischen Demokraten Palin die frühe Schwangerschaft der Tochter vorhalten, doch laufen die Enthüllungen in ihrer Häufung genau jenem konservativen Sauberfrau-Image zuwider, dass McCains Team von ihr zeichnet. Palin ist etwa gegen Sexualaufklärung, stattdessen befürwortet sie Programme, die Teenagern zu Enthaltsamkeit raten. Deren Wirksamkeit hat ihre eigene Tochter nun möglicherweise widerlegt.
Auch Palins mögliche frühere Mitgliedschaft in der Alaska-Partei vertrüge sich nicht mit McCains Wahlkampf, der ganz auf USA-Patriotismus zugeschnitten ist. Und die Polizisten-Affäre riecht nach Amtsmissbrauch.
Suche nach weiteren Leichen im Keller
"Dies alles scheint die sorgfältigen Bemühungen der McCain-Kampagne zu hinterlaufen, sie als sozial konservative, gegen Korruption kämpfende Hockey-Mutter mit fünf Kindern zu porträtieren", urteilt der Wahlkampfexperte Adam Nagourney von der "New York Times". Und das ausgerechnet in dem kritischen Moment, "an dem die Öffentlichkeit gerade erst beginnt, sich ein Bild von Frau Palin zu machen".
McCains Sprecher Tucker Bounds betonte, der Kandidat habe vor seiner Entscheidung gewusst, dass Palins Tochter schwanger ist. "Er hat das nicht als Ausschlusskriterium betrachtet", sagte Bounds auf CNN. Parallel berichteten US-Medien freilich, dass die Repubikaner ein Juristen-Team nach Alaska entsandten, um Palins Biografie nach möglichen Angriffspunkten zu durchleuchten - nach ihrer Nominierung. Dies könnte als Beleg für eine Fahrlässigkeit McCains bei der Wahl seiner Stellvertreterin gewertet werden.
Auch "Gustav" sorgte für Wirbel
Zu Beginn des Parteitags hatte der Hurrikan "Gustav" die Tagesordnung des Parteitags gehörig durcheinandergewirbelt. Der erste Sitzungstag war von sieben auf zweieinhalb Stunden verkürzt worden, weil man sich nicht in Feierlaune geben wollte, während in New Orleans oder anderswo "Gustav" sein Unwesen triebe.
Am Dienstag wollten die Republikaner wieder zu einem "normaleren" Programm zurückkehren. Geplant ist etwa eine über Satellit eingespielte Videoansprache von US-Präsident George W. Bush, der seinen ursprünglich für Montag vorgesehenen Auftritt vor den 2.400 Delegierten in St. Paul aufgrund des Sturms abgesagt hatte.
Hoffnung auf die Ruhe nach dem Sturm
Stattdessen besuchte Bush Einsatzzentren im Süden der USA, wo "Gustav" Erinnerungen an die "Katrina"-Katastrophe vor drei Jahren und damit auch die Kritik am damaligen Verhalten der Regierung Bush wachrief. Auch McCain wollte zeigen, dass er es besser machen würde und packte in Ohio Notpakete zur Versorgung von Sturmopfern. Die Ehefrauen, First Lady Laura Bush und McCains Gattin Cindy, sammelten derweil auf dem Parteitag Geld für die Opfer des Hurrikans.
Die Parteitagsstrategen hoffen nun, dass die verbleibenden Tage der Versammlung ohne weitere Störungen dazu genutzt werden können, McCain der Öffentlichkeit als kompetenten und erfahrenen Politiker zu präsentieren. Am Mittwoch sollen McCain und Palin offiziell nominiert werden. Zum Abschluss des Parteitages am Donnerstag wird der Spitzenkandidat dann seine Antrittsrede halten.
Militante Demonstranten festgenommen
Der Beginn des Parteitags wurde begleitet von teilweise militanten Protesten auf den Straßen von St. Paul. Bei Zusammenstößen mit Kriegsgegnern wurden mehr als 250 Personen festgenommen. Die Polizei setzte Pfeffergas ein.
Einige Demonstranten bedrängten Delegierte des Parteitags auf dem Weg zum Tagungsort im "Xcel Energy Center". Sie schlugen Fensterscheiben ein, schlitzten Autoreifen auf und warfen Flaschen. Zuvor hatten rund 10.000 Menschen friedlich gegen den Irak-Krieg und gegen die Regierung des Republikaners George W. Bush protestiert. (gri)