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Politik

Medien: Mehr als 100 Länder jahrelang abgehört

11. Februar 2020

Der Bundesnachrichtendienst und die CIA haben über Jahrzehnte viele Staaten ausspioniert, auch befreundete. Das berichten Medien unter Hinweis auf Dokumente, die unter dem Stichwort #cryptoleaks veröffentlicht wurden.

Bundesnachrichtendienstes in Pullach
Bild: picture-alliance/dpa

Mithilfe einer Schweizer Firma für Verschlüsselungstechnik unter Kontrolle der beiden Geheimdienste aus Deutschland und den USA sei es gelungen, den Staaten manipulierte Technologie zu verkaufen und dann vermeintlich sichere Kommunikation abzuhören, berichtete das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF). Der Sender hatte gemeinsam mit der "Washington Post" und dem Schweizer Fernsehen SRF recherchiert.

Die Medien werteten demnach rund 280 Seiten an bisher unveröffentlichten Dokumenten aus, die von führenden BND- und CIA-Mitarbeitern über die von 1970 bis 1993 laufende Operation verfasst wurden. "Diplomatische und militärische Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäischer Staaten (...) konnten (...) flächendeckend mitgelesen werden", heißt es demnach in den Unterlagen. Die sogenannte Operation Rubikon werde von den Verfassern als "eine der erfolgreichsten nachrichtendienstlichen Unternehmungen der Nachkriegszeit" bezeichnet.

Den Berichten zufolge waren Bundesnachrichtendienst (BND) und CIA ab 1970 jeweils zur Hälfte Eigentümer der Schweizer Firma Crypto AG. Das Unternehmen stellte demnach Verschlüsselungstechnik für abhörsichere Kommunikation her und verkaufte diese weltweit. Die Kunden hätten nicht gewusst, dass BND und CIA die Technik manipulieren ließen.

Der Sitz der Crypto AG im schweizerischen Steinhausen Bild: Reuters/A. Wiegmann

In Teheran mitgehört

Die größten Abnehmer für die manipulierten Verschlüsselungsgeräte waren den Medien zufolge Saudi-Arabien und der Iran. Jahrzehntelang seien deutsche und US-Stellen über die geheime Regierungskommunikation der iranischen Führung informiert gewesen, auch während der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran im Jahr 1979.

Zu den Kunden zählen den Recherchen zufolge auch Ägypten und Algerien, Nigeria und Südafrika sowie zahlreiche Länder in Südamerika. Auch europäische Länder waren dabei, neben dem damals "blockfreien" Jugoslawien auch Irland, Spanien, Portugal und Italien sowie die Türkei.

Die Dokumente belegten außerdem zum ersten Mal, dass BND und CIA frühzeitig über den Sturz des chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973 und schwere Menschenrechtsverletzungen durch die argentinische Militär-Junta informiert gewesen seien. Von Deutschland und den USA weitergeleitete entschlüsselte Funksprüche der argentinischen Marine hätten außerdem 1982 entscheidend zum Sieg Großbritanniens im Falklandkrieg beigetragen.

Der frühere Geheimdienst-Koordinator Bernd Schmidbauer (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Aktion Rubikon bestätigt

Der Bundesnachrichtendienst teilte auf ZDF-Anfrage mit, er nehme "zu Angelegenheiten, welche die operative Arbeit betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung." Jedoch bestätigte der frühere Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer die Geheimdienstoperation. "Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist", sagte der CDU-Politiker dem ZDF. Der BND habe diese Zusammenarbeit mit der CIA aber 1993 beendet.

Zu der Geheimdienstaffäre hat der Schweizer Bundesrat bereits eine Untersuchung veranlasst. "Die zur Diskussion stehenden Ereignisse nahmen um 1945 ihren Anfang und sind heute schwierig zu rekonstruieren und zu interpretieren", teilte das Schweizer Verteidigungsministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Der Bundesrat habe daher am 15. Januar Niklaus Oberholzer, bis Ende 2019 Bundesrichter, damit beauftragt, die Faktenlage zu klären. Oberholzer soll bis Ende des laufenden Jahres Bericht erstatten. Laut Verteidigungsministerium wurde der Bundesrat im "Nachgang der Medienrecherchen" am 5. November 2019 über den Fall informiert.

kle/qu (afp, dpa, ZDF, ape)