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Hauptsache auf Linie?

Nemanja Rujevic17. August 2015

Die Gemeinden in Serbien müssen die von ihnen gegründeten Medien privatisieren. Das sorgt im Balkanland für einen Krieg über mediale Deutungshoheit: Wo aber ist die Zensur größer - in privaten oder staatlichen Medien?

Bürogebäude "Beogradjanka" in Belgrad (Foto: imago/blickwinkel)
Das Hochhaus in der Ferne nennt man "Belgraderin" - "Studio B" sendet aus der obersten EtagenBild: imago/blickwinkel

Der Staat müsse aus Medien raus - das sei eine Hausaufgabe im EU-Beitrittsprozess, so lautet seit Jahren die Meinung regierender Politiker in Serbien: Lange wurde heftig debattiert, ob der Staat, die Städte und die Kommunen die von ihnen gegründete Medien – 74 an der Zahl – endlich privatisieren sollen. Vor einem Jahr wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet und nun sind lokale Rundfunkanstalten, Zeitungen und Infoportale zum Verkauf freigegeben. Es ist ein buntes Angebot: von den unter die Wahrnehmungsschwelle gerutschten provinziellen Radiosendern, die schon für wenige Tausend Euro zu haben sind, bis zur staatlichen Nachrichtenagentur "Tanjug" oder dem Belgrader TV-Sender "Studio B", der sich mit seinem Kampf gegen autoritäre Regime in den Neunzigern einen Namen machte.

Mehr oder weniger Freiheit?

Ausgerechnet dieses "Studio B" ist für die Befürworter der Privatisierung zum Schlüsselbeweis dafür avanciert, dass der Staat seine Hände von den Medien fern halten sollte: "Der Sender ist unter enormen Druck und unter absolutem Einfluss einer regierenden Partei", sagt Rade Veljanovski von der Belgrader Fakultät für politische Wissenschaften. Damit ist die Fortschrittspartei gemeint, die seit Übernahme der Regierungsgeschäfte in der Hauptstadt den Staatssender an der kurzen Leine hält. Zügig wurde eine regierungsfreundliche Chefredakteurin engagiert, statt analytischen Talk-Shows sendet "Studio B" jetzt die Sendungen, die umstrittene Projekte der Regierung feiern. "Belgrad am Wasser" ist so ein Beispiel. Für Veljanovski, der an den neuen Mediengesetzen mitschrieb, ist die Sache klar: Abhängigkeit von Politik sei ein schlechtes Omen für Journalismus.

Das hat die aktuelle politische Klasse – angeführt vom Regierungschef Aleksandar Vučić – erst recht demonstriert. Unbequeme Journalisten werden ausgeschaltet, Vučićs Pressekonferenzen von mehreren Fernsehsendern live übertragen und Kritiker als Gegner des angeblich proeuropäischer Reformagenda geschimpft. Deswegen ist die Regierung mehrmals auch von der OSZE kritisiert worden.

Die Machthabenden bestreiten jedoch ihren Einfluss auf die Medien. Man wolle mit der Privatisierung den Spielraum für politischen Druck an der Berichterstattung verringern, so die Antwort des Ministeriums für Kultur und Medien auf eine DW-Anfrage. "Die Idee des staatlichen Rückzuges aus den Eigentümerstruktur ist, allen Medien die gleiche Startposition sicherzustellen", heißt es.

Deutschland als Model?

Eine Regierung, die auf die Kontrolle, der von ihnen direkt finanzierten Medien, freiwillig verzichtet?! Da ist Zoran Nikolić skeptisch. Der Direktor des Medeinportals "Cenzolovka" vermutet ein klares Kalkül: "Die politische Einwirkung erfolgt heutzutage in der erste Linie durch Werbeeinnahmen", sagt Nikolić. Ein paar serbischen Werbeagenturen agierten als Großhändler für Anzeigeflächen, Sendeplätze in TV- und Radio und steuern damit ihre Geldströme. "Diese Agenturen gehören entweder hohen Funktionären der regierenden Parteien oder stehen diesen ganz nahe", sagt der Medienexperte. "So wird die Kontrolle total."

Boulevardjournalismus dominiert auch am KioskBild: Montage/DW

Offiziell gibt es in Serbien 1447 Medien, darunter 110 Fernseh- und 325 Radiosender. Eindeutig zu viel für ein ökonomisch schwaches Land mit etwa sieben Millionen Einwohner: Das bestreitet auch Zoran Nikolić nicht. Doch er vertritt die Meinung, dass nur ein Netzwerk der öffentlich-rechtlichen Sender Qualitätsjournalismus sichern könnte. "In der medialen Strategie war früher von über sechs geplanten regionalen Sendern die Rede. Jetzt ist die Berichterstattung in öffentlichem Interesse dem freien Markt ausgeliefert." Und das bedeutet weitere Kommerzialisierung – Reality Shows, türkische und lateinamerikanische Telenovelas und Boulevardpresse sind ohnehin Mainstream in Serbien.

Lediglich zwei öffentlich-rechtliche Sender bleiben erhalten: der nationale RTS und der für die multiethnische Nordprovinz Vojvodina zuständige RTV. Für andere Regionen – etwa die Metropole Belgrad oder den von Albanern bewohnten Süden des Landes – werden nur private Sender bleiben. Deswegen reden einige Beobachter vom Tod des Lokaljournalismus.

Journalisten vor der Wahl

Das ärgert Professor Veljanovski. Immer wieder, sagt er, brächten die "Uninformierten" die Idee ins Gespräch, dem Model Deutschland zu folgen. Doch ein Netzwerk der aus der Rundfunkgebühr finanzierten Medien sei für Serbien eine absurde Idee, empört sich Veljanovski: Wirtschaftlich trennen Deutschland und Serbien Welten. "In Serbien redet man von 100 Millionen Euro für RTS und RTV. Das steht in keinem Verhältnis zu den 10 Milliarden, die Deutschland jedes Jahr für öffentlich-rechtliche Medien sammelt." Privatisierung sei für Serbien ein Muss, so Veljanovski.

Anders als beim Verkauf des staatlichen Tafelsilbers üblich, können die Gemeinden bei der Veräußerung von Verlagen nicht auf großartige Einnahmen hoffen. Denn ein Großteil der zu verkaufenden Medeinhäuser erstickt in Schulden und wird kaum einen Käufer finden.

Hunderte von Journalisten und Angestellten werden vor die Wahl gestellt: entweder übernehmen sie Aktien ihres nicht-wettbewerbsfähigen Betriebs selbst, was die Wenigste eigentlich wollen. Oder sie kassieren 200 Euro pro Beschäftigungsjahr vom Staat und bleiben ohne Arbeit in einem Land, wo die Jobsuche eine Herkulesaufgabe ist. Insbesondere für Journalisten, die unabhängig sein wollen.

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