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Medienspektakel oder ernsthafte Wahlhilfe?

Thorsten Faas3. September 2013

Es ist ein Höhepunkt des Wahlkampfes: Beim Fernsehduell traten die Spitzenkandiaten von CDU und SPD gegeneinander an. Eine gute und nützliche Tradition, meint der Politologe Thorsten Faas.

TV-Duell Kanzlerin Angela Merkel gegen Spitzenkandidat Peer Steinbrück (Foto: rtr)
TV-Duell Kanzlerin Angela Merkel gegen Spitzenkandidat Peer SteinbrückBild: Reuters

Zum vierten Mal fand in Deutschland vor der Bundestagswahl ein TV-Duell der Spitzenkandidaten statt - diesmal standen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU und ihr Herausforderer von der SPD, Peer Steinbrück, gegenüber. Sie mussten sich über 90 Minuten den Fragen von vier Moderatoren stellen. Eine Neuerung im Vergleich zu den vorherigen Duellen: Mit Stefan Raab als Moderator war neben den klassischen Politikjournalisten ein prominentes Gesicht aus der deutschen Unterhaltungsbranche an Bord.

Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier 2009Bild: picture-alliance/dpa

Fernsehdebatten vor Bundestagswahlen haben in Deutschland eine lange Tradition. In den 1970er und 1980er Jahren war es üblich, dass sich die Spitzen aller im Bundestag vertretenen Parteien zu bis zu vier Stunden andauernden Diskussionsrunden trafen, um die Themen des Wahlkampfs zu erörtern. Diese Tradition allerdings kam nach der Wahl 1987 zum Erliegen. Die Wahlkämpfe der 1990er Jahre mussten ohne Diskussionsrunden auskommen.

Irak-Krieg und Hochwasser

Erst im Wahljahr 2002 kam es mit dem Duell zwischen Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber zu einem Revival der Fernsehdebatte - allerdings in geändertem, amerikanisiertem Format: Schröder und Stoiber stiegen als Kanzlerkandidaten in den Ring, ganz im Stile amerikanischer Präsidentschaftsdebatten und frei nach dem Motto "Auf den Kanzler kommt es an!". Dabei werden in Deutschland bei Bundestagswahlen die Abgeordneten für das Parlament gewählt und erst diese wählen dann den Kanzler. Stoiber und Schröder duellierten sich gleich zwei Mal, vier und zwei Wochen vor der Wahl, um jeweils 90 Minuten lang die drängenden Fragen des Landes zu diskutieren, damals vor allem eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg und das verheerende Hochwasser in den ostdeutschen Bundesländern.

Für Angela Merkel ist es das dritte TV-Duell. Sie debattierte schon mit Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier. Für Steinbrück ist es das ersteBild: picture-alliance/dpa

Das Interesse war riesig - auf medialer Seite, aber auch bei den Wählern: Jeweils 15 Millionen Zuschauer schauten zu. Quoten, wie man sie sonst nur von Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft kennt. Und die Duelle 2002 etablierten eine neue Tradition, denn auch bei den folgenden Wahlen gab es jeweils ein Duell. Sie wurden immer parallel von den öffentlich-rechtlichen und den beiden größten privaten Fernsehsendern übertragen, die jeweils auch einen Moderator in den Ring entsandten.

Langweilig und nutzlos?

Medien, Wähler und die beiden Spitzenkandidaten - sie alle haben schnell Gefallen an diesem amerikanisierten Format gefunden. Kein Wunder also, dass es sich institutionalisiert hat. Gleichwohl: Gänzlich ohne Kritik bleiben auch diese Duelle nicht. Gerade die jüngste Auflage 2009 ist teils heftig kritisiert worden. Langweilig und nutzlos sei die vermeintlich lahme Debatte zwischen Merkel und Steinmeier - damals Kanzlerin und Vizekanzler in einer gemeinsamen großen Koalition - gewesen, so der einheitliche Medientenor.

Aber stimmt das? Seit 2002 nehmen wir in einem Forscherteam verschiedener Universitäten Fernsehduelle genau unter die Lupe. Wir laden Leute ein, mit uns gemeinsam die Duelle zu verfolgen und ihre Eindrücke während und nach der Debatte zu dokumentieren. So können wir als Forscher sehr genau erkennen, was während der Debatte gut ankommt, was nicht - und vor allem auch, ob überhaupt Effekte damit verbunden sind.

Motivation zur Wahl

Die Ergebnisse zeigen: Selbst das vermeintlich so langweilige und nutzlose Duell 2009 haben die Teilnehmer unserer Studien sehr wohl als interessant und nützlich empfunden - im krassen Gegensatz zum medialen Echo, das dem Duell folgte. Dabei baut dieses dramaturgisch inszenierte und inhaltlich verdichtete Format - quasi als Wahlkampf unter einem Brennglas - gerade auch eine Brücke zu Teilen der Wählerschaft, die sich ansonsten gar nicht so sehr für Politik interessieren. Gerade sie sind es, die das Duell nützlich finden, daraus auch etwas lernen und sich beeindrucken lassen. Nicht zuletzt mobilisieren solche Duelle auch: Sie motivieren zur Wahlteilnahme - und auch das gerade in gesellschaftlichen Gruppen, die der Politik etwas ferner sind.

In den USA gehören mehrere TV-Duelle zum WahlkampfBild: Reuters

Das Duell führe dazu, dass nur die beiden großen Parteien und ihre Kanzlerkandidaten im Mittelpunkt stünden, jedoch die kleineren Mitwettbewerber ausgeschlossen würden, so ein weiterer Kritikpunkt. 2002 hat der damalige Spitzenkandidat der FDP, Guido Westerwelle, vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, dass nur die beiden Kandidaten der großen Parteien im Duell mitmischen dürften, er aber nicht. Er ist damals mit seiner Klage gescheitert. Insgesamt müsse die Berichterstattung über die Parteien zwar ausgewogen sein, aber nicht in jedem Einzelfall, begründete das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung.

Dennoch werden in diesem Jahr auch die kleinen Parteien zum Zuge kommen. Am Montag nach dem Duell von Merkel und Steinbrück wird eine Diskussionsrunde mit den Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und Linkspartei im Fernsehen übertragen. Alle im Bundestag vertretenen Parteien dürfen also in diesem Wahljahr einmal in den Debattenring steigen. Und wer sich das Wahlergebnis 2009 und insbesondere das außergewöhnlich gute Abschneiden der so genannten kleinen Parteien anschaut, der weiß auch: Die Teilnahme am "großen" Duell ist wahrlich keine Garantie für ein gutes Abschneiden am Wahltag.

Thorsten Faas ist Politikwissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er leitet den Bereich "Empirische Politikforschung" am Institut für Politikwissenschaft.

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