Gefälschte Medikamente: Ein weltweites Problem
4. August 2025
Sind Medikamenten-Fälscher den Aufsichtsbehörden einen Schritt voraus? Experten und Branchenverbände haben Grund zur Befürchtung, dass die staatlichen Regulierer nicht mehr mithalten können. Die Herausforderung zeigt sich vor allem bei enorm nachgefragten Produkten wie Ozempic, Wegovy und Zepbound.
Die als "Abnehmspritze" bekannten Medikamente enthalten Wirkstoffe namens Semaglutid oder Tirzepatid, die ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurden. Sie führen aber auch zu einem erheblichen und anhaltenden Gewichtsverlust. Mit der Folge, dass mehr Menschen mit ihrer Hilfe abnehmen wollen, was zu Lieferengpässen führt. Fälschungen haben diese Lücke rasch gefüllt.
WHO: Jedes zehnte Medikament gefälscht
Medikamentenfälschungen sind ein globales Problem. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt: Jedes zehnte Arzneimittel ist eine Fälschung, ohne Garantie für einen gesundheitlichen Nutzen.
Dies ist vor allem ein Problem in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, insbesondere in Teilen Afrikas und Asiens. Aber auch in Ländern mit höheren Einkommen besorgen sich etwa ein Prozent der Menschen Medikamente aus nicht regulierten Quellen.
In einigen Fällen können die Inhaltsstoffe dieser Produkte einfach nur wirkungslos sein. In anderen Fällen können jedoch Nebenwirkungen oder neue Gesundheitsprobleme auftreten. "Wer Online-Medikamente aus nicht lizensierten und nicht regulierten Quellen kauft, setzt sich potenziell unsicheren Produkten aus, die keiner angemessenen Bewertung oder Zulassung unterzogen wurden oder nicht den Qualitätsstandards entsprechen", erklärte die für Medikamente zuständige US-Aufsichtsbehörde FDA im Jahr 2023, als sie ihre ersten Warnungen zu diesem Problem herausgab.
Im Jahr darauf warnte die WHO vor gefälschten Chargen von Ozempic, die den Schwarzmarkt überschwemmen würden. Nach Angaben des britischen Apothekenverbands NPA hat jeder fünfte Brite im vergangenen Jahr versucht, Medikamente zur Gewichtsreduktion zu erwerben. Die hohe Nachfrage nach diesen Medikamenten berge das Risiko, dass Menschen "auf unregulierte Online-Anbieter statt auf regulierte Apotheken setzen".
Wo kaufen Menschen gefälschte Medikamente?
Unkontrollierte Arzneimittel werden über reine Online-Apotheken, internationale Arzneimittel-Shopping-Seiten und organisierte kriminelle Händler verkauft. Es sind keine Online-Shops von etablierten Apotheken, sondern Websites, die scheinbar Medikamente zu einem Bruchteil der normalen Kosten anbieten.
Online sehen die Produkte echt aus, bei der Lieferung zeigen sich auf den Verpackungen jedoch häufig Rechtschreibfehler oder falsche Angaben zu den Inhaltsstoffen.
Problematisch sind aber nicht nur gefälschte Medikamente oder Placebos. Bei den Aufsichtsbehörden wachsen die Bedenken hinsichtlich einer Praxis, bei der aus offiziell zugelassenen Arzneimitteln neue Medikamente für Patienten individuell zusammengemischt werden. In einigen Regionen der Welt, darunter auch in den USA, dürfen ausgebildete Pharmazeuten ihre Arzneimittel auf diese Weise selbst herstellen. In den USA haben sich einige Apotheken auf dieses "Compounding" spezialisiert. Sie werden jedoch weniger stark reguliert als Arzneimittelhersteller, die strenge Auflagen erfüllen müssen, um ihre Produkte auf den Markt zu bringen.
Um einem Lieferengpass entgegenzuwirken, erlaubte die US-Zulassungsbehörde FDA vorübergehend das Compounding von Medikamenten zur Gewichtsreduktion. Einige Apotheker verwendeten dabei Semaglutid-Salze - die von den Aufsichtsbehörden nicht zugelassen sind - anstelle von Semaglutid, was Nebenwirkungen zur Folge hatte. Und es waren nicht nur qualifizierte Compounding-Apotheken, die diese Medikamente in den USA herstellten. "Dies geschieht an Orten wie Fitnessstudios und Spas",sagte Saifuddin Ahmed, Gesundheitsexperte und Epidemiologe an der Johns-Hopkins-Universität in den USA der DW.
Inzwischen hat die FDA die Zulassung für diese selbst hergestellten Versionen der Abnehm-Medikamente zurückgezogen. Die Behörde befürchtet jedoch, dass unregulierte Online-Händler dennoch minderwertige Produkte anbieten.
Für Risiken sensibilisieren
"Ärzte schreiben nur das Rezept. Sie überprüfen nicht, wo der Patient das Medikament kauft", sagte Ahmed. Dabei sieht er auch die Mediziner mehr in der Pflicht, um für das Thema zu sensibilisieren.
Ahmed leitet die Initiative BESAFE der Johns-Hopkins-Universität. Sie untersucht Maßnahmen, mit denen die Einnahme von minderwertigen und gefälschten Medikamenten verhindert werden sollen. Umfragen von BESAFE haben ergeben, dass in den USA und Südafrika das Wissen darüber gering ist, wo man verschreibungspflichtige Medikamente sicher kaufen und Fälschungen oder unerwünschte Nebenwirkungen melden kann. Ahmed sagt, mehr Vertrauen zwischen Verbrauchern, Ärzten und Aufsichtsbehörden könne helfen, den Kauf von gefälschten und unregulierten Medikamenten zu vermeiden.
Um Verbraucher vor unsicheren Produkten zu schützen, hat die FDA die Kampagne BeSafeRx ins Leben gerufen. Hier erfahren die Verbraucher, worauf sie bei Online-Apotheken und online bestellten Arzneimitteln achten sollten.
In der Europäischen Union sind Sicherheitsmerkmale für Arzneimittel vorgeschrieben, darunter Standards für die Beschriftung. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA teilte der DW schriftlich mit: "Patienten sollten nur Online-Händler nutzen, die bei den zuständigen nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten registriert sind, um das Risiko zu verringern, minderwertige oder gefälschte Arzneimittel zu kaufen."
Europol, die Polizeibehörde der EU, ist für die Strafverfolgung von Arzneimittelkriminalität in den Mitgliedstaaten zuständig. Im Rahmen einer mehrmonatigen Operation im Jahr 2023wurden fast 1300 Personen angeklagt wegen Straftaten im Zusammenhang mit dem Handel mit gefälschten und missbräuchlich verwendeten Arzneimitteln und Dopingmitteln. Im Zuge der Operation wurden auch Waren wie Tabletten, Wirkstoffe, Rohmaterialien und Rohmaterialien beschlagnahmt - im Wert von 64 Millionen Euro.
Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr.