Von vielen Unterschieden zwischen Männern und Frauen weiß man heute, dass sie zumindest teilweise sozial konstruiert sind. Ein Bereich, in dem Gleichbehandlung jedoch fatal sein kann, ist die Medizin.
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Von dem Moment, an dem die Spermazelle die Eizelle befruchtet, bis zum Tod sind Männer und Frauen unterschiedlich. Schon das Essverhalten einer Schwangeren beeinflusst das ungeborene Kind anders - je nachdem, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Als Grund dafür vermuten Forscher die Hormone des Ungeborenen.
"Weibliche und männliche Individuen sind von Anfang an unterschiedlich mit Chromosomen ausgestattet. Diese Chromosome triggern dann die Sexualhormone und diese wiederum prägen die Entstehung und Aktivität weiterer Gene und Botenstoffe", erklärt Vera Regitz-Zagrosek, die die erste Professur für Gendermedizin in Deutschland innehat.
Das weibliche Östrogen und das männliche Testosteron wirken der Forscherin der Charité Berlin zufolge nicht nur in den Geschlechtsorganen, sondern "in Hirn, Herz, Stoffwechsel, also eigentlich überall". Also ist es nicht verwunderlich, dass sich die Geschlechter - übrigens nicht nur bei Menschen, sondern auch bei vielen anderen Lebewesen- in fast allen Körperfunktionen unterscheiden.
Von der Organdurchblutung über die Dicke der Haut bist zum Immunsystem sind Frauen und Männer anders. So funktioniert bei Frauen etwa die akute Abwehr von Viren und Bakterien besser, weil sie weniger Testosteron haben. Dieses soll einigen Studien zufolge die Immunreaktion abschwächen. Im Umkehrschluss neigt das weibliche Immunsystem eher zu Überreaktionen, was ein häufigeres Leiden an Allergien und Autoimmunkrankheiten zur Folge hat.
Viele Ärzte wissen nicht genug über die Unterschiede
Einer der bekanntesten und im Hinblick auf Geschlechterunterschiede am besten erforschten Bereiche sind Herzerkrankungen: Männer erkranken durchschnittlich zehn Jahre früher als Frauen, weil letztere bis zur Menopause von der schützenden Wirkung von Östrogen auf das Herz-Kreislauf-System profitieren. Auch die Symptome eines Herzinfarkts äußern sich anders. Während Männer von Schmerzen im Brustraum berichten, die teilweise in andere Körperregionen ausstrahlen, treten bei Frauen häufig zusätzlich Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit oder Schweißausbrüche auf.
Ein großes Problem in der Medizin ist, dass Ärzte den genetischen und biologischen Unterschieden immer noch nicht genug Rechnung tragen. In puncto Herzinfarkt zum Beispiel sind vielen Ärzten auch heute noch eher die typisch männlichen Beschwerden als Symptome für einen Herzinfarkt bekannt. Deshalb wird bei Frauen seltener früh genug die Diagnose gestellt.
Regitz-Zagrosek möchte dem auf den Grund gehen. "Wir wollten testen, wie viel Menschen in professionellen Gesundheitsberufen eigentlich über solche Geschlechterunterschiede wissen und haben eine europaweite Umfrage durchgeführt," erklärt sie. "Und ich muss sagen, das Ergebnis ist schon ziemlich traurig. Viele wussten nur unzureichend Bescheid." Ein Grund dafür ist wohl, dass die Medizin sehr lange nur vom männlichen Körper als Standard ausgegangen ist, der weibliche lediglich als Abweichung betrachtet wurde.
Lange gab es in der medizinischen Forschung auch kaum weibliche Laborratten oder Studienteilnehmerinnen. Die Folge, so schätzt Regitz-Zagrosek: "Von etwa 100.000 Medikamenten auf dem Markt sind vermutlich 90.000 nur an männlichen Lebewesen getestet wurden. Man weiß also eigentlich nicht, ob diese Medikamente auch für Frauen optimal sind."
In den USA seien bereits einige Medikamente wieder vom Markt genommen worden, weil sie nachträglich stärkere Nebenwirkungen auf Frauen gezeigt hätten, vor allem bei Substanzen gegen Herzrythmusstörungen und Schlafmitteln habe es Probleme gegeben. Erst seit den 2000er Jahren wird bei Studien verstärkt darauf geachtet, Frauen einzubeziehen. In Deutschland ist seit 2004 die Ermittlung geschlechterspezifischer Unterschiede gesetzlich gefordert.
Soziokulturelle und biologische Faktoren: kein Widerspruch
Frauen werden anders krank als Männer und umgekehrt - aber haben daran nicht auch oft gesellschaftliche Rollenbilder ihren Anteil? "Es ist sicherlich oft eine Mischung von biologischen und soziokulturellen Faktoren. Frauen gehen zum Beispiel tendenziell häufiger zum Arzt, während Männer nicht als kränklich gelten wollen. Frauen leben oft gesünder und sind weniger risikobereit, deshalb sind bei ihnen einige Krankheiten und Verletzungen seltener", so Regitz-Zagrosek.
Auch die in vielen Ländern höhere Lebenserwartung von Frauen hängt mit solchen Faktoren zusammen. Aber eben auch mit biologischen. Das zeigt unter anderem eine Studie unter bayrischen Mönchen und Nonnen, die sehr ähnlich gelebt haben, aber bei denen dennoch die Nonnen im Schnitt zwei Jahre älter wurden.
Regitz-Zagrosek sieht noch viel Forschungs- und Handlungsbedarf, damit sowohl Frauen als auch Männer besser medizinisch versorgt werden. Bei vielen Krankheiten wie etwa Depressionen oder Osteoporose wisse man bislang nur, dass ein Geschlecht häufiger darunter leide, aber nicht genau, warum. Insgesamt besser biologisch ausgestattet sind der Forscherin zufolge weder Männer noch Frauen: "Ob die Gene und Hormone ein Vorteil oder Nachteil sind, hängt immer von der spezifischen Situation ab."
Achtung, ansteckend!
Die Grippe: eine nicht ungefährliche Viruserkrankung. Was hilft gegen Grippe? Wie wird der Impfstoff hergestellt? Ein paar Infos zu einer der häufigsten Viren-Erkrankungen hier.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel
Schön, aber gefährlich
Vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen sind Grippeviren gefährlich. Mit bloßem Auge sieht man sie nicht. Aber man merkt schnell, wenn sie da sind: an Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Husten. Dabei bestehen die Viren aus nicht viel mehr als einer Eiweißhülle und einem kleinen Erbgutstrang.
Bild: Novartis Vaccines
Keine Banalität
Eine mögliche Grippe-Pandemie macht den Menschen Angst. Denn sie kann gefährlich werden. Bei der Spanischen Grippe (1918-1920) starben über 25 Millionen Menschen. Darunter waren viele 20- bis 40-Jährige. Viele starben an den Folgen einer Lungenentzündung. Auch hier war der Grippevirus H1N1 schuld.
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Was hilft?
Bei einer Virusgrippe wird der Arzt meist nur die Symptome bekämpfen: Hustensaft und Schmerzmittel verschreiben, fiebersenkende Mittel geben oder dafür sorgen, dass der Patient schlafen kann. Für schwere Fälle hingegen gibt es antivirale Medikamente: Sie hemmen die Vermehrung des Virus im Körper.
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Knifflige Impfstoffherstellung
Gegen Grippe kann man sich impfen lassen. Allerdings verändert sich das Grippevirus durch Mutation sehr schnell. Jedes Jahr wird daher ein neuer Impfstoff entwickelt - unter streng sterilen Bedingungen. Er besteht aus inaktivierten Viruspartikeln der drei Virusstämme, die in dem Jahr besonders häufig sind.
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Grippeviren aus Hühnerembryos
Einige Impfstoffhersteller vermehren die Grippeviren in befruchteten Hühnereiern. Denn Grippeviren befallen auch Vögel - das bebrütete Hühnerei dient als primitiver Vogelersatz. Man gewinnt die Viren für den Impfstoff dann aus dem sich entwickelnden Hühnerembryo. Ein Hühnerei reicht in etwa für eine Impfdosis.
Bild: GlaxoSmithKline
Schweinegrippe
Influenzaviren befallen auch Schweine und lösen bei ihnen Atemwegserkrankungen aus. Dazu gehört auch der Virus-Subtyp H1N1. Er befällt viele Säugetierarten, auch den Menschen. 2009 kam es zu einer Pandemie mit einem Schweinegrippevirus.
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Panik - nicht nur in Hongkong
Die Schweinegrippe breitete sich 2009 von Mexiko und den USA auf über 200 Länder aus. Vor allem in Südasien, Ostafrika und Südamerika erkrankten viele Menschen. Laut Weltgesundheitsorganisation starben weltweit mehr als 18.000 Menschen an den Folgen der Schweinegrippe.
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Bedrohung Vogelgrippe
Grippeviren können auch Vögel befallen. Tiermediziner sprechen dann von Geflügelpest, das ist aber nur ein anderes Wort für Vogelgrippe. Im Grunde genommen kann jeder Influenza-A-Virus-Stamm Vogelgrippe auslösen, er muss sich lediglich auf Vögel als Wirt anpassen. Am bekanntesten sind die Typen H5N1, H7N9 und H5N8. Die Typen H5N1 und H7N9 können unter Umständen auf den Menschen übertragen werden.
Bild: picture-alliance/dpa
Und zu guter Letzt
Händewaschen ist die beste Vorbeugung gegen Grippeviren. Vor allem sollte man sich nicht mit ungewaschenen Fingern an Augen und Nase fassen - so steckt man sich nämlich leicht mit Erregern an.
Bild: BilderBox
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Nobelpreis für Medizin: Erkenntnisse, die helfen und heilen
Seit dem Jahr 1901, als der erste Medizinnobelpreis vergeben wurde, hat die Forschung gewaltige Fortschritte gemacht. Von vielem, was Mediziner damals entdeckten, profitieren die Patienten in den Arztpraxen noch heute.
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1902: Die Malariamücke hat schuld
Der Brite Ronald Ross fand heraus, dass Mücken die Tropenkrankheit Malaria übertragen. Er zeigte, dass Anopheles-Mücken einzellige Parasiten in sich tragen, die Malaria auslösen. Noch heute erkranken 200 Millionen Menschen jedes Jahr an Malaria, über eine halbe Million stirbt. Aber dank Ross' Erkenntnissen konnten Forscher Medikamente gegen die Krankheit entwickeln.
Robert Koch entdeckte den Erreger der Tuberkulose, das Bakterium Mycobacterium tuberculosis. Noch heute ist die Tuberkulose eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, deren Behandlung auch mit den richtigen Antibiotika oft sehr langwierig ist. Es gibt inzwischen eine Impfung. Sie schützt Kleinkinder, aber keine Erwachsenen.
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1912: Organe von einem Menschen in den anderen
Der französische Chirurg Alexis Carrel machte es möglich, Blutgefäße und ganze Organe zu transplantieren. Beispielsweise entwickelte er eine Nahttechnik, mit der sich durchtrennte Blutgefäße verbinden lassen. Auch fand er heraus, wie man Organe außerhalb des Körpers gut lagern kann. Heutzutage transplantieren Ärzte jedes Jahr etwa 100.000 Organe.
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1924: Dem Herz beim Schlagen zusehen
Der Niederländer Willem Einthoven entwickelte das Elektrokardiogramm (EKG) so weit, dass es sich in Krankenhäusern und Arztpraxen einsetzen ließ. Ein EKG erfasst die elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern. Anhand dessen kann der Arzt zum Beispiel Herzrhythmusstörungen und andere Herzkrankheiten erkennen. Es ist heute ein sehr breit eingesetztes Verfahren.
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1930: Vier Sorten von Blut
Der Österreicher Karl Landsteiner entdeckte, dass es oft Klumpen gab, wenn er das Blut zweier Menschen vermischte - oft, aber nicht immer. Bald fand er die Ursache: die verschiedenen Blutgruppen A, B und 0 (die er selbst C nannte). Später entdeckten Kollegen von ihm auch die Blutgruppe AB. So wurden sichere Bluttransfusionen möglich.
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1939, 1945 und 1952: Medikamente, die Bakterien töten
Gleich drei Nobelpreise gingen an Entdecker und Entwickler von Antibiotika. Darunter war Alexander Fleming, der das Penicillin entdeckte. Noch heute sind Antibiotika unter den am häufigsten eingesetzten Medikamente und retten sehr oft Leben. Allerdings müssen immer neue Arten von Antibiotika entwickelt werden, da die Bakterien mit der Zeit resistent werden.
Bild: Fotolia/Nenov Brothers
1948: Ein Gift gegen Malariamücken
Die chemische Verbindung DDT tötet Insekten, ist aber kaum giftig für Säugetiere. Das erkannte Paul Hermann Müller. In den Jahrzehnten danach war DDT eines der weltweit meistverwendeten Insektizide. Bis man erkannte, dass es sich in der Umwelt anreichert und vor allem für Vögel schädlich ist. Inzwischen ist seine Verwendung verpönt. Es wird aber noch gegen Malariamücken eingesetzt.
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1956: Vortasten bis zum Herzen
Der Deutsche Werner Forßmann erhielt gemeinsam mit zwei Kollegen den Nobelpreis für die Entwicklung des Herzkatheters. Forßmann führte an sich selbst die erste Herzkatheterisierung durch. Dabei wird ein Kunststoffschlauch an Ellenbeuge, Hand oder Leiste in die Ader eingeführt und bis zum Herz vorgeschoben. So untersuchen Ärzte heute das Herz und führen Operationen durch.
Bild: picture-alliance/Andreas Gebert
1979 und 2003: In den Körper schauen
Wollte man früher in den Menschen hineinsehen, gab es nur eine Möglichkeit: das Röntgen. Inzwischen haben Ärzte sehr viel bessere Methoden. Eine davon ist die Computertomografie (CT), die auch Röntgenstrahlen benutzt, aber detailgenaue Schichtaufnahmen vom Körper macht. Später folgte die Kernspintomografie (MRT), die mit komplett unschädlichen Magnetfeldern arbeitet.
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2008: Krebs durch Viren
Dank Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum wissen wir, dass Viren - humane Papillomviren - Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Darauf basierend entstanden Impfstoffe gegen das Virus. Mädchen und Frauen können sich inzwischen gegen diese Art des Gebärmutterhalskrebses impfen lassen.
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2010: Kinder aus dem Reagenzglas
Robert Edwards entwickelte die In-vitro-Fertilisation, sprich die Befruchtung im Reagenzglas. Das erste Baby, das mit dieser Methode entstand, kam im Jahr 1978 in England zur Welt. Weiterentwicklungen verbesserten die Erfolgschancen der Methode weiter. Inzwischen sind weltweit viele Millionen Babys aus einer künstlichen Befruchtung geboren worden.
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2013: Wie Zellen ihre Signale weiterleiten
Den Medizin-Nobelpreis teilten sich der Deutsche Thomas Südhof und die beiden US-Forscher James Rothman und Randy Schekman. Sie wurden dafür ausgezeichnet, dass es ihnen gelungen ist, wichtige Transportmechanismen in Zellen zu entschlüsseln. Defekte in diesem Zell-Transportsystem sind die Ursache für bestimmte Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder auch Diabetes.
Bild: picture-alliance / dpa
2018: Entfesseltes Immunsystem bekämpft Krebs
In uns allen steckt eine natürliche Abwehr gegen Tumore, man muss nur die natürlichen Bremsen im Immunsystem lösen. James P. Allison und Tasuku Honjo haben mit ihrer Forschung die Grundlage für eine Krebstherapie gelegt, bei der selbst Tumoren sich zurückbilden, die bereits Metastasen gebildet hatten. Nach Ende der Therapie blieben viele Patienten krebsfrei - ein riesiger Durchbruch.