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PolitikEuropa

Medwedtschuk: Putins Mann in der Ukraine

Roman Goncharenko
13. April 2022

Die Ukraine jubelt. Die Festnahme des flüchtigen prorussischen Oppositionspolitikers Viktor Medwedtschuk ist für Kiew eine der seltenen guten Nachrichten seit Kriegsbeginn. Er gilt als enger Vertrauter Putins.

Viktor Medwedtschuk bei seiner Festnahme, 12. April 2022
Viktor Medwedtschuk bei seiner Festnahme am 12. April 2022Bild: UKRAINIAN PRESIDENCY/HANDOUT/AA/picture alliance

"Wie viele Jahre habe ich auf dieses Foto gewartet!" Mit diesem Satz auf seinem Facebook-Profil sprach der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow seinen Landsleuten am Dienstag aus der Seele. Ein Nutzer schrieb: "Für diesen Moment hat es sich gelohnt zu leben." Das Bild zeigt einen sichtbar schockierten Mann in Tarnuniform auf einem Stuhl. Die Haare zerzaust, Handschellen. Das ist Viktor Medwedtschuk, prorussischer Oppositionspolitiker mit dem Ruf, Wladimir Putins Mann Nummer eins in der Ukraine zu sein. Er stand seit Monaten in Kiew unter Hausarrest und flüchtete kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Nun wurde Medwedtschuk Berichten aus Kiew zufolge vom ukrainischen Geheimdienst SBU beim Versuch, das Land zu verlassen, an der Grenze gefasst.

Viktor Medwedtschuk bei einem Treffen mit Putin, 2020 Bild: Alexei Druzhinin/Sputnik/dpa/picture alliance

Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete die Nachricht als erster bei Facebook. Die knappe Meldung mit Foto bekam in wenigen Stunden mehr als 170.000 Likes. Es hatte etwas von einem "Wir haben ihn"-Moment. Wegen seiner Verbindungen zum Kreml ist Medwedtschuk eine symbolische, von manchen dämonisierte Figur in der ukrainischen Politik. Vorwürfe gegen ihn reichen bis in die Sowjetzeit zurück.

Anwalt mit mutmaßlichen KGB-Verbindungen

Um die Rolle von Viktor Medwetschuk in der ukrainischen Politik zu verstehen, muss man mehr als 20 Jahre zurückblicken. Der 67-Jährige wurde in Russland geboren, seine Eltern stammen aus der Ukraine. Medwedtschuk studierte Jura in Kiew und wurde Anwalt. Es gibt Spekulationen über seine Verbindungen zum sowjetischen Geheimdienst KGB. In den 1970er und 1980er Jahren war er Pflichtverteidiger in einigen prominenten Verfahren. Der berühmteste Fall war der Prozess gegen den ukrainischen Dichter, Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten Wassyl Stus, der zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt wurde und 1985 in Gefangenschaft starb. Vor wenigen Jahren klagte Medwedtschuk erfolgreich gegen ein Sachbuch, dessen Autor ihm eine Mitschuld an der harten Strafe für Stus gab.

Die Präsidenten der Ukraine und Russlands, Leonid Kutschma und Wladimir Putin, 2004Bild: picture-alliance/dpa

Als die Ukraine 1991 unabhängig wurde, begann der Aufstieg Medwedtschuks in die oberen Etagen der Kiewer Politik. Er war Parlamentsabgeordneter und stand zusammen mit einigen Oligarchen an der Spitze einer Partei, die beste Verbindungen zur Regierung hatte. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Medwedtschuk zwischen 2002 und 2005 Leiter des Präsidialamtes unter dem damaligen ukrainischen Staatschef Leonid Kutschma und wurde als graue Eminenz gefürchtet. Nach dem Sieg der prowestlichen Orangenen Revolution 2004 zog er sich aus der öffentlichen Politik zurück und agierte als Geschäftsmann mit Beteiligungen in Bereichen Energie, Medien und Metallindustrie. Die ukrainische Ausgabe von "Forbes" schätzte sein Vermögen 2021 auf 620 Millionen US-Dollar.

Putin ist Taufpate der Tochter

In dieser Zeit wurde sein besonderes Verhältnis zu Wladimir Putin immer sichtbarer. Die Hintergründe sind bis heute unklar. Es wird über eine gemeinsame Vergangenheit beim KGB spekuliert. Fakt ist, dass der heutige russische Präsident Taufpate einer Tochter von Medwedtschuk ist. 2012 traf sich der Kremlchef in Jalta auf der Krim mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und besuchte danach die Villa von Medwedtschuk, der damals ein Comeback versuchte. Mit viel Werbung für seine Bewegung Ukrainische Wahl wollte Medwedtschuk die Ukraine Richtung Russland lenken. Er plädierte für eine engere Integration mit Moskau, hatte jedoch kaum Anhänger. Das Projekt floppte. Laut Umfragen ist Medwedtschuk einer der unbeliebtesten Politiker der Ukraine. Die renommierte ukrainische Zeitung "Dserkalo Tyshnja" berichtete über die angebliche Schattendiplomatie Medwedtschuks zwischen Kiew und Moskau.

"Medwedtschuk?" fragt Präsident Putin in dieser russischen Karikatur vom 13. April entgeistertBild: DW

Nach der Krim-Annexion 2014 wurde Medwedtschuk überraschend Mitglied in der Kontaktgruppe, die sich um ein Ende des Krieges in der Ostukraine bemühte. Er reiste oft nach Moskau und ließ sich mit Putin filmen. "Ich sehe Russland in dieser Situation (im Donbass-Krieg) nicht als einen Aggressor", sagte er in einem DW-Interview 2018. Innenpolitisch wurde Medwedtschuk immer mächtiger. Er wurde ins Parlament gewählt und stieg zu einer der Führungsfiguren der prorussischen Partei Oppositionsblock - Für das Leben auf.  

Austausch gegen ukrainische Kriegsgefangene?

Als Wolodymyr Selenskyj 2019 Präsident der Ukraine wurde, verlor Medwedtschuk seinen Einfluss. Er wurde als Mitglied der Kontaktgruppe für die Ostukraine abgesetzt und einige Fernsehkanäle, die er kontrolliert, verloren ihre Lizenzen. Im Mai 2020 wurde ein Verfahren wegen angeblichen Staatsverrats gegen Medwedtschuk eröffnet, er wurde unter Hausarrest gestellt. Ihm werden unter anderem illegale Kohlegeschäfte mit Separatisten im Donbass vorgeworfen.

Ironie der Geschichte: Medwedtschuk war 2014 in den Gefangenaustausch in der Ostukraine involviert. Nun könnte er selbst gegen ukrainische Soldaten ausgetauscht werden, die die russische Armee gefangengenommen hat. Präsident Selenskyj hat das in Aussicht gestellt. Ob Putin darauf eingeht, ist offen. Kremlsprecher Dmitri Peskow distanzierte sich am Mittwoch von Medwedtschuk: Der Mann sei kein russischer Staatsbürger und habe nichts mit dem "Einsatz" in der Ukraine zu tun.

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