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Mega-City aus der Retorte

1. Juli 2012

In Südkorea entsteht eine künstliche Metropole auf der grünen Wiese. Bis 2015 sollen dorthin große Teile der Regierung umziehen. Das Projekt wird jetzt offiziell eingeweiht - über den Sinn aber heftig gestritten.

Luftaufnahme: Sejong City
Bild: 우희철

An diesem Montag wird das südkoreanische Mega-Projekt Sejong City von Ministerpräsident Kim Hwang Sik offiziell als zweites politisches Zentrum des Landes eröffnet. Dazu fährt der Regierungschef aus der überfüllten Hauptstadt Seoul rund 120 Kilometer heraus in den weit weniger bevölkerten südlicheren Landesteil. Dort wird noch kräftig an der Retortenstadt gearbeitet. Geplant ist, dass bis 2015 nach und nach ein Großteil der Regierung nach Sejong City umzieht - in ein neues politisches und kulturelles Zentrum des Landes.

Mehr Kultur – weniger Regierung

Doch schon seit zehn Jahre wütet in Südkorea ein heftiger Streit über den Sinn des Großprojekts, das auf 22,5 Billiarden Won (rund 15,5 Milliarden Euro) veranschlagt ist. Geplant war Sejong City ursprünglich als Regierungssitz, um die wirtschaftliche Entwicklung der verschiedenen Landesteile ausgeglichener zu unterstützen. Im Jahr 2002 hatte sich der spätere Präsident Roh Moo Hyun im Wahlkampf dafür stark gemacht, auch um das völlig überbevölkerte Seoul mit dem Umzug der Regierung in die zentralkoreanische Region Chungcheong zu entlasten. Roh gewann die Wahl - nicht zuletzt dank der Unterstützung von Wählern aus der Region.

Nach einer Niederlage vor dem Verfassungsgericht musste Roh seinen Plan 2004 aber ändern: Seoul sollte nun mit mehreren Ministerien Hauptstadt bleiben und Sejong City lediglich der zweite Regierungssitz werden. Nach seinem Amtsantritt 2008 versuchte der jetzige Präsident Lee Myung Bak, den Regierungsumzug in die neue Stadt ganz zu stoppen. Als Alternative schlug er vor, dass in Sejong City ein Wirtschafts-, Wissenschafts- und Bildungszentrum entstehen solle - ohne den Umzug von Ministerien. Zusammen mit Abweichlern aus Lees eigener Partei brachte die Opposition das Projekt jedoch zu Fall.

Sejong City im Modell: Südkorea streitet um das Mega-ProjektBild: Aliona Yermakova

"Desaster" oder "Boom-Stadt"?

Ein Sprecher des Vorbereitungskomitees für Sejong City räumte ein, viele Menschen hätten Zweifel am Erfolg der Retortenstadt. Aber die Lebensqualität werde dort viel besser sein als in Seoul. Seine wichtigsten Argumente: Der deutlich günstigere Wohnraum und der erwartete Wirtschaftsboom in der Stadt.

Dagegen meinte Wirtschaftsprofessor Cho Dong Keun von der Myongji-Universität, Sejong City werde als riesiges Desaster in die Geschichte eingehen. Denn der zweigeteilte Regierungssitz werde lediglich dafür sorgen, dass viele Politiker und Regierungsmitarbeiter Woche für Woche zwischen Seoul und Sejong City hin und her pendeln. Das führe zu erheblichem Zeitverlust, Ineffizienz und langsameren Entscheidungen.

Cho geht davon aus, dass die meisten Beamten gar nicht erst nach Sejong City umziehen werden. Weil es dort etwa an Freizeitmöglichkeiten fehle, würden die meisten nur unter der Woche in der Retortenstadt leben und am Wochenende zu ihren Familien nach Seoul zurückfahren. Hinzu kommt: Sogar Regierungschef Kim wird nach dem Umzug seines Büros im September erst einmal nur nach Sejong City pendeln.

hp/SC (afp)