Elektroauto Großstädte
12. Januar 2010Bei Mercedes nennen sie ihn BlueZero, bei Volkswagen E-Up! und bei Audi ist es der e-tron. Sie alle haben zwei Dinge gemeinsam: Es sind Autos mit elektrischem Antrieb – und man kann sie noch nicht kaufen. Das größte Problem sind derzeit noch die Batterien – und die Akzeptanz der Kundschaft. Die größte Angst ist die vor der mangelnden Reichweite. Doch darauf kommt es gar nicht an: Denn eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey sieht vor allem die Megacities dieser Welt als Geburtshelfer der E-Cars: Und dort ist einem schon mit Reichweiten um die 50 Kilometer geholfen. Man müssen sich von der Idee verabschieden, mit einem Auto in Zuklunft alles machen zu könen, meint Christian Malorny, Automobilexperte bei McKinsey Deutschland und Mitautor der Studie. Und für die Automobilhersteller hieße das: "Sie müssen sehr viel stärker anfangen, darüber nachzudenken: Wie können wir eigentlich für diese verschiedenen Mobilitätsmärkte, die dort entstehen, unterschiedliche Autos bauen."
Förderung, aber richtig
Um den Abschied zu erleichtern, rechnen Experten mit einem Übergangszeitraum, in dem der Elektromotor zur Reichweitenverlängerung einen Verbrennungsmotor mit an Bord hat. Diese sogenannten Plug-In-Hybride gibt es schon heute: Nur dass bei den derzeit verfügbaren Hybrid-Modellen der Elektromotor noch die unterstützende Rolle spielt.
Ob mit oder ohne Benzin-Helfer: Im Jahr 2015 könnte der Anteil von E-Autos in den Megacities dieser Welt schon bei 16 Prozent liegen, prognostiziert McKinsey-Mann Malorny. Denn überall schieben die Regierungen und Stadtverwaltungen Förderprogramme an. "Wir haben mittlerweile einen Wettlauf der Nationen beim Thema Elektromobilität", sagt Malorny. Vor allem die Forschung nach der richtigen Batterietechnologie werde gefördert, aber auch über Konzepte für die Markteinführung werde nachgedacht: "Man muss dem Endverbraucher unter die Arme greifen, damit wir schnell in marktfähige Stückzahlen reinkommen." Die reine Förderung über steuerliche und andere finanzielle Anreize sei allerdings der falsche Weg. New York plant beispielsweise, die Busspuren für E-Cars freizugeben, anderswo setzt man auf gebührenfreies Parken. In Shanghai wünschten potentielle Kunden eher einen geldwerten Zuschuss.
Strom tanken - kein Problem
Für künftige E-Autokäufer ist es derzeit noch das größte Problem: Die Reichweite. Die Gewöhnung aus dem Zeitalter der Verbrennungsmotoren steckt in uns allen drin: 500 bis 1000 Kilometer reicht eine Tankfüllung. Und Tankstellen gibt es zum Beispiel in Deutschland alle Nase lang. Elektro-Zapfsäulen hingegen haben absoluten Seltenheitswert. Aber diese fehlende Infrastruktur sei überhaupt kein Problem. Denn die wenigen Erstkunden würden anfangs ganz normal die heimische Steckdose nutzen. Denn die meisten werden mit dem kleinen Elektroflitzer sowieso nur 30 oder 40 Kiloemter zurücklegen. In einem zweiten Schritt sieht die McKinsey-Studie pfiffige Unternehmen wie Restaurants oder Kaufhäuser, die sich Ladestationen privat auf ihre Gelände stellen. Sie werden dem Kunden den Strom schenken, während dieser einkauft, parkt oder isst. "Genauso werden Arbeitgeber ihren Angestellten ein solches Netz zu Verfügung stellen, damit diese ihre Autos aufladen können."
Später dann erst wäre es nötig, die sehr teure, öffentliche Infrastruktur aufzubauen. Ohne die dürfte es beispielsweise in Deutschland nicht gelingen, den Plan der Bundesregierung umzusetzen: Demnach sollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Strassen rollen.
Forschungsetats wurden nicht gekürzt
In den Entwicklungsabteilungen von Volkswagen, Mercedes, BMW und Co jedenfalls tüfteln die Ingenieure heftig am Auto von morgen. Die deutschen Hersteller haben für Ende 2011 erste reine E-Modelle angekündigt. In die Forschung wurde auch in der Krise massiv investiert, sagt Malorny: "Wenn es in der Krise irgendeinen Bereich gab, wo die Budgets nicht gekürzt wurden, dann im Bereich neue Antriebstechnologien – um dort weiter nach vorne zu kommen."
Den Vorreiter in Sachen Elektromobilität haben die McKinsey-Leute auch ausgemacht: In New York werden im Jahr 2015 schon rund 70.000 Elektroautos fahren. In Paris 60.000 und in Shanghai 25.000. Und noch etwas anderes haben die Berater herausgefunden: Während Autokäufer bei den PS-starken Modellen "wohl aus Scham" immer öfter auf einen Schriftzug am Heck verzichten, ordern die Käufer von "grünen" Modellen sehr wohl genau dieses Detail: Denn "grün" Auto zu fahren ist längst gesellschaftsfähig geworden.
Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Insa Wrede