1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie machen das die Schweizer?

Andreas Becker31. Mai 2016

Beim Schweizer Tunnelprojekt wurde der Zeitplan eingehalten, auch die Kosten sind im Rahmen geblieben. In Berlin, Hamburg und Stuttgart fragen sich Projektplaner verwundert: Wie ist das möglich?

Schweiz Gotthard Basistunnel
Bild: picture alliance/KEYSTONE

Der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz ist ein Projekt der Superlative: 57 Kilometer verläuft die Eisenbahnstrecke unter den Alpen. Insgesamt wurden dafür 151 Kilometer Tunnel und Passagen durch das Bergmassiv gebohrt, zwischen Baubeginn und Eröffnung liegen 17 Jahre. Noch beeindruckender: Der Zeitplan wurde eingehalten, und die Kosten sind nicht explodiert.

"Das ist eine beeindruckende Leistung", sagt Bent Flyvbjerg, der den Lehrstuhl für das Management von Großprojekten an der Said Business School der Universität Oxford innehat, zur Deutschen Welle. "Vergleichbare Projekte haben ihren Zeitplan um 23 Prozent überzogen, hier wurde er sogar leicht unterschritten." Eigentlich war eine Eröffnung im Jahr 2017 angepeilt.

Auch die Kosten blieben im Rahmen. Mit rund zwölf Milliarden Schweizer Franken (10,9 Mrd. Euro) sei der Tunnel rund 20 Prozent teurer als ursprünglich geplant, so Flyvbjerg. "Die Kosten sind unterdurchschnittlich gestiegen, obwohl Strecke und Bauzeit viel länger waren als bei ähnlichen Projekten." Bei denen seien die Kosten im Schnitt um 34 Prozent gestiegen, sagt er nach einem Blick in seine Datenbank. "Und das ist nur der Durchschnitt. Viele Projekte liegen deutlich darüber."

"Survival of the unfittest"

Flyvbjerg und seine Mitarbeiter haben die Daten von mehr als 6000 Großprojekten gesammelt, viele davon mit Milliardenkosten und mehrjähriger Bauzeit. "Das ist die größte Datenbank ihrer Art, sie deckt mehr als 100 Länder auf sechs Kontinenten ab", sagt der Forscher. Seine Untersuchung zeigt: In 90 Prozent der Fälle werden Kosten- und Zeitpläne nicht eingehalten.

Das Scheitern ist also die Norm, nicht die Ausnahme. Meist werden schon bei der Planung zu optimistische Annahmen gemacht, hinzu kommen falsche Anreize. Damit ein Projekt Chancen auf Umsetzung hat, muss es auf dem Papier gut aussehen, sagt Flyvbjerg. "Dabei werden die Kosten geringer veranschlagt, damit es günstiger wirkt. Der Zeitplan wird knapper kalkuliert, damit es schneller wirkt. Und der Nutzen wird überschätzt, damit es profitabler aussieht. So erhöht man die Chancen."

Genehmigt werden dann oft Projekte, die ihre selbst gesteckten Ansprüche nicht erfüllen können. Flyvbjerg nennt das "survival of the unfittest".

Wie die Mondlandung

Doch selbst gut geplante Projekte können teurer werden. So war es auch beim Schweizer Tunnelbau. "2007, nachdem die Schweizer schon viel mehr wussten über die technischen Schwierigkeiten, haben sie klugerweise innegehalten", sagt Jobst Fiedler von der Hertie School of Governance, einer privaten Hochschule in Berlin. "Sie haben dann noch eine Risikoabschätzung gemacht und anschließend den Rahmen für die Gesamtkosten erhöht. Den haben sie dann aber in den folgenden neun Jahren auch eingehalten."

Das sei ein "kluges Erwartungsmanagement" gegenüber einer Öffentlichkeit, die natürlich nicht hören will, dass ihre Steuern verschwendet werden. Der Gotthard Basistunnel ist Teil eines größeren Projekts mit weiteren Tunneln, dessen Gesamtkosten auf 24 Milliarden Schweizer Franken geschätzt werden. Das entspricht 3,6 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung - für das kleine Alpenland ist das ein größerer Posten als das Apollo-Mondprogramm für die USA.

Die Hertie School of Governance hat in Zusammenarbeit mit der OECD untersucht, wie gut 36 Länder Infrastrukturprojekte planen und managen. Die Schweiz belegt in allen Kategorien die vorderen Plätze. "Unser Report rankt die Schweiz elf oder sogar 15 Positionen vor Deutschland", so Fieder zur DW.

Dauerbaustelle und Milliardengrab: Berliner Flughafen BERBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Rufschädigend

In Deutschland kritisieren die Experten neben bürokratischen Hürden vor allem "das Fehlen eines umfassenden Planungsprozesses", die "fehlende Kontrolle durch unabhängige Aufsichtsgremien" sowie Mängel bei der "Koordination zwischen zentralen und regionalen Akteuren".

Beim Bau des Berliner Hauptstadt-Flughafens BER wurde das besonders deutlich. Die Kosten: verdoppelt. Die Bauzeit: verdreifacht. Fertig ist das Prestigeprojekt noch immer nicht. In der Schweiz wäre das wahrscheinlich nicht passiert. "Doch im dezentralen Deutschland durften die Berliner vor sich hin amateurisieren", sagt Fiedler.

"Der Berliner Flughafen gilt inzwischen in der ganzen Welt als Witznummer", sagt auch Flyvbjerg von der Oxford University. Die Elbphilharmonie in Hamburg, der Stuttgarter Hauptbahnhof oder das Mautsystem Toll Collect sind weitere Großprojekte, die alle Kosten- und Zeitplanungen gesprengt haben. "Wenn sich solche Fälle häufen, schadet das dem Ruf des ganzen Landes", so Flyvbjerg.

Darunter hätten dann auch deutsche Firmen zu leiden, wenn sie sich im Ausland um Großaufträge bewerben. Umgekehrt habe der Gotthard Basistunnels eine positive Wirkung. "Die ganze Welt schaut bei so einem Großprojekt zu", sagt Flyvbjerg. "Wenn man das dann erfolgreich beendet, ist das ein Segen für das ganze Land."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen