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Wird Sprit sicherer mit Megasupramolekülen?

Brigitte Osterath1. Oktober 2015

Wenn sich Treibstoff unerwartet entzündet, kann das viele Menschenleben kosten. US-Forscher stellen jetzt eine Substanz vor, die angeblich die Explosionsgefahr herabsetzt und so Unglücke verhindern kann.

Flugzeug wird betankt Foto: Andreas Gebert/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

In Hollywoodfilmen explodieren Autos ständig und beim kleinsten Anlass. Das ist sicher übertrieben. Trotzdem kommen solche Unfälle auch in der Realität vor. Denn Treibstoffe sind leicht entzündlich.

Auch bei Flugzeugen haben Treibstoffexplosionen schlimme Folgen. Denken wir zurück an das Jahr 1977, als zwei 747-Flieger auf der Rollbahn vom Flughafen Teneriffa miteinander kollidierten. Das Kerosin entzündete sich und ein Feuerball tötete 583 Menschen.

Nach Angaben des Forschungsteams um Ming-Hsin Wei vom California Institute of Technology in Pasadena in den USA sterben im Durchschnitt jedes Jahr 500 bis 1000 Menschen durch Feuer als Folge von Flugzeugunglücken. Kein Wunder: ein Liter Flugzeugtreibstoff hat die Explosionskraft von 18 Stangen Dynamit. Und ein Flugzeug hat viele tausend Liter Kerosin dabei.

Ein begehrtes Produkt

Seit dem besagten Unfall 1977 auf Teneriffa suchen Forscher nach Möglichkeiten, Benzin, Diesel und Kerosin weniger entzündbar zu machen, genauer: ihre Nebelbildung herabzusetzen. Denn die Flüssigkeiten verdunsten selbst bei Raumtemperatur recht schnell und bilden ein explosives Gemisch mit Luft. Wird es entzündet, bildet sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein Feuerball, der durch die Luft saust.

Bei der Kollission zweier Flugzeuge auf der Rollbahn auf Teneriffa starben 1977 viele hundert MenschenBild: picture-alliance/dpa

Werden sehr lange Polymere - Kunststofffäden sozusagen -, dem Treibstoff zugegeben, verdunstet er dagegen weniger schnell, die Handhabung wird sicherer. Kerosin muss dafür nur 0,3 Prozent eines hochmolekularen Polymers enthalten.

Aber es gibt ein Problem: Sobald dieses polymerangereicherte Kerosin beispielsweise eine Pumpe passiert - etwa beim Betanken eines Flugzeugs - zerbricht die lange Kunststoffkette. Das ist so ähnlich, wie wenn man sehr lange Spaghettis in einen viel zu kleinen Topf quetscht. Sobald die Kunststoffkette zerbricht, ist das Kerosin wieder so leicht entzündbar wie zuvor.

In der aktuellen Ausgabe des Fachjournal "Science" präsentieren Ming-Hsin Wei und seine Kollegen ein sehr langes Polymer, das zwar auch unter Scherkraft zerbricht, sich aber später selbst wieder repariert.

Wirklich sehr lang

In einem Video demonstriert Hauptautorin Julia Kornfield, wie ihre Moleküle funktionieren. Sie legt mehrere Ketten auf den Tisch; das sind die Polymerketten. Jede Kette hat zwei bunte Enden; diese stehen für chemische Gruppen, die sich miteinander verbinden - sie wirken so ähnlich wie Klettverschlüsse. Über sie haften die einzelnen Ketten aneinander und formen eine extrem lange Superkette.

"Wenn diese Moleküle Pumpen, Filter und lange Pipelines passieren, überleben sie das", erklärt Kornfield. Sie zieht an der langen Ketten, so dass diese in die ursprünglichen Bestandteile mit ihren Klettverschlussenden zerfallen.

Dieser Vorgang sei aber reversibel: "Wenn sich die Moleküle in einer ruhigeren Umgebung wiederfinden, schließen sie sich wieder zusammen", verspricht Kornfield und steckt die Kettenteile wieder zusammen. Jetzt seien sie "wieder bereit, ihren Job zu tun."

Die Forscher nennen ihre Erfindung Megasupramoleküle.

Wird die Handhabung von Benzin demnächst sicherer?Bild: picture-alliance/dpa/Hannibal

Das entscheidende Experiment

Nur 0,3 Prozent Polymeranteil im Treibstoff werden benötigt, um Flugzeugbenzin weit weniger entzündbar zu machen, zeigen die Forscher in einem anderen Video. Sie streuen einen feinen Kerosinnebel über drei brennende Flammen. Der Treibstoff entzündet sich sofort zu einem Feuerball. Wurden aber zuvor 0,3 Prozent des Polymers hinzugegeben, bleibt die Explosion aus. Stattdessen flackern nur viele kleine Zündfunken auf, die nach Sekundenbruchteilen wieder erlöschen.

Diese Wirkung behält das angereicherte Kerosin nach Angaben der Forscher auch, wenn es zuvor durch eine Treibstoffpumpe gepumpt wurde.

Noch immer motortauglich

Treibstoff soll sich nicht auf der Straße oder der Rollbahn entzünden - aber sehr wohl im Motor. Das ist schließlich der Sinn hinter einem Treibstoff.

"Die Nebelbildung ist auch wichtig für Flugzeugmotoren", schreiben Michael Jaffe und Sahitya Allam vom New Jersey Institute of Technology in einem begleitenden Kommentar in "Science".

Verdunsten also ja, aber nur so viel, wie gerade nötig ist. Die Forscher vom California Institute of Technology versichern aber, dass ihr polymerangereicherter Treibstoff mit den derzeitigen Motoren kompatibel ist.

Jetzt müssen weitere Studien zeigen, ob die Megasupramoleküle nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im großen Maßstab kommerziell begeistern können.

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