Megatrends und individuelle Wohnkultur auf der IMM in Köln
Gaby Reucher20. April 2016
Möbel müssen heute mehr als nur gefallen. Praktisch, individuell und ökologisch sollen sie sein. Wie das geht, zeigt die Internationale Möbelmesse "IMM Cologne" in Köln.
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Elf globale Megatrends beeinflussen unsere Gesellschaft. Neu ist diese Erkenntnis zwar nicht, aber für die Möbelindustrie ist sie hilfreich. Megatrends sind Strömungen, die in der gesamten Zivilisation in den unterschiedlichsten Regionen der Welt zu beobachten sind. Schon zu Beginn der 1980er Jahre hat der US-amerikanische Forscher John Naisbitt diesen Begriff in die öffentliche Diskussion gebracht. Auch heute noch macht sich die Möbelindustrie seine Erkenntnisse zunutze.
Gerade die Deutschen legen Wert auf Wohnkultur. In Europa sind sie Weltmeister beim Möbelkauf, dabei sind 39 Prozent der Möbel sogar "Made in Germany". Das Tief, das nach der Finanzkrise 2008 auch die Möbelindustrie erfasste, scheint überwunden zu sein. Auch deutsche Möbeldesigner wissen um die Megatrends und machen weltweit Karriere. Einige von ihnen zeigen ihre neusten Kreationen auf der IMM Cologne.
Menschen, Möbel, Trends auf der Internationalen Möbelmesse in Köln
Leicht und individuell, ökologisch und effizient, das sind die Möbeltrends von heute. Doch Möbel werden für Menschen gemacht. Bei der Internationalen Möbelmesse in Köln haben wir uns umgehört, was wirklich gefällt.
Bild: DW/G. Reucher
Die Welt aus Moos
Naturmaterialien zur Wandgestaltung, das ist einer der Trends bei der Internationalen Möbelmesse in Köln. Die Mooswand der Firma Freund hat es der angehenden Schreinerin Sophie Caglayan besonders angetan. "So ein Material ist mal was zum Anfühlen und es riecht auch angenehm nach Natur." Das mit Salz konservierte Moos ist übrigens auch dazu gedacht, die Luftfeuchtigkeit im Raum zu regulieren.
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Projektionsfläche statt Tapete
Auch wenn gemusterte Tapeten nach wie vor gefragt sind: Diese Foto-Textilwand von Pongs ist ein Hingucker, meint Lennart Bär. Der Schüler eines Berufskollegs für Gestaltung sieht in dieser ausgeleuchteten Wand auch Potential für die eigenen vier Wände. "Das ist was für jung und alt. Kinder können ihre Fußballmannschaft an der Wand haben und Naturliebhaber vielleicht ein Naturbild."
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Plüsch aus Kapstadt
Den "Vetsak" aus Kapstadt findet Yasushi Yamazaki zwar gemütlich, aber auch wenn Plüsch gerade in ist, mag es der Japaner lieber einfach. In seinem Online-Fachmagazin JDN für Designer und Architekten wird er dieses Möbelstück wohl nicht vorstellen. "In Japan haben wir kleinere Häuser als in Deutschland. Der Sitzsack wäre für unseren Lifestyle einfach zu groß."
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Platzsparend und individuell
Wohnungen in Großstädten werden immer teurer und kleiner. Da bietet die Firma Germania platzsparende Möbel, wie diese Garderobe. Aus einer bunten Farbpalette kann der Kunde individuell wählen. Geschäftsführer Clemens Deventer hat den Trend erkannt: "Die Leute wollen Kleinigkeiten individuell gestalten können, wie etwa die Farbe, und somit ein Serienmöbel zu einem persönlichen Möbel machen."
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Skandinavien trifft Fernost
Dem funktionalen Trend will Charlotte Nielsen von Lio Collection entgegenwirken und liegt doch selbst voll im Trend. "Ich bin Dänin, mein Mann ist Grieche und zusammen haben wir diese Firma in Indonesien gegründet." In Skandinavien ist ihr alles zu minimalistisch. "Wir produzieren auch dänische Designmöbel, aber mit einem indonesischem Touch aus schnell nachwachsendem Holz der Region."
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Holz trifft Design
Kaum ein Besucher kann an diesen Bänken aus Zedernholz vorbeigehen, ohne wenigstens kurz einmal mit der Hand darüber zu streichen. "Es ist sehr gut verarbeitet und fühlt sich sehr sanft an", schwärmt Dan Gilmore aus New Jersey. Der Amerikaner handelt mit Holzprodukten. Die Idee der überdimensionalen Wäscheklammer der Designer "Baldessari e Baldessari" aus Italien gefällt ihm besonders gut.
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Filigrane Kleinmöbel locken Kunden
"Heutzutage ist alles leicht und filigran, da muss man mit der Zeit gehen," sagen Jonathan Kraus und Jan Waidlich aus Karlsruhe. Die beiden Möbelbauer interessiert besonders, wie die verschiedenen Werkstoffe Holz, Metall oder auch Glas kombiniert werden. Der schimmernde Beistelltisch "Pli" von Victoria Wilmotto im Showroom von Classicon ist allerdings ganz aus Spiegelglas gestaltet.
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Ein Tisch wie eine Skulptur
"Ich bin stolz auf meinen Jungen", sagt die Kuratorin Marva Griffin Wilshire voller Überschwang. "Mit diesem Glastisch hat er angefangen." Gemeint ist der junge Designer-Star Sebastian Herkner. Die gebürtige Venezuelanerin hat ihn für den "Salone del Mobile" in Mailand entdeckt. Sein Konzept von einem runden Haus mit runden Möbeln "Das Haus" stellt Herkner derzeit auf der Kölner Messe vor.
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Ein Mann, eine Küche
Sören Markus liebt die Ordnung. Außerdem kocht er gerne mit anderen zusammen. Daraus entstand die Idee zu seiner Multifunktionsküche "Kochwerk". "Man kann an diesem Möbelstück Dinge zubereiten, kochen und auch essen", erläutert der Jungdesigner aus Wismar. Multifunktionsmöbel liegen nach wie vor im Trend und auch Sören Markus hofft, einen Interessenten für die Vermarktung zu finden.
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Eine Frau, eine Küche
Die Russin Daria Ayvazova will nichts verschwenden und hat deshalb eine Küche entworfen, die auf den ersten Blick an ein Chemielabor erinnert. Dabei geht es hier um gesundes Dampfgaren. "Der Dampf beim Kochen kann aufgefangen werden. Mit dem Wasser kann man dann seine Blumen gießen." Daria Ayvazova zeigt ihr Werk beim "Pure Talents Contest" der Möbelmesse in Köln, die noch bis zum 24.1.dauert.
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Megatrends und Lebensgefühl
Zu den Megatrends gehören Entwicklungen, die durch Begriffe wie Urbanisierung, Informationsgesellschaft, Ökologie oder Gesundheit geprägt sind. Ursula Maria Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie hat sich näher mit den Auswirkungen der Megatrends auf das Möbeldesign beschäftigt. "Der Trend der Neo-Ökologie zielt zum Beispiel darauf, Ressourcen zu schonen und Möbel nachhaltig zu produzieren." Daraus wiederum ergebe sich der Trend zu natürlichen Hölzern. Wer über die Kölner Möbelmesse geht, wird es bemerken: Fast überall gibt es Holzmöbel in allen Facetten von massiven Tischen und Bänken bis hin zu filigranen Beistellmöbeln und Regalen.
Ein anderer Megatrend ist die Urbanisierung. "Da braucht man pfiffige Ideen für kleine Wohnungen", meint Ursula Maria Geismann. Denn immer mehr Menschen weltweit ziehen vom Land in die Städte. Das wiederum beeinflusst den Preis und die Größe des Wohnraums. "Man sieht auch auf dieser Möbelmesse, dass weniger die großen Wohnlandschaften mit riesigen Sofas angeboten werden", beobachtet die Möbelexpertin, "stattdessen sind kleinere Möbel gefragt, die man auch umwandeln kann". Modern ist deshalb gerade in Deutschland wieder das sogenannte "Midcentury Design" der 1940er bis 1960er Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg musste man sparsam mit Material umgehen. Es entstanden kleine bewegliche Möbel, die jetzt wieder modern sind. Diese Möbel kommen auch dem Megatrend der Mobilität in unserer Gesellschaft zugute.
Trendmöbel bei der IMM sind wandelbar
Manche Möbel bedienen gleich mehrere Megatrends, wie etwa höhenverstellbare Tische, bequeme Stühle und Sessel oder helle Lichtquellen. Bei solchen Objekten geht es zum einen um den Megatrend Gesundheit und zum anderen um die "Silver Society", die ältere Generation, die nicht nur in Deutschland von einer Minderheit zur Mehrheit wächst. Auch unsere Arbeitssituationen verändern sich ständig und damit auch der Bedarf an neuen Möbelkonzepten. Wer durch Computerarbeit viel am Schreibtisch sitzt, arbeitet auch gerne mal im Stehen oder möchte zu Hause sein Homeoffice nach der Arbeit einfach zusammenklappen. Wohn- und Arbeitsbereich verschmelzen ebenso wie Küche und Essbereich. Ein Trend, der sich auch bei vielen Möbeln auf der IMM Cologne zeigt.
Welche Möbel aber letztendlich gekauft werden, das hängt natürlich nicht nur von den Megatrends ab, sondern auch von der eigenen Kultur eines Landes und der veschiedenen Bevölkerungsgruppen. Da passen große Sitzsäcke vielleicht nicht zum japanischen Livestyle und Lampen aus einem einfachen Drahtgestell nicht zur Vorstellung von deutscher Gemütlichkeit. Ein weiterer Faktor sind dabei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Region. Denn gerade Designermöbel sind – auch wenn sie noch so klein und beweglich daherkommen – längst nicht für jeden erschwinglich.