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PolitikTürkei

Mehr als 130 Festnahmen wegen Baumängeln in der Türkei

13. Februar 2023

Immer mehr Menschen in der Türkei fragen sich, weshalb so viele Gebäude bei den Beben einstürzen konnten. Ihr Vorwurf: Bauvorschriften gelten nur auf dem Papier. Vereinzelt werden noch Menschen lebend geborgen.

Zusammengebrochen wie ein Kartenhaus - Gebäude in Iskenderun
Zusammengebrochen wie ein Kartenhaus - Gebäude in IskenderunBild: Kyodo/picture alliance

Die jetzt festgenommenen Verdächtigen sollen für Baumängel verantwortlich sein, die den Einsturz von Gebäuden bei dem heftigen Beben und den zahlreichen Nachbeben begünstigten. Gegen sie wird wegen Fahrlässigkeit ermittelt. Insgesamt wurden nach Angaben des türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay bislang 131 Personen festgenommen.

Der türkische Städteminister Murat Kurum teilte, mittlerweile seien knapp 172.000 Gebäude in zehn Provinzen überprüft worden. Festgestellt worden sei, dass rund 25.000 schwer beschädigt worden seien oder dringend abgerissen werden müssten.

Such- und Rettungsaktion in GaziantepBild: Hairul/BERNAMA/dpa/picture alliance

Präsident Recep Tayyip Erdogan, der bei den bevorstehenden Wahlen wiedergewählt werden will, sieht sich mit immer größerer Wut der Bevölkerung konfrontiert. Fragen nach der Bauweise in dem Erdbebengebiet werden immer lauter. Die Opposition wirft der Regierung vor, Baubestimmungen nicht konsequent durchgesetzt und Sondersteuern für stabilere Gebäude nach dem letzten großen Erdbeben 1999 verschwendet zu haben. 

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warf Präsident Erdogan einmal mehr vor, das Land nicht auf solch ein Beben vorbereitet zu haben. Er kritisierte zudem, dass die Regierung im Jahr 2018 eine Bau-Amnestie erlassen habe, mit der illegal errichtete Gebäude gegen Strafzahlung im Nachhinein legalisiert worden seien. "Sie haben die Häuser, in denen die Menschen leben, zum Friedhof gemacht und dafür noch Geld genommen", sagte der Oppositionsführer. Erdogan weist die Vorwürfe zurück und bezichtigt die Opposition der Lüge. 

Überleben zwischen Trümmern in KahramanmarasBild: Suhaib Salem/REUTERS

Auch Bau-Experten kritisieren, dass Bauvorschriften zum Erdbebenschutz nicht umgesetzt werden. "Die Türkei hat auf dem Papier eine der besten Baunormen der Welt. Wenn es um die Umsetzung geht, sind wir die Schlechtesten", sagte Städtebauexperte Orhan Sarialtun von der Ingenieur- und Architektenkammer der Deutschen Presse-Agentur. Die meisten beschädigten Gebäude in den betroffenen Provinzen wiesen dieselben Mängel etwa an Stahl- und Eisenstangen auf. Zudem sei Beton minderer Qualität verwendet worden und bei Bodenuntersuchungen habe es Fehlberechnungen gegeben, sagte Sarialtun.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, wurden in der Provinz Gaziantep zwei Personen verhaftet, die im Verdacht stehen, Säulen abgeschnitten zu haben, um zusätzlichen Platz in einem eingestürzten Gebäude zu schaffen. Zwei Bauunternehmer, die für den Einsturz von Gebäuden in Adiyaman verantwortlich gemacht werden, wurden auf einem Istanbuler Flughafen festgenommen, als sie versuchten, das Land zu verlassen, berichteten die private Nachrichtenagentur DHA und andere Medien.

Vereinzelt noch erfolgreiche Rettungsaktionen

Auch nach unglaublichen sieben Tagen werden noch Menschen lebend gerettet. In der Südosttürkei konnte eine Frau nach 170 Stunden unter Trümmern geborgen worden. Die Retter holten die 40-Jährige in Gaziantep aus der Ruine eines fünfstöckigen Hauses hervor, wie der Staatssender TRT berichtete. 178 Stunden nach dem Beben wurde in der Provinz Adiyaman ein vierjähriges Mädchen lebend geborgen. Nach 163 Stunden befreiten Rettungsteams in der Provinz Hatay am Sonntagabend einen siebenjährigen Jungen und eine 62-jährige Frau. In der selben Provinz konnten Helfer nach 182 Stunden an diesem Montag einen 13-jährigen Jungen lebend aus Trümmern bergen.

Erste Hilfsteams beenden Einsatz in türkischer Erdbebenregion

Mehrere deutsche Hilfsorganisationen haben ihren Rettungseinsatz in der Türkei abgeschossen. Das Technische Hilfswerk (THW) teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur afp mit, dass sein 50-köpfiges Team sich auf den Heimflug nach Deutschland vorbereite. Weitere Einsätze des THW in der Türkei, bei denen es dann um "andere technische Fähigkeiten geht", seien nicht ausgeschlossen.

Erschöpfte Helfer im türkischen BebengebietBild: Murat Kocabas/ZUMA/IMAGO

Auch das gemeinsame Team von Isar Germany und der Rettungshunde-Organisation BRH wird am Montag nach Deutschland zurückkehren, wie die beiden NGOs mitteilten. Die Einsatzkräfte der Hilfsorganisation @fire kehrten bereits am Sonntag nach Deutschland zurück. Beide Organisationen kündigten an, ihr Engagement für die Menschen in der Erdbebenregion fortzusetzen.

Flughafen in Hatay wieder in Betrieb

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben ist der Flughafen in der südosttürkischen Provinz Hatay wieder in Betrieb. Die Flüge seien wieder aufgenommen worden, teilte die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines auf Twitter mit. Einwohner des Erdbebengebietes könnten Plätze in kostenlosen Evakuierungsflügen buchen. Der Flughafen in Hatay war bei dem Erdbeben stark beschädigt worden. So hatte sich etwa der Asphalt der Landebahn durch den Druck des Bebens zusammengeschoben und war aufgeplatzt.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte ein erstes Beben der Stärke 7,7 die Region erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Die Zahl der bestätigten Toten liegt inzwischen bei mehr als 37.500, davon in Syrien laut Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens 5900. Die betroffene Region im Norden Syriens ist nur schwer erreichbar. Für Hilfslieferungen ist bisher lediglich der Grenzübergang Bab al-Hawa geöffnet. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths rechnete am Sonntag sogar mit bis zu 50.000 Toten. Angesichts der massiven Schäden werden noch Tausende Opfer unter den Trümmern vermutet. 

qu/kle (dpa, rtr, afp, ap)

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