In Kolumbien kämpfen bewaffnete Milizen wieder - diesmal aber gegeneinander. Bei Auseinandersetzungen zwischen der marxistischen Guerilla ELN und der FARC-Guerilla sind mehr als 20 Menschen getötet worden.
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Die Schießereien ereigneten sich im Grenzgebiet zu Venezuela in der nordöstlichen Region Arauca, wie Vize-Verteidigungsminister Jairo García mitteilte. Unter den Toten seien auch vier Venezolaner, sagte Verteidigungsminister Diego Molano. Unklar blieb zunächst, ob bei den Gefechten auch Zivilisten getötet wurden.
Zahl der Toten steigt
Kolumbiens rechtsgerichteter Präsident Iván Duque bezeichnete die "durchlässige Grenze" mit Venezuela als Ursache der jüngsten Kämpfe. Dem linksgerichteten venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro warf Duque vor, illegalen bewaffneten Gruppen Freiraum und Schutz zu gewähren. Der Konflikt zwischen der ELN und den ehemaligen FARC-Guerilleros sei auf venezolanischem Gebiet ausgebrochen und habe sich nach Arauca ausgeweitet, sagte Molano.
Die Nationale Befreiungsarmee (ELN) verfügt über rund 2500 Kämpfer. Im Gegensatz zu den vormals deutlich größeren Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) hat die ELN dem bewaffneten Kampf nicht abgeschworen. Der jahrzehntelange Krieg zwischen der FARC und dem kolumbianischen Staat war Ende 2016 mit einem Friedensabkommen beendet worden. In der Folge wurden in dem südamerikanischen Land rund 7000 FARC-Kämpfer entwaffnet, die Miliz wandelte sich in eine politische Partei um.
Regierung brach Friedensgespräche ab
Ein Teil der FARC-Mitglieder verweigerte sich aber dem Abkommen und kämpft seither gegen andere Rebellen und rechtsgerichtete paramilitärische Gruppen um die Vorherrschaft im Drogenhandel und im illegalen Bergbau. Friedensgespräche mit der ELN brach die Regierung nach einem Bombenanschlag der Guerillaorganisation auf eine Polizeiakademie in Bogotá Anfang 2019 ab.
FARC: 52 Jahre Krieg, 5 Jahre Frieden
Vor fünf Jahren hat Kolumbien einen Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla geschlossen. Ein Fotoalbum von Guerilleros, die als linke Idealisten begannen und als Geiselnehmer, Schutzgelderpresser und Massenmörder endeten.
Bild: picture-alliance/dpa
Aus bewaffneten Bauern wird eine Armee
Mitte des 20. Jahrhunderts tobt in Kolumbien ein Kampf zwischen den politischen Lagern. In entlegenen Gebieten gründen linke Gruppen unabhängige Republiken, die nach und nach von Regierungstruppen eingenommen werden. Aus der "República de Marquetalia" entkommen zwei der Anführer: 1966 gründen Manuel Marulanda und Jacobo Arenas (l.) die Fuerzas Armadas Revolucionarias Colombianas - FARC.
Bild: ALATPRESS/AFP
Der Kampf als Lebenstil
Im unwegsamen Amazonas-Gebiet sind die ortskundigen Bauern der schwerfälligeren Armee taktisch überlegen. Bald lernen die FARC von anderen Guerilla-Gruppen in Lateinamerika und beginnen, auch Studenten und Slumbewohner aus den Städten zu rekrutieren, darunter wohl mehr als 18.000 Minderjährige. Auch Frauen schließen sich den Rebellen an. Kinder zu bekommen ist ihnen allerdings strikt verboten.
Bild: ALATPRESS/AFP
Söldner, Drogenhändler, Schutzgelderpresser
Um sich zu finanzieren, steigen die Marxisten ins Drogengeschäft ein: Sie verdingen sich als Söldner der Kokain-Kartelle und beteiligen sich später am Anbau. Obwohl die Armee mit Unterstützung der USA Anbauflächen und Drogenlabore (Bild) zerstört, klingelt die Kasse. Zeitweise kontrollieren die Rebellen ein Gebiet so groß wie die Schweiz. Dort erheben sie auch eine "Revolutionssteuer".
Bild: Guillermo Legaria/AFP
Geiselnahmen als Geschäftsmodell
Die Einnahmen der FARC werden zeitweise auf hunderte Millionen US-Dollar pro Jahr geschätzt. Auch weil ein weiteres Geschäftsmodell floriert: Fast 10.000 Entführungen von 1970 bis 2010 werden der FARC zugeschrieben. Prominentestes Opfer war 2002 die Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Erst nach sechs Jahren befreit das Militär Betancourt und 14 weitere Geiseln.
Bild: Remi Ochlik/MAXPPP/picture alliance/dpa
Das Ringen um den Frieden
Bereits in den 1980er-Jahren handeln die FARC einen ersten, brüchigen Waffenstillstand mit der kolumbianischen Regierung aus. Einige Mitglieder versuchen, in Parteien die Politik mitzugestalten. In den 1990er-Jahren stellen sie ein politisches Zehn-Punkte-Programm vor. 2001 trifft sich FARC-Chef Manuel Marulanda (r.) mit Präsident Andrés Pastrana (l.) zu erneuten Friedensgesprächen. Ohne Erfolg.
Einig werden sich FARC und kolumbianische Regierung wohl auch deshalb nicht, weil die Rebellen ihren Terror noch während der Verhandlungen ausweiten. Mit Sprengsätzen und Überfallkommandos greifen sie Militärposten und Polizeistationen an. Rücksicht auf zivile Opfer nehmen sie nicht - wie hier 2003 in Medellín, als eine Autobombe 30 Menschen verletzt und sechs tötet, darunter ein Kleinkind.
Bild: Vergara/AFP/picture alliance/dpa
Linker und rechter Terror
Wer im Mai 2002 in dieser Kirche 119 Zivilisten massakrierte ist bis heute unklar. Neben der FARC stehen rechte Paramilitärs im Verdacht. Die meisten der etwa 250.000 Todesopfer des anhaltenden Konflikts sind Zivilisten, die zwischen die Fronten gerieten oder als politische Gegner, mutmaßliche Kollaborateure oder Familienmitglieder von Gegnern ermordet wurden.
Bild: picture-alliance/dpa
Geschwächte Guerilla
Der 2002 gewählte Präsident Alvaro Uribe verstärkt den Kampf gegen die Rebellen. Am 1. März 2008 töten Soldaten den Vizechef der FARC, Raúl Reyes, kurz darauf verstirbt Marulanda. Auch sein Nachfolger wird 2011 bei einem Gefecht getötet. Bis zum Ende von Uribes Präsidentschaft 2008 sinkt die Truppenstärke der FARC auf etwa 8000 - von rund 20.000 während der 1990er-Jahre. Die meisten desertierten.
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Der umstrittene Friedensvertrag
So geschwächt nehmen die FARC mit dem neuen Präsidenten Juan Manuel Santos (l.) Friedensgespräche auf. Die Verhandlungen mit finden in Kuba statt. Am 26. September 2016 unterzeichnen Rebellenführer Timoleón Jiménez (M.) und Santos den Friedensvertrag. Dabei hatte sich eine knappe Mehrheit der Kolumbianer in einem nicht-bindenden Referendum dagegen ausgesprochen.
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Die Entwaffnung der Rebellen
Mit der Unterzeichnung stimmen die FARC ihrer Entwaffnung zu. Einige Hundert Rebellen weigern sich, die anderen rund 7000 stehen vor der Wiedereingliederung in ein ziviles Leben. Nur wer im Verdacht steht, selbst Menschenrechtsverletzungen verübt zu haben, soll vor ein Sondergericht gestellt werden. Anfang 2021 wurden erstmals auch Führungsmitglieder angeklagt, darunter Anführer Giménez.
Bild: Fernando Vergara/AP Photo/picture alliance
Versöhnung zwischen Guerillera und Opfern
Einige ehemalige FARC-Kämpfer setzen sich aktiv für die Versöhnung mit der kolumbianischen Bevölkerung und speziell ihren Opfern ein. Hier trifft sich der Ex-Rebell Rodrigo Granda mit der Schwester zweier Entführungsopfer, um sich für das begangene Unrecht zu entschuldigen. Auch ehemalige Geiseln engagieren sich in Wiedereingliederungsprojekten.
Bild: Fernando Vergara/AP Photo/picture-alliance
Noch lange nicht am Ziel
Die FARC ist nun eine politische Partei. Doch viele Mitglieder sehen den Friedensvertrag verletzt: Die Regierung setzte wesentliche Teile nicht um. Einige Rebellen sind zum bewaffneten Widerstand zurückgekehrt. Unter ihnen die beiden Chefunterhändler des Friedensvertrags Ivan Márquez und Jesús Santrich. Mitte 2019 teilten sie in einem Video mit, die "zweite Marquetalia" habe begonnen.