1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr als fünf Millionen Arbeitslose

Karl Zawadzky2. Februar 2005

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Januar auf 5,037 Millionen gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Karl Zawadzky analysiert den Negativrekord.

Der deutsche Arbeitsmarkt lahmtBild: dpa

Der Zusammenbruch des drittgrößten deutschen Baukonzerns Walter AG, der am Dienstag seine Insolvenz erklärte, war die ebenso unschöne wie passende Auftaktmusik für den ersten Monatsbericht vom Arbeitsmarkt dieses Jahres. Denn durch die Großpleite drohen weitere 20.000 Bauarbeiter ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Dennoch mahnt Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement: "Keine Panik!" Recht hat er. Denn zwar ist in der offiziellen Arbeitslosenstatistik erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik die Fünf-Millionen-Schwelle überschritten worden, tatsächlich aber hat sich wenig verändert.

Bei der Horrorzahl handelt es sich im Wesentlichen um einen statistischen Effekt. Denn durch die Zusammenlegung der Sozialhilfe mit der Arbeitslosenhilfe - beides sind im Gegensatz zum Arbeitslosengeld keine beitragsfinanzierten Versicherungsleistungen, sondern staatliche Sozialleistungen - tauchen nun erstmals die bisherigen Sozialhilfeempfänger in der Arbeitslosenstatistik auf. Dabei handelt es sich um mehr als 200.000 Personen. Der Wechsel in die offizielle Arbeitslosenstatistik hat für die Betroffenen einen großen Vorteil, denn nun müssen sich die Arbeitsämter auch um sie kümmern - etwa mit Vermittlungsangeboten und beruflicher Qualifizierung.

(Un-) Saubere Statistik

Für Minister Clement ist die Bereinigung der Statistik ein Beitrag dazu, die ungeschminkte Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Doch geschminkt ist die Statistik immer noch, nur jetzt etwas weniger. Einschließlich der öffentlich Beschäftigungsmaßnahmen, der Ich-AGs und der Frühverrentungen sind in Deutschland nicht fünf, sondern sechseinhalb Millionen Menschen arbeitslos. Kein anderes großes Industrieland setzt so hohe Finanzmittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ein. Und kein anderes Industrieland ist dabei so erfolglos wie Deutschland. Ganz offensichtlich haben sich der Staat und die Arbeitslosenversicherung über viele Jahre hinweg viel zu sehr darauf konzentriert, das ohne Zweifel harte Schicksal der Arbeitslosigkeit möglichst komfortabel finanziell abzufedern. Erst im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung unter dem Druck der leeren öffentlichen Kassen eine Kehrtwende vollzogen.

Jetzt geht es - und zwar mit Zuckerbrot und Peitsche - vorrangig um die Vermittlung in neue Jobs. Dabei müssen die Arbeitslosen auch einen im Einzelfall durchaus drastischen beruflichen Abstieg hinnehmen. Hauptsache Arbeit und Einkommen aus eigener Kraft, lautet nun die Devise. Dabei wird allerdings nicht nur Druck ausgeübt, sondern es steht auch ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, mit dem die Arbeitsplatzsuche unterstützt wird. Vor allem aber ist in den Arbeitsämtern die Verwaltung reduziert und die Vermittlung in neue Jobs ausgebaut worden.

Fatale Entscheidungen

Doch leider haben die Unternehmen aus den zurück liegenden Krisenjahren die betriebswirtschaftlich richtige, volkswirtschaftlich jedoch fatale Konsequenz gezogen, Neueinstellungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Dadurch haben wir einen doppelten Rekord: die höchste Arbeitslosigkeit und den höchsten Stand an Überstunden von denen, die Arbeit haben. Auch ist die Schwarzarbeit nach wie vor hoch, woran mancher Arbeitslose Anteil haben dürfte.

Trotz der Rekordarbeitslosigkeit ist Deutschland Exportweltmeister; die Ausfuhren haben im vergangenen Jahr um knapp zehn Prozent zugenommen. Wie passt das zusammen? Die Unternehmen haben sich verschlankt und Kosten reduziert, sie haben ihre Produkte und die Produktion modernisiert und sie haben die Wertschöpfung am Standort Deutschland reduziert; im Durchschnitt besteht der deutsche Export mittlerweile zu 40 Prozent aus importieren Zulieferungen aus Niedriglohnländern. Dadurch - und durch Zugeständnisse der Gewerkschaften bei den Löhnen und den Arbeitszeiten - sind die Unternehmen deutlich wettbewerbsfähiger geworden.

Kehrtwende

Wo es wirtschaftlich jetzt wieder aufwärts geht, erzielen die großen Firmen geradezu dramatische Gewinnzuwächse, während der Staat nur mit erheblichen Leistungskürzungen das Sozialsystem vor dem Zusammenbruch bewahren kann. Doch immerhin ist es jetzt nicht mehr Regierungspolitik, das Problem auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Gegen viele Widerstände hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die schon lange überfällige Kehrtwende eingeleitet. Wenn die eingeleiteten Maßnahmen greifen, wird die Arbeitslosenzahl sinken und die Beschäftigung zunehmen - wahrscheinlich schon vom Sommer dieses Jahres an.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen