Sonntag ist Wahltag
27. August 2009Wenn Landespolitiker Stadtwerke, Ferienlager und Betriebe besuchen, viele Hände schütteln und Weinköniginnen küssen, dann ist Wahlkampf angesagt. Wenige Tage vor den Landtagswahlen gewinnt die Diskussion über mögliche rot-rote Koalitionen an Fahrt. SPD-Chef Franz Müntefering bekräftigte, seine Thüringer Parteifreunde hätten für Bündnisse freie Hand. Auch der saarländische SPD-Chef Heiko Maas schloss eine Regierungsbildung mit der Linken erneut nicht aus, betonte aber, dafür gebe es keinen Automatismus.
Im Radiosender MDR Info äußerte Müntefering sich optimistisch über das Abschneiden der SPD bei den Landtagswahlen. Weder in Thüringen noch im Saarland oder in Sachsen, wo ebenfalls am Sonntag gewählt wird, werde es zwingend eine schwarz-gelbe Mehrheit geben. Der SPD-Vorsitzende zeigte sich zuversichtlich, "dass wir in Thüringen eine gute Chance haben, an der Spitze anzukommen".
Matschie darf selber entscheiden
Über künftige Regierungsbündnisse könne SPD-Landeschef Christoph Matschie selber entscheiden. Er, Müntefering, "würde sich da nicht dazwischen schmeißen". Auf alle Fälle wolle die SPD die Landesregierung maßgeblich mitbestimmen. Matschie hat jedoch ausgeschlossen, dass die SPD den Linken Spitzenkandidaten Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählt. Die CDU fällt in einer ARD-Vorwahlumfrage auf 34 Prozent (minus neun Prozentpunkte), gefolgt von der Linken mit 24 Prozent. Drittstärkste Partei ist die SPD, sie kommt auf 19 Prozent. Die FDP steht derzeit bei acht Prozent, die Grünen wären mit einem Ergebnis von sechs Prozent ebenfalls im Landtag vertreten.
Althaus muss über Unfall schweigen
Der thüringische CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus muss im Wahlkampf und auch darüber hinaus über seinen Skiunfall Anfang des Jahres schweigen. Er hatte vor einigen Tagen eine Stillschweigevereinbarung geschlossen. Bei dem Unfall im Januar war die 41-jährige Beata Christandl gestorben, Althaus wurde schwer verletzt. Der Politiker sah sich in den letzten Tagen Vorwürfen ausgesetzt, er benutze den Unfall im Wahlkampf für die Landtagswahlen am Sonntag.
Müllers Mehrheit in Gefahr
Nur noch ein paar Tage lang darf die CDU mit Ministerpräsident Peter Müller an der Spitze das Saarland alleine regieren. Denn dass die Union bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag ihre absolute Mehrheit verlieren wird, gilt als sicher. Nur noch 36 Prozent werden ihr von Infratest dimap prognostiziert. Ein Minus von 12 Prozentpunkten. Noch nicht einmal mehr mit Hilfe der FDP, die bei 9 Prozent liegen, wird es für Müller zum Weiterregieren reichen. Heiko Maas, Partei- und Landtagsfraktionschef der Saar-SPD, kommt mit seinen Genossen gar nur auf 26 Prozent. Zählt man die den Linken prophezeiten Stimmenanteile von 15 Prozent hinzu, kommt man auf 41 Prozent. Auch das langt für - nichts. Deshalb könnten die Grünen der Königsmacher sein: Grünen-Spitzenkandidat Hubert Ulrich ließ Sympathien für eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP in Saarbrücken erkennen.
Heimspiel für Lafontaine
In Saarbrücken ist er für viele noch immer "der Oskar", der 13 Jahre regiert hat. Aus Sicht der Saarländer hat er gut regiert. Er hat den Bürgern des kleinsten Flächenbundeslandes Selbstbewusstsein eingeimpft und war stets auf den vielen Volksfesten präsent. Und vor allem war er "der Oskar", weil er es in der Republik zu etwas gebracht hat: Oskar Lafontaine, Volkstribun, ehemaliger SPD-Bundesminister und jetziger Spitzenkandidat der Linken.
Viele politische Beobachter deuten die Beziehung von Maas und Lafontaine als Vater-Sohn-Verhältnis, weil Lafontaine den damals aufmüpfigen Juso Maas protegiert und 1996 zum Staatssekretär gemacht hat. Ob Maas tatsächlich das Saarland zusammen mit Lafontaine regieren wird? Es wäre das erste rot-rote Bündnis in einem westlichen Bundesland.
Die Zeiten unter Biedenkopf sind vorbei
In Sachsen will die CDU weiterhin die bestimmende Kraft sein. Die absolute Mehrheit der neunziger Jahre mit Kurt Biedenkopf an der Spitze leuchtet immer noch am sächsischen Himmel. Der 79-jährige Ex-Ministerpräsident ist wieder im Wahlkampf dabei, seit der Spitzenkandidat nicht mehr Georg Milbradt heißt. Der aktuelle CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, "der Sachse", wie er sich auf Plakaten selber nennt, ist außerhalb des Bundeslandes bisher kaum bekannt. Mit seiner Partei erreicht Tillich in der Sonntagsfrage der ARD 38 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Partei ist auch hier die Linkspartei mit 21 Prozent. Die SPD liegt bei 13 Prozent, die FDP erreicht 11,5 Prozent. Die Grünen kommen auf sechs Prozent. Die Union würde nach diesem Stand sowohl mit dem jetzigen Koalitionspartner SPD als auch mit der FDP die Parlamentsmehrheit erreichen. Die NPD bleibt in der ARD-Vorwahlumfrage auch in Sachsen unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde und wäre damit nicht im nächsten Landtag vertreten.
NPD auf absteigendem Ast?
Traditionell ist Sachsen eine Hochburg der NPD. Auch in diesem Wahlkampf spielte die Partei mit rechtsradikalen Ressentiments. So verteilte sie unter Jugendlichen nationalistische Comics. Anscheinend ohne Erfolg: Laut einer ARD-Studie gaben nur zwei Prozent der Sachsen an, bei der Landtagswahl sicher die NPD zu wählen.
Die drei Landtagswahlen werden in Berlin mit Argusaugen verfolgt. Sie gelten als Stimmungsbarometer für die Bundestagswahl am 27. September. Selbst die im bisherigen Wahlkampf sehr zurückhaltend agierende Kanzlerin Angela Merkel hat sich im Vorfeld der Wahlen zu Wort gemeldet und mahnt vor einem ersten Rot-Roten Bündnis in Westdeutschland. Lafontaine sei wie ein "anderer Saarländer" – damit meint sie Erich Honecker – Gegner der deutschen Einheit gewesen, sagte Merkel bei einer Wahlveranstaltung in Saarbrücken. Für die Kanzlerin ist klar: "So einer darf 20 Jahre nach dem Mauerfall nicht wieder etwas zu sagen haben." Die SPD hofft, aus den Landtagswahlen Rückenwind für den Bundestagswahlkampf zu bekommen.
Juncker warnt vor Linksbündnis
Der Wahlkampf im kleinen Saarland beschäftigt auch europäische Spitzenpolitiker. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker betonte die Verbundenheit zwischen seinem Land und dem Saarland. Aus Junckers Sicht hat Müller den Stillstand im Saarland beendet und damit auch den Luxemburgern geholfen. "Peter Müller hat das Saarland auf die Umlaufbahn der Modernität gebracht." Der Premier macht kein Hehl aus seinen Symphatien für Müller: "Nun muss bis zur letzten Minute Wahlkampf gemacht werden, damit es kein Linksbündnis gibt." (mbö/mas/dpa)