1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteIsrael

Mehr Druck für Geisel-Deal: Generalstreik in Israel

Veröffentlicht 2. September 2024Zuletzt aktualisiert 2. September 2024

In Israel wurde ein Generalstreik ausgerufen, um eine Vereinbarung mit der Hamas über die Freilassung der verbliebenen Geiseln zu erzwingen. Dann schaltet sich ein Gericht ein.

Wartende Passagiere vor einer Anzeigetafel am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv
Passagiere warten am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv während eines landesweiten Streiks Bild: Gil Cohen-Magen/AFP

Nach dem Fund von sechs toten Geiseln im Gazastreifen hat in Israel ein großer Generalstreik stattgefunden. Viele Städte und Gemeinden schlossen sich am Montagmorgen dem Protest an, andere verweigerten dies jedoch, weil sie eher der rechtsreligiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nahestehen. In vielen Städten blieben unter anderem Kindergärten, Banken und Behörden geschlossen. Zahlreiche Bus- und Straßenbahnen fielen aus oder fuhren nur eingeschränkt. Die Arbeiter im Handelshafen Haifa traten ebenfalls in den Streik. Krankenhäuser waren nur teilweise in Betrieb. Auch Arbeitgeberverbände unterstützten den Streik und erlaubten es ihren Mitarbeitern, sich ihm anzuschließen.

Auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv sollte am Morgen der Flugverkehr eingestellt werden, die Abflugtafeln zeigten einige verspätete Flüge an. Der Betreiber des Airports teilte mit, man versuche, den Betrieb weitgehend aufrechtzuerhalten. 

Israel zum Stillstand bringen

Der Gewerkschafts-Dachverband Histadrut hatte am Sonntag angekündigt, er wolle das Land einen Tag lang zum Stillstand bringen. Mitarbeiter von Verwaltung, Krankenhäusern und Verkehrsbetrieben im ganzen Land waren aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Geschäfte, Restaurants, Märkte und Schulen sollten geschlossen bleiben.

Die verschleppten Geiseln dürften nicht länger "im Stich gelassen" werden, erklärte Histadrut-Chef Arnon Bar David. Er sei "zu dem Schluss gekommen, dass nur unser Eingreifen die wachrütteln kann, die wachgerüttelt werden müssen", erklärte Bar David mit Blick auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dieser wird vorgeworfen, ein Abkommen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas über die Freilassung der Geiseln mit immer neuen Forderungen zu verhindern.

Eine Großdemonstration für einen Geisel-Deal am Sonntag in Tel AvivBild: JACK GUEZ/AFP

Auch das Forum der Geisel-Angehörigen hatte zum Generalstreik aufgerufen, Oppositionsführer Jair Lapid schloss sich den Forderungen an.

Arbeitsgericht stoppt Generalstreik

Am Montagmittag griff jedoch ein israelisches Arbeitsgericht ein und wies die Gewerkschaften an, den Generalstreik um 14.30 Uhr Ortszeit (13.30 Uhr MESZ) zu beenden. Die Richterin Hadas Jahalom habe eine entsprechende einstweilige Verfügung verhängt, berichteten israelische Medien übereinstimmend. Als Begründung habe sie erklärt, es handele sich um einen "politischen Streik". Der Gewerkschaftsverband rief umgehend dazu auf, den Ausstand zu beenden.

Am Sonntag hatte Finanzminister Bezalel Smotrich angekündigt, den Streik per einstweiliger Verfügung verhindern zu wollen. Smotrich lehnt ebenso wie der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir Zugeständnisse an die Hamas ab und drohte Ministerpräsident Netanjahu mehrfach mit dem Platzen der Regierung.

Massendemonstrationen für Geisel-Deal

Ebenfalls am Sonntag hatten Hunderttausende Menschen bei den größten Massenprotesten seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs vor fast elf Monaten ein sofortiges Abkommen mit der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas gefordert. Die EU, die USA, Deutschland und andere Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Mit Blick auf den jüngsten Fund von sechs toten Geiseln sagte der junge israelische Demonstrant Gal der Deutschen Welle: "Wir hätten sie retten können, und es ist einfach sehr traurig, dass unsere Regierung nichts unternimmt. Wir wissen, dass wir gegen die Hamas-Terroristen nichts ausrichten können. Aber ich denke, wir müssen den Krieg beenden. Wir müssen ein Abkommen mit ihnen schließen. Und ich denke, dass wir ihnen alles geben müssen, was sie wollen. Denn für die Einwohner Israels gilt: Wenn sie als Geiseln genommen werden, muss man sie als Regierung um jeden Preis retten."

Anti-Regierungs-Proteste in Tel AvivBild: Ariel Schalit/AP Photo/picture alliance

Die sechs getöteten Geiseln waren am Samstag in einem Tunnel bei Rafah im Süden des Gazastreifens gefunden worden. Nach Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums waren die vier Männer und zwei Frauen "ungefähr 48 bis 72 Stunden" vor der gerichtsmedizinischen Untersuchung "von Hamas-Terroristen mit mehreren aus nächster Nähe abgefeuerten Schüssen ermordet worden". Ein Sprecher der Hamas sagte dagegen, die Geiseln seien durch israelisches Bombardement ums Leben gekommen.

Seit Monaten hat sich der Druck auf Netanjahu stetig erhöht, für eine Rückkehr der Geiseln zu sorgen. Indirekte Verhandlungen über die Vermittler Katar und Ägypten sowie die USA in dem seit fast elf Monaten andauernden Krieg mit der Hamas kommen nicht voran. Netanjahu beharrt darauf, israelische Truppen im sogenannten Philadelphi-Korridor im Süden des Gazastreifens zu belassen, um so Waffenschmuggel aus Ägypten zu verhindern. Diese Truppenpräsenz gilt weithin als wichtigster Streitpunkt in den Verhandlungen mit der Hamas.

Knapp elf Monate nach dem Großangriff der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen auf Israel befinden sich nach israelischen Angaben noch immer 97 Geiseln in der Gewalt der Entführer. 33 von ihnen sind vermutlich tot.

kle/se/wa (afp, dpa, rtr, DW)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen