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Orientierungshilfen für Zuwanderer

Wolfgang Dick17. Juni 2013

Vor allem aus den Krisenländern Südeuropas kommen immer mehr Menschen nach Deutschland. Doch viele von ihnen haben Probleme, sich in der Bundesrepublik zurecht zu finden. Das soll sich ändern.

Mann mit Fernglas aus der Nähe © unpict #36537877 - Fotolia.com,
Mann mit FernglasBild: Fotolia/unpict

Mehr als eine Million Zuwanderer zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2012 für Deutschland. Der Zuzug von Spaniern, Griechen und Portugiesen verdoppelte sich. Fast die Hälfte der neuen Einwanderer hat inzwischen eine gute Ausbildung, einen Hochschul-, Meister- oder Technikerabschluss, stellte die Bertelsmann-Stiftung jüngst in einer Studie fest.

Alle Neuankömmlinge stehen vor denselben Fragen: Wo finden sich gute Jobangebote? Welche Berufsabschlüsse werden in Deutschland anerkannt? Wie komme ich mit dem Leben in der neuen Umgebung klar? Und: Werde ich bleiben können? Wenn diese Fragen nicht schnell und zufriedenstellend beantwortet werden, dürfte Deutschland viele Menschen verlieren, die helfen könnten, dem Einwohnerschwund, der Überalterung und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Das befürchten Sozialforscher und Politiker gleichermaßen.

Beim Verband "Mittelständische Wirtschaft" hört man: Probleme machen derzeit immer noch komplizierte Gesetze mit oft unerfüllbaren Bedingungen. Auch die vielen unterschiedlichen Zuständigkeiten für Genehmigungen durch Landes- und Bundesbehörden könnten kaum durchschaut werden.

Ernst Burgbacher, Staatssekretär im BundeswirtschaftsministeriumBild: picture-alliance/dpa

Ernst Burgbacher, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, gibt im Interview mit der Deutschen Welle zu, dass man zu lange eine Ablehnungs- statt einer Willkommens-Kultur pflegte: "Die Menschen in aller Welt müssen aber wissen, dass sie willkommen sind". Burgbacher verspricht, dass die Bundesregierung zum Beispiel vorgeschriebene Mindestverdienste für die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen weiter senken wolle. Die Opposition hält das für leere Versprechungen vor der Bundestagswahl im Herbst. Ernst Burgbacher kann allerdings darauf verweisen, dass die Regierung tatsächlich handelt und vieles schon verbessert hat: "Wir sind auf gutem Weg", so formuliert es Burgbacher.

Neue Gesetze

Mit dem 1. Juli 2013 wird eine neue Beschäftigungsverordnung gelten. Danach dürfen auch qualifizierte Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland arbeiten. Berufe, in denen Engpässe bei Bewerbern bestehen, sollen generell schneller ergriffen werden können.

Das Anerkennungsgesetz erleichtert bereits seit einem Jahr, dass ausländische Berufsabschlüsse auch in Deutschland anerkannt werden können. Potentielle Arbeitgeber wollen diese Berufsabschlüsse immer mit deutschen Qualifikationen vergleichen können. Dazu wurde der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) unterzeichnet. Ab dem Sommer können nun Ausbildungen anderer Länder besser zugeordnet werden. Bei den Bewertungen hilft zusätzlich das BQ-Portal.

Zuwanderer fühlen sich häufig verlorenBild: © iQoncept #39526513

  

Hilfreiche Internet Portale

Wichtig für Zuwanderungswillige sei, sich bereits im Vorfeld in ihrer Heimat informieren zu können, sagt Ernst Burgbacher vom Bundeswirtschaftsministerium. Mit der Internet-Plattform "Make-it-in Germany" habe man einen zentralen Informationspool geschaffen. 1,7 Millionen Menschen nutzten bisher das Angebot, das auch eine aktuelle Stellenbörse beinhaltet. Mehrsprachige Telefonberater helfen bei Fragen.

Auch das EURES-Netzwerk bietet über das Internet Expertenrat in vielen Sprachen zum Leben und Arbeiten in Deutschland. Zusätzlich gibt es so genannte "Welcome-Center".

Zentrale Ansprechpartner

In Deutschland soll für Zuwanderer das Hin- und Herlaufen zwischen Genehmigungsbehörden schrittweise vermindert und langfristig ganz vermieden werden. Auskünfte und wichtige Dokumente sollen zentral organisiert und ausgehändigt werden.

Beratung im Welcome- Center in HamburgBild: Pressestelle Hamburg

Dazu hat die Stadt Hamburg ein Welcome-Center eingerichtet. Birte Steller ist dort seit 2009 Leiterin und betrachtet mit ihrem Team die Zuwanderer als wertvolle Kunden. Sie sollen immer persönlich, individuell und freundlich bedient werden. "Teilweise werden wir ungläubig gefragt, ob das hier wirklich eine Behörde ist aufgrund unserer Zugewandtheit", erzählt Birte Steller stolz.

Das Welcome-Center gilt in der Bundesrepublik als so vorbildlich, dass auch andere Metropolen das Angebot übernehmen. In München wird in diesem Sommer ebenfalls ein Welcome-Center bei der Ausländerbehörde eröffnen.  

Städte entwickeln Eigeninitiativen

Lingen im Emsland und die bayrische Gemeinde Wunsiedel sind einen ganz anderen Weg gegangen. Die in den Orten verantwortlichen Politiker haben sich über Parteigrenzen hinweg mit ansässigen Unternehmern zusammengetan und suchen aktiv in Europa nach Zuwanderern. Sie sollen den Mangel an Fachkräften in den kleinen und mittleren Handwerksbetrieben lindern helfen.

Dieter Krone, Oberbürgermeister in LingenBild: DW/W. Dick

  

Dieter Krone, Oberbürgermeister der Stadt Lingen, hatte von der spanischen Stadt Salt die Profile von arbeitssuchenden, jungen Spaniern erhalten. Salt hat immerhin eine Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten von rund 50 Prozent. Mit vielen der von Salt vorgeschlagenen qualifizierten Kandidaten konnten die interessierten Unternehmer in Lingen aber nichts anfangen. Die empfohlenen Spanier hatten schlicht nicht die gesuchten Berufe erlernt. 

Nach diesem Lernprozess funktioniert die Suche nach qualifizierten Zuwanderern jetzt in anderer Richtung: "Die Firmen bei uns sollen jetzt konkret benennen, wen sie suchen. Dann fahren wir los und bitten unsere Kollegen in Spanien, uns Empfehlungen auszusprechen", sagt Oberbürgermeister Krone. Empfehlungen sollen das gegenseitige Vertrauen steigern. Denn einfach nur billige Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen oder gar Notsituationen in Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit auszunutzen, das könne nicht angehen. Dieter Krone ist sich sicher, dass sich alle Unternehmer in seiner Region auch an diese Fairness-Verpflichtung halten. "Wir sind eine kleinere Stadt. Da kennt man sich untereinander". Die bisherigen Vermittlungen liefen so gut, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll. Die interessantesten Jobs und gute Lebensverhältnisse böten ohnehin eher die ländlichen Regionen in Deutschland, meint der Oberbürgermeister.