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Mehr Fische im Netz trotz Meeresschutz

Johannes Beck12. September 2003

12,7 Prozent der weltweiten Landfläche stehen unter Naturschutz, doch weniger als ein Prozent der Ozeane. Vor allem Fischer sind gegen Meeresparks. Doch sie könnten sogar von ihnen profitieren, sagen neue Studien.

In der Ost- und Nordsee gibt es kaum noch KabeljauBild: AP

Vor zehn Jahren setze sich der letzte Weltkongress für Nationalparks und geschützte Gebiete im venezolanischen Caracas ein ambitioniertes Ziel: Insgesamt zehn Prozent der weltweiten Landfläche sollten unter Naturschutz gestellt werden. Das Ziel wurde übererfüllt: Heute sind 12,7 Prozent aller Flächen weltweit als Nationalparks oder in anderer Form der Natur vorbehalten. Daher blickt der diesjährige Weltkongress der Naturparks in Durban (8. bis 17. September 2003) in erster Linie auf die Ozeane: Denn nur auf 0,01 Prozent der weltweiten Meeresoberfläche ist der Fischfang verboten. Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms UNEP, sagt es deutlich: "Die Ozeane können nicht länger als ungeregelter Freiraum für alle angesehen werden."

Fischerboot in GrönlandBild: henriksen

Weltweit sind bereits etwa drei Viertel aller kommerziell nutzbaren Fischbestände überfischt oder schon zusammengebrochen, schätzt die Umweltorganisation WWF. Nach einer von der Zeitschrift "Nature" veröffentlichen Studie haben die internationalen Fangflotten sogar bereits 90 Prozent aller Großfische aus den Ozeanen gezogen.

Fischer fürchten um Fanggründe

Während Industrietrawler die Ozeane leerfischen und Grundschleppnetze großflächig Korallen und Pflanzen am Meeresboden zerstören, versuchen Umweltschützer, die verbliebenen Naturparadiese mit Hilfe von Schutzgebieten zu retten. Oft aber gegen den Widerstand der Fischer, die um ihre Fanggründe fürchten.

"In vielen Studien hat sich aber herausgestellt, dass gerade diese Schutzgebiete dafür gesorgt haben, dass die Fischbestände wieder größer geworden sind, weil in diesen Gebieten nicht gefischt wird", sagt Heike Vesper, Fischereiexpertin des WWF. "Das sind dann Rückzugsräume, in denen besonders viele Nachkommen überleben können, und die aus diesem Gebiet auch in die Bereiche abwandern, wo dann wieder gefischt werden kann. So haben auch die Fischer einen Vorteil davon."

Eine Studie der Universität York im Auftrag des WWF hat 16 bereits existierende Meeresparks von Südafrika über die USA bis zu den Fidschi-Inseln unter die Lupe genommen. Dabei kamen die Forscher zum Schluss, dass die lokalen Fischer in den Gebieten um die Schutzzonen häufig mehr Fische, Hummer und Muscheln ins Netz gingen als zuvor – und dies, obwohl ihre Fanggebiete beschnitten wurden.

Fischfang-Rückversicherung

Gorgonie in einem Korallenriff auf den PhilippinenBild: AP

Ob Korallenriffe in warmen Meeren, Mangrovenwälder in tropischen Gewässern oder Seegraswiesen in gemäßigten Breiten – fast immer haben sich die Fischbestände bereits zwei bis drei Jahre nach dem Beginn des Schutzes erholt. Es verdoppelt sich nicht nur die Zahl der Tiere, sie werden auch drei Mal so groß. Dazu steigt die Artenvielfalt um ein Drittel. Außerdem sind die Fische durchschnittlich älter und können so mehr Nachkommen zeugen als die überfischten Bestände, erklärt Vesper vom WWF: "Diese Meeresschutzgebiete sind quasi eine Rückversicherung für den Menschen, für Fehler die einem beim Fischerei-Management unterlaufen."

Ihr WWF-Kollege Stephan Lutter warnt: "Nur wenn wir heute die Kinderstube der Fische schützen und den bis an die Grenzen des Erträglichen strapazierten Beständen Zeit geben, sich zu erholen, wird auch die nächste Generation noch Seefisch essen können."

Nutzen für den Tourismus

Denn nicht nur die Fischbestände erholen sich in marinen Schutzzonen. Hier können sich auch Korallenriffe aufbauen, ohne von Schleppnetzen zerstört zu werden. Dazu dienen diese Gebiete Säugetieren wie Grindwalen als Rückzugszone. Eine intakte Meeresumwelt bringt dabei auch Chancen für den Tourismus, sagt Vesper: "Wir haben eine immer größer werdende Konkurrenz um den Lebensraum Meer, weil Menschen immer mehr Nutzung haben wollen." Der Schiffsverkehr nehme zu, Windkraftanlagen sollten im Meer gebaut werden, zusätzlich werde dort Öl gefördert. Dagegen seien unverbaute Bereiche von großem Nutzen für den Tourismus.

Saumriffe von Fidschi im SüdpazifikBild: AP

Sporttaucher wissen die Meeresnaturparks seit langem zu schätzen. Egal ob im Roten Meer, um die portugiesische Insel Madeira im Atlantik oder auf den ecuadorianischen Galápagos-Inseln im Pazifischen Ozean: In geschützten Gebieten sieht man als Taucher mehr, größere und vielfältigere Fische als in ungeschützten Meereszonen.

Netzwerke statt vereinzelter Schutz

Wenn man zehn bis 35 Prozent eines Meeresgebiets unter Schutz stellt und sie vom Fischfang freihält, dann kann sich die Natur besonders gut erholen, wovon auch die Fischer in den verbleibenden Gebieten profitieren. Soweit das Ergebnis der WWF-Studie. Doch mit nationalen Strategien allein werde es schwer sein, die Meere nachhaltig zu bewahren, sagt Vesper: "Die heutigen einzelnen und verteilten Meeresschutzgebiete, die wirklich sehr klein sind im Vergleich zu den Flächen, die wir als Menschen nutzen, bringen uns nicht sehr weit. Was wir brauchen, ist auf jeden Fall ein Netzwerk von möglichst zusammenhängenden Meeresschutzgebieten."

Auch Töpfer zieht einen klaren Schluss aus den bisherigen Erfahrungen: "Es kann nicht länger um die Frage gehen, ob wir Meeresschutzgebiete brauchen, sondern wie viele und wie groß."

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