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Mehr Grün hilft dem Klima in Städten nicht immer

Bob Berwyn kp
14. Juni 2017

Der Klimawandel beschert uns Hitzewellen mit Rekordtemperaturen, da scheint der Wunsch vieler Städter nach mehr Grün naheliegend. Doch ungeplante Pflanzaktionen können negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Kastanienbaum-Blätter
Bild: DW/B. Berwyn

Wenn die Sonne im Hochsommer den Asphalt zum Glühen bringt, bevölkern die Stadtmenschen scharenweise die Parks. Das Phänomen ähnelt den Wanderungen unserer Vorfahren von Wasserstelle zu Wasserstelle.

Instinktiv wissen wir, dass grüne Baumkronen einen kühlenden Effekt haben - unter ihnen lässt es sich besser aushalten als in den Betonwüsten der Stadt. Im Zuge des Klimawandels werden Bäume in der Stadt wichtiger denn je.

Die Städte heizen sich viel schneller auf als die umliegenden Orte auf dem Land. Das liegt an dem wärmespeichernden Effekt von Asphalt und Beton. Vermehrt entstehen in den Städten Hitzeinseln, die selbst nachts nicht mehr abkühlen können. Bis zum Jahr 2050 könnte der Hitze-Index, ein Indikator für die gesundheitliche Belastung durch hohe Temperaturen, in europäischen Städten doppelt so hoch liegen wie in angrenzenden ländlichen Gegenden.

Eine kürzlich erschienene Studie weist darauf hin, dass einige Metropolen im Jahr 2100 bis zu acht Grad Celsius wärmer sein könnten. Erfüllt sich diese Prognose, dann hat das schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Menschen, die in diesen Städten leben werden.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass unsere Städte grüner werden müssen, um den negativen Auswirkungen des Klimawandels etwas entgegenzusetzen.

Doch Pflanzaktionen könnten auch Nachteile mit sich bringen. Wenn beispielsweise Bäume Frischluftschneisen verstellen, dann heizen sich die Städte noch mehr auf. Und die Ausdünstungen bestimmter Pflanzen können sogar gesundheitsschädlich für uns Menschen sein. Um die Städte sinnvoll an die Folgen des Klimawandels anzupassen und negative Effekte zu verhindern, muss die Begrünung mit Expertise und Fachwissen durchgeführt werden.

Dicke Luft

Viele Baumarten geben das Molekül Isopren in die Atmosphäre ab. Der gasförmige Kohlenwasserstoff reagiert mit Abgasen aus dem Straßenverkehr. So entsteht nicht nur Smog. Wissenschaflter konnten auch nachweisen, dass während des besonders heißen Sommers 2006 die Bäume im Berliner Stadtraum für 60 Prozent der Ozonbelastung verantwortlich waren.

Kastanienbäume, wie hier in München, spenden mit ihren Blättern Schatten - und geben Isopren in die Atmosphäre abBild: DW/B. Berwyn

Das Gas Ozon ist an heißen Tagen eine der größten Gesundheitsrisiken in Städten. Vor allem kleine Kinder und alte Menschen sind betroffen, sagt Galina Churkina, Wissenschaftlerin am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam.

Zusammen mit anderen Studien über die Auswirkungen des Klimawandels auf Städte weisen diese Erkenntnisse darauf hin, dass grünere Städte nur dann den gewünschten positiven Effekt haben, wenn die Emissionen in den Bereichen Verkehr und Industrie gesenkt werden, so Churkina.

"Städte grüner zu gestalten ist keine einfache Maßnahme. Wenn man bei der Auswahl der Pflanzen nicht aufpasst, kann man unerwünschte Auswirkungen hervorrufen."

Platanen gehören zu den den ältesten und eindrucksvollsten Bäumen in Berlin. Ebenso wie Pappeln emittieren sie sehr viel Isopren. Birken und Linden hingegen geben weniger Isopren ab.

Ganzheitliches Denken

Die Stadtplaner sollten Baumarten mit Bedacht wählen und einen ganzheitlichen Ansatz bei der Anpassung der Städte an den Klimawandel wählen, so Churkina.

Begrünte Dächer wie hier in Wien können helfen, Temperaturen zu senkenBild: Bob Berwyn

Das heißt auch, dass die Kommunen und Städte mehr auf Zusammenarbeit setzen müssen, so Seb Maire, der die Anpassungsstrategien der Stadt Paris koordiniert.

Während eines Fachvortrags auf einem Treffen der European Geosciences Union (EGU) in Wien sagte Maire, dass er Ingenieure, Sozialwissenschaftler, Verkehrsexperten und Klimawissenschaftler an einen Tisch bringen will, um gemeinsam einen Blick auf langfristige Entwicklungen in den Städten zu werfen.

Er glaubt, dass Städte momentan noch die Chance haben, sinnvolle Verbesserungen mit lang anhaltenden Vorteilen für ihre Bewohner zu erreichen. Denn 80 Prozent der Infrastruktur, die in den nächsten 50 bis 60 Jahren benötigt wird, muss erst noch geplant und gebaut werden.

Wie viele Städte setzt auch Paris auf mehr Grünflächen, um sich für die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu rüsten. "Wir geben Millionensummen für Anpassungsmaßnahmen aus, zum Beispiel um mehr Wasser in die Stadt zu bringen. Wir reißen Straßen wieder auf und ermutigen die Menschen, Gemüse auf ihren Balkonen anzubauen", so Maire.

Dachgärten verschaffen Abkühlung, können aber auch Brutstätten für Mücken seinBild: DW/B. Berwyn

Pflanzen ja,  Schädlinge nein

Doch mit den prognostizierten wärmeren Zeiten kommen auch vermehrt von Insekten übertragene Krankheiten auf die Städte zu, wie etwa Dengue-Fieber oder Malaria.

"Wenn wir in zehn Jahren Moskitos in unseren Städten haben, die tödliche Krankheiten übertragen, dann wird die Hitze unser geringstes Problem sein", sagt Maire.

Die Stadt Paris ermutigt ihre Bürgerinnen und Bürger dazu, auf dem Balkon zu gärtnern. Aber Maire sagt, es müsste mehr Aufklärung darüber geben, wie das Brüten von Mücken verhindert werden kann - so sollte beispielsweise in Pflanzentöpfen kein Wasser stehen, in denen die Larven der Insekten gedeihen.

Die richtige Anordnung des neuen Stadtgrüns gehört ebenfalls zu den Schlüsselthemen. In engen Straßen beispielsweise haben Bäume einen eher negativen Einfluss auf die Luftqualität, denn sie blockieren Windschneisen, die wichtig sind, damit sich die Luft abkühlen kann und giftige Abgase abziehen können.

Bäume an vielbefahrenen Straßen können Hitze und Smog begünstigenBild: Bob Berwyn

Effektiver sind in so einer Umgebung laut Prashant Kumarlange niedrige Hecken oder sogenannte "Living Walls" - das sind mit Moos bewachsene Wände, die Autoabgase aus der Luft filtern können. Der Experte für Luftqualität an der Universität von Surrey hat das Zusammenspiel von Verkehr, Windschneisen und Pflanzenwuchs entlang von vier viel befahrenen Pendlerstrecken in London untersucht.

Für mehr Widerstandsfähigkeit

Zusammen mit neuen Klimamodellen für Städte können ortsspezifische Daten genau aufzeigen, an welchen Ecken es in welcher Stadt zukünftig kritisch werden könnte.

In Wien haben Klimawissenschaftler gezeigt, dass eine Begrünung aller dafür geeigneten Dächer für eine kühlere Stadt sorgen würde. Mehr Dachgärten oder zumindest ein Anstrich der Dächer, so dass sie das Sonnenlicht stärker als bisher reflektieren - das könnte die Zahl der Tage, an denen das Thermometer über 30 Grad klettert, um 29 Prozent verringern.

Im Jahr 2014 hat die Stadt Wien die 30-Grad-Marke an 42 Tagen geknackt, mit dem Ergebnis, dass die medizinische Notfallnummer der Stadt 20 Prozent stärker ausgelastet war.

Klimawissenschaftlerin Maja Zuvela-Aloise setzt auf gut durchdachte StadtplanungBild: Bob Berwyn

Die Forschung zeigt auch, dass eine gute Anbindung der Städte an das grüne Umland wichtig ist. In der österreichischen Hauptstadt beispielsweise bringt eine Windschneise kühle Luft vom nahen Mittelgebirge Wienerwald ins Zentrum. Würde diese Schneise im Zuge der Entwicklung von Neubaugebieten verbaut, so würde sich der prognostizierte Hitzeeffekt in der Stadt verstärken.

"Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten zur Anpassung der Städte an den Klimawandel", sagt Maja Zuvela-Aloise, die für die staatliche Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Österreich arbeitet.

Sie ist sich sicher, dass wir selbst angesichts des weltweiten Klimawandels die hohe Lebensqualität in unseren Städten beibehalten und sogar verbessern können, wenn wir heute die richtigen Maßnahmen ergreifen.