Kinderschutzgesetz geplant
14. Dezember 2010Schon bevor das Neugeborene zum ersten Mal schreit, soll in Zukunft der Kinderschutz beginnen. Bereits während der Schwangerschaft sollen demnach vor allem Eltern so genannter Problemfamilien gezielt auf staatlich finanzierte Beratungsangebote zurückgreifen können. Das sagte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) bei der Vorstellung ihres neuen Entwurfs für ein Kinderschutzgesetz am Dienstag (14.12.2010) in Berlin.
Ärzte sollen Schweigepflicht brechen dürfen
"In der Regel merkt man bereits in der Schwangerschaft, ob eine Mutter oder ein Vater unter Umständen überfordert sein könnte", begründete Schröder diese Neujustierung des Kinderschutzgedankens. Die Überforderung von Eltern frühzeitig zu erkennen, sei wichtig, denn gerade diese führe schnell zu einer akuten Gefährdung der Kinder, die nicht selten mit körperlicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch ende. Nach Angaben des Familienministeriums wurden 2009 mehr als 3200 Kinder aus Familien unter staatliche Obhut genommen.
Kinderärzten soll deshalb das Recht eingeräumt werden, dass sie bei akutem Verdacht auf Misshandlung eines Kindes ihre Schweigepflicht brechen können, um Behörden zu alarmieren. Die in Deutschland für Kinderschutz zuständigen Jugendämter müssen dem Entwurf zufolge Problemfamilien Zuhause besuchen, um Gefährdungen für Kinder auszuschließen. Nur in begründeten Einzelfällen kann dies unterbleiben.
Helfende Hebammen
Als Bindeglied zwischen den verschiedenen Akteuren des staatlichen und privaten Kinderschutzes und den Eltern soll vor allem eine Berufsgruppe gestärkt werden, sagte Schröder: "Der Einsatz von Familien-Hebammen ist der Dreh- und Angelpunkt von frühen Hilfen. Denn Familien-Hebammen kümmern sich eben nicht nur um die medizinischen Aspekte, sondern auch um die Eltern-Kind-Beziehung."
Familien-Hebammen als Ansprechpartner für Familien
Hilfsangebote gebe es in Deutschland viele, doch meist wären Betroffene mit der Auswahl überfordert, sagt die Ministerin. Gerade die bei den Eltern hoch angesehenen Familien-Hebammen seien da die geeigneten Lotsinnen durch das Beratungsdickicht. Das neue Bundesgesetz sieht vor, die Arbeit der Geburtshelferinnen mit psychologischer Zusatzschulung mit rund 30 Millionen Euro pro Jahr zu finanzieren. Rund 1000 solcher Lotsinnen gebe es schon in Deutschland. Die Ministerin erwartet, dass rund zehn Prozent aller Neugeborenen in Familien groß werden, die Hilfe benötigten. Das wären rund 60.000 Familien. Und jede dieser Familien soll mindestens ein Jahr lang von einer Familien-Hebamme unterstützt werden.
Strengere Nachweise in der Kinder- und Jugendarbeit
Zudem will das neue Kinderschutzgesetz verbindliche Standards für die Kinder- und Jugendarbeit schaffen, die von allen, die mit Kindern Umgang haben, einzuhalten sind. "Um der Sache Nachdruck zu verleihen will ich auch dafür sorgen, dass Länder und Kommunen Zahlungen und Zuschüsse an einzelne Einrichtungen daran knüpfen, dass solche Standards vorliegen und eingehalten werden", sagte die Ministerin. Zu diesen Standards gehöre eine Gefahrenanalyse in jeder Institution, ebenso wie die Benennung interner und externer Ansprechpartner für Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch. Wer hauptamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe arbeitet, muss in Zukunft noch umfassender nachweisen, dass er keine Vorstrafen hat. Zusätzlich soll eine vom Bund finanzierte Fortbildungsinitiative das Bewusstsein unter Pädagogen und Sozialarbeitern für den Umgang mit solchen Fällen schulen. Zentrale Forderungen, die bereits von einem Runden Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch aufgestellt wurden, jetzt aber ins Gesetz sollen.
Das erste Kinderschutzgesetz scheiterte
Ein Gesetz, das es schwer hatte: Denn bereits die Vorgängerregierung der christlich-konservativen Parteien CDU und CSU sowie der Sozialdemokraten hatte ein Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht. Damals konnte sich die Große Koalition nicht darauf einigen, ob Hausbesuche bei Problemfamilien verpflichtend sein sollten. Kurz danach folgten Neuwahlen. Doch auch der neue Entwurf erntete bereits Kritik – selbst vom eigenen liberalen Koalitionspartner. FDP-Familienpolitikerin Miriam Gruß kritisierte, dass die Finanzierung des Pakets noch unklar sei. Die Familienpolitikerin Diana Golze von der Partei Die Linke beklagte, es würden mit diesem Gesetzentwurf nur Symptome bekämpft, nicht aber die Ursachen.
Läuft für Familienministerin Schröder alles planmäßig, soll das Gesetz am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Ob es eine einfache Geburt wird, werden bereits die ersten Beratungen Anfang 2011 zeigen.
Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Klaudia Prevezanos