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GesellschaftDeutschland

Mehr Sicherheitskontrollen in Berliner Bädern

Helen Whittle
19. Juli 2023

Nach Schlägereien in den Freibädern der Hauptstadt sind die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. Doch was bringen Ausweiskontrollen und Bodycams? Und wie kann das Schwimmbadpersonal vor Angriffen geschützt werden?

Ein junger Mann springt von Fünf-Meter-Turm
Freibäder in Berlin sind vor allem bei den hohen Temperaturen sehr beliebt, doch es kommt immer wieder zu Schlägereien Bild: Julian Weber/dpa/picture alliance

Kaum eine Woche nachdem Berliner Schulen sich in die Sommerferien verabschiedet haben, sind die Freibäder der Hauptstadt zum Politikum geworden. Nach Schlägereien mit Dutzenden von Jugendlichen in unterschiedlichen Freibädern wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt: So müssen Besucher beim Eintritt nun einen Lichtbildausweis vorzeigen und ihre Taschen von neu eingestellten Sicherheitskräften kontrollieren lassen.

Die Maßnahmen - einschließlich den Einsatz mobiler Polizeieinheiten - hatte der neu gewählte Berliner Bürgermeister Kai Wegner in die Wege geleitet. "Wir wollen keine rechtsfreien Räume", sagte der CDU-Politiker. 

Allerdings bezweifeln Besucher des Berliner Prinzenbads die Notwendigkeit der neuen Sicherheitsvorkehrungen. "Ich weiß nicht, ob das überhaupt etwas bringt", sagt ein Mann mittleren Alters mit zwei Kleinkindern der DW. "Ich hatte noch nie Probleme in einem Schwimmbad. Manchmal wird es ein bisschen unruhig unter den Jugendlichen, aber das ist normal". Ähnlich äußern sich zwei junge Männer Anfang zwanzig: "Ich wüsste nicht, was sich daran ändern sollte - wir haben uns im Schwimmbad noch nie unsicher gefühlt".

Das Columbiabad in Neukölln musste geschlossen bleiben, weil sich zu viele Mitarbeiter krank meldetenBild: Vladimir Menck/SULUPRESS.DE/picture alliance

Zudem kommen auch aus der Verwaltung der Hauptstadt Vorbehalte gegen die Sicherheitsmaßnahmen. Die unabhängige Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp will "sowohl die Ausweispflicht als auch die geplante Videoüberwachung an den Eingängen von Columbia- und Prinzenbad datenschutzrechtlich prüfen". Die Wahl der Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit der Badegäste müsse "gesetzlich zulässig und verhältnismäßig sein", betonte Kamp, die auf das "Grundrecht der Badegäste auf ihre informationelle Selbstbestimmung" verwies.

Angriffe auch auf Freibadpersonal

Nach einer Schlägerei Anfang Juli hatte die Polizei das Columbiabad im südlichen Bezirk Neukölln für einige Tage geschlossen, weil sich zu viele Mitarbeiter krank meldeten. In einem Schreiben an die Geschäftsführung der Berliner Bäderbetriebe beklagen diese, dass es regelmäßig zu verbalen und körperlichen Angriffen auf das Personal komme, darunter Spucken und Fluchen. Bei einem "unerträglichen Ausmaß der Vorfälle" würden Mitarbeiter, Frauen und Minderheiten - insbesondere transsexuelle und queere Menschen - zunehmend bedroht.

Nach einer Statistik der Berliner Polizei wurden im vergangenen Jahr 57 Gewaltdelikte in Freibädern angezeigt. In den vergangenen fünf Jahren wurden fast 1.300 Menschen vom Besuch der Freibäder ausgeschlossen.

Forderung nach Schnelljustiz

Angesichts der jüngsten Vorfälle forderte der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine Verurteilung der Täter noch am gleichen Tag. "Wer mittags in einem Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und verurteilt werden. Auch am Wochenende", sagte Linnemann.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert eine schnelle StrafverfolgungBild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance

Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede, kritisierte den Vorschlag indes als "reinen Populismus", der "die Prinzipien des Rechtsstaates und die Realität der Justiz nicht anerkennt". Auch der Deutsche Richterbund ging auf Distanz zu den Äußerungen Linnemanns. "Es ist wenig überzeugend, wenn Politiker am Sonntag mit entschlossener Pose einen starken Rechtsstaat fordern, aber von Montag bis Samstag wenig dafür tun", sagte DRB-Sprecher Sven Rebehn.

Berlins Bürgermeister Kai Wegner hatte in diesem Jahr bereits erfolglos versucht, ein Schnellverfahren gegen die sogenannten Klima-Kleber der Letzten Generation zu ermöglichen - ein Richter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, man brauche mehr Zeit, um die Details des Falles zu prüfen.

Eine Frage der Abschreckung?

Ein Schnellverfahren für Beschuldigte von Gewalttaten in Freibädern ist nach Ansicht von Volker Boehme-Nessler, Professor für Öffentliches Recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, nicht so einfach zu realisieren. "Wir haben einen Rechtsstaat, und typisch für einen Rechtsstaat ist, dass ein Gericht einen Fall sehr genau prüfen muss, bevor es ein Urteil fällt", erklärt Boehme-Nessler der DW. "Die Justiz nimmt sich aus gutem Grund Zeit, um die Fälle gründlich zu prüfen. Es ist besser, einen Zeugen zu viel zu hören als einen zu wenig."

Die Berliner Polizei hat ihre Präsenz vor mehreren Schwimmbädern verstärktBild: Paul Zinken/dpa/picture alliance

Schnellverfahren werden nach deutschem Recht nur unter bestimmen Umständen zugelassen: wenn der Sachverhalt sowie die Beweislage absolut eindeutig sind und die mögliche Strafe weniger als ein Jahr Gefängnis beträgt. "Wenn aber 20 Jugendliche im Schwimmbad aufeinander losgehen und sich prügeln, dann wird es kompliziert, dann kann es kein Schnellverfahren geben", so Boehme-Nessler.

Besser in Konfliktmanagement-Training investieren

Gelegentliche Rangeleien seien in Freibädern zu erwarten, wo es eine hohe Dichte an Jugendlichen gebe, die sich auf engem Raum cool verhalten wollten, sagt Thomas Bliesener, Experte für Jugendkriminalität am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. "Wir wissen, dass die Androhung von Strafe kaum Auswirkungen auf potenzielle Straftäter hat", so Bliesener gegenüber der DW.

Berliner Olympiabad öffnet

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"Es gibt eine besondere Dynamik bei diesen Verbrechen, und wenn eine Strafverfolgung scheitert, könnte es einen Bumerang-Effekt geben, wenn niemand zur Verantwortung gezogen wird. Es könnte jemanden ermutigen, mehr Verbrechen zu begehen." 

Bliesener weist darauf hin, dass es effektiver wäre, in Konfliktmanagement-Schulungen für das Schwimmbadpersonal zu investieren. "Die Fähigkeit, Zutrittsverbote durchzusetzen und Leute auszusperren, wenn klar ist, wer was getan hat, würde auch die Autorität des Personals stärken", sagt er.

Freibad-Gewalt nicht nur in Deutschland

Gewaltausbrüche in Freibädern sind kein Einzelfall in Deutschland. Ähnliche Vorfälle wurden kürzlich aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden gemeldet. Die Behörden reagierten ähnlich wie in Berlin: In der niederländischen Stadt Terneuzen nahe der belgischen Grenze führten die Behörden obligatorische Ausweiskontrollen ein, verwehrten Badegästen von außerhalb der Region den Zutritt und statteten das Personal mit Körperkameras aus.

In einem 250 Kilometer von Paris entfernten Schwimmbad erhöhten die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen und erlaubten Kindern und Jugendlichen vorübergehend den Zutritt nur in Begleitung eines Erwachsenen, nachdem es dort zu einer Schlägerei mit 40 bis 50 Jugendlichen gekommen war.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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