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Schuldenerlass light?

Richard A. Fuchs18. August 2015

Der Bundestag ringt um die Zustimmung zum dritten Hellas-Rettungspaket. Während die Regierung auf die Umsetzung der vereinbarten Reformen besteht, spricht die Linke von ökonomischer Erpressung.

Augen zu und durch? Bundeskanzlerin Merkel will ein Ja vom Bundestag zu mehr Griechenland-Geld.
Augen zu und durch? Bundeskanzlerin Merkel will ein Ja vom Bundestag zu mehr Griechenland-Geld.Bild: picture-alliance/dpa/Daniel Naupold

Kurz bevor der Deutsche Bundestag dem dritten Rettungspaket für Griechenland zustimmen soll, geht die Bundesregierung auf Abweichler in den eigenen Reihen zu. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommerinterview im ZDF von Erleichterungen für Griechenland bei der Rückzahlung der neuen Hilfskredite gesprochen hatte, zeigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin demonstrative Härte: Ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zwischenzeitlich ins Spiel gebrachter Schuldenerlass für Griechenland sei vom Tisch. "Aus deutscher Sicht ist es ein Erfolg, dass von einem nominellen Schuldenschnitt jetzt nicht mehr die Rede ist", so Seibert.

Viele Beobachter werten das als deutlichen Hinweis auf die roten Linien der eigenen Rettungspolitik vor der entscheidenden Bundestagsabstimmung. Vor allem Kritiker in den eigenen Reihen wolle die Regierung so davon überzeugen, die höchst umstrittene Rettungspolitik weiter mitzutragen.

Bundestag entscheidet am Mittwoch über Griechenland-Hilfen

In einer Sondersitzung stimmt das Parlament am Mittwoch über die neuen Griechenland-Hilfen ab. Gemäß der Vereinbarung mit den internationalen Geldgebern soll Griechenland bis zu 86 Milliarden Euro neuer Kredite erhalten. Die griechische Regierung verpflichtet sich im Gegenzug zu drastischen Spar- und Reformmaßnahmen - etwa Steuererhöhungen und Änderungen bei den Renten.

Als der Bundestag zu entscheiden hatte, ob mit Griechenland überhaupt Verhandlungen über neue Hilfen aufgenommen werden sollen, hatten 60 Unionabgeordnete - ein Fünftel der Fraktion - mit Nein gestimmt oder sich enthalten. Skeptiker sagen voraus, dass es bei der nun anstehenden Abstimmung noch deutlich mehr Nein-Stimmen aus der Partei der Kanzlerin geben könnte.

Einer, der sich öffentlich als Abweichler geoutet hat, ist CDU-Mittelstandspolitiker Christian von Stetten. Aus Empörung über den Griechenland-Kurs seiner Fraktion hat er jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht. "Ein solcher Untersuchungsausschuss müsste dann nachprüfen, ob die Hilfsmaßnahmen überhaupt mit den europäischen Verträgen vereinbar waren", sagte von Stetten im Inforadio des RBB.

Bundesregierung will IWF-Beteiligung

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums (BMF) betonte derweil, dass eine Beteiligung des IWF bei der Stabilisierung Griechenlands "unabdingbar" sei. Die Entscheidung darüber werde der Fonds jedoch erst im Oktober treffen, wenn die Umsetzung des geplanten dritten Griechenland-Hilfspakets erstmals überprüft worden sein, erläuterte der BMF-Sprecher: "Man muss jetzt erst einmal sehen, was Griechenland liefert".

Die Kanzlerin zeigte sich in ihrem Sommerinterview im ZDF überzeugt, dass der IWF beim dritten Hilfspaket mitmachen werde. Zudem ließ Merkel ihren Sprecher Seibert noch einmal betonen, dass es - auch ohne Schuldenschnitt - Spielraum für Schuldenerleichterungen gebe. So könnten Rückzahlungsfristen für Griechenland verlängert und Zinsen gesenkt werden, bekräftigte Seibert.

Regierungspartner SPD stichelt gegen Kanzlerin

SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sieht im bevorstehenden Votum des Bundestags zu den neuen Griechenland-Hilfen auch eine Entscheidung über die Zukunft von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das zur Abstimmung stehende Paket hätten alle Staats- und Regierungschefs der Eurozone verhandelt, sagte Schneider im RBB-Rundfunk. Wenn nun die Fraktion der Kanzlerin mehrheitlich dagegen wäre, "dann wäre das so ein Misstrauensbeweis, dass sie zurücktreten müsste". Er gehe aber davon aus, dass eine Mehrheit der Unionsabgeordneten dem dritten Hilfspaket zustimmen werde, fügte Schneider sofort hinzu.

Carsten Schneider (SPD) macht die Griechenland-Abstimmung zur ChefsacheBild: dapd

Die Deutsche Bundesbank fordert, den Reformkurs in dem hoch verschuldeten Land scharf zu überwachen. Die politische Unterstützung des notwendigen Reformprozesses sei "weiterhin unsicher", heißt es im Monatsbericht August der Zentralbank. "Die unzureichenden Fortschritte im Rahmen der bisherigen griechischen Hilfsprogramme legen es nahe, auf eine konsequente Wahrung der Konditionalitäten zu achten."

Linkspartei: europäische Schuldenkonferenz nötig

Auch in der Opposition ist die Haltung geteilt: Während die Grünen dem Paket mehrheitlich zustimmen wollen, lehnt die Linkspartei eine Zustimmung ab. Die Führungsspitze will ihrer Partei empfehlen, dem jetzt vorgelegten Rettungspaket nicht zuzustimmen, sagte Parteivorsitzende Katja Kipping in Berlin. "Diese Vereinbarung ist das Ergebnis einer ökonomischen Erpressung", begründete sie ihre Ablehnung. "Das grundlegende Problem dieser Vereinbarung sehen wir darin, dass ein Großteil dieser sogenannten Hilfsgelder wieder verwendet werden muss, um alte Schulden zu tilgen."

50 Milliarden Euro, schätzt Kipping, dürften allein in die Tilgung alter Schulden fließen. Das sei ökonomisch widersinnig und sorge dafür, dass die Verschuldungsspirale Griechenlands sich weiterdrehe. Unter Verweis auf ein Gutachten des Internationalen Währungsfonds (IWF) fordert die Linkspartei daher eine europäische Schuldenkonferenz, bei der eine Lösung für alle Schuldenländer Südeuropas gesucht werden solle. Es gelte, "über Fragen wie Schuldenschnitt, Schuldenumschichtung und Schuldenmoratorium" gemeinsam zu sprechen, so Kipping.

Deutschland will Griechenlands Vertragstreue kontrollieren

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass eine solche Schuldenkonferenz mit der aktuellen Bundesregierung ausgeschlossen sei - und zudem nicht gebraucht werde: "Wir hoffen, dass mit dem dritten Hilfspaket für Griechenland eine Wende zum Besseren geschafft werden kann." Gelingen könne dies aber nur, so Seibert, wenn die griechische Regierung und der griechische Staat "Punkt für Punkt nun auch umsetzt, was in diesen Vereinbarungen drin steht".

Hilfreich könnte dabei sein, was die Bundesbank ebenfalls in ihrem jüngsten Monatsbericht konstatierte - nämlich eine deutliche Aufhellung der konjunkturellen Aussichten für Griechenland: "Bei einer günstigen Entwicklung und dem Start eines dritten Hilfsprogramms noch in diesem Sommer sollte sich die wirtschaftliche Lage allmählich verbessern."

Insbesondere steigende Touristenzahlen und anlaufende Hilfsgelder aus europäischen Regional- und Strukturfonds hätten das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands im Zeitraum April bis Juni mit 0,8 Prozent doppelt so stark steigen lassen wie das deutsche. Wie viele Skeptiker im Deutschen Bundestag diese Nachricht allerdings wirklich umzustimmen vermag, das wird erst bei der Abstimmung am Mittwoch zeigen. Eine Abstimmung, die auch in Griechenland genau verfolgt werden dürfte.

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