Mehrere Oppositions-Bürgermeister in der Türkei suspendiert
5. Juni 2025
In der Türkei verschärfen die Behörden ihr Vorgehen gegen die größte Oppositionspartei des Landes, die sozialdemokratische Republikanische Volkspartei (CHP). Nachdem der populäre Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu im März unter Korruptionsvorwürfen inhaftiert und seines Amtes enthoben worden war, wurden nun weitere CHP-Politiker suspendiert. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, hat das türkische Innenministerium fünf Bezirksbürgermeister vorläufig ihrer Ämter enthoben. Die Entscheidung erfolgte im Rahmen von Korruptionsermittlungen, zu denen Haftbefehle gegen die Betroffenen vorliegen sollen.
Betroffen sind die Bürgermeister der Istanbuler Bezirke Avcılar, Büyükçekmece und Gaziosmanpaşa sowie die CHP-Bezirkschefs von Ceyhan und Seyhan in der südlichen Provinz Adana. Die Maßnahmen reihen sich ein in eine Serie von Strafverfolgungen, die sich seit Imamoglus Absetzung zunehmend auf weitere Parteifunktionäre und die Stadtverwaltung von Istanbul ausweiten.
Ermittlungen gegen CHP-Chef Özel
Besonders brisant: Auch gegen den Vorsitzenden der CHP, Özgür Özel, wurde inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Laut Anadolu wird ihm vorgeworfen, bei einer Kundgebung in Istanbul den Generalstaatsanwalt beleidigt und bedroht zu haben. Özel hatte dort scharfe Kritik am juristischen Vorgehen gegen seine Partei geäußert, insbesondere mit Blick auf die Inhaftierung Imamoglus.
Ein Sprecher der CHP verurteilte die Einleitung des Verfahrens als politisch motiviert. Auf der Plattform X schrieb er: "Wir werden diesem System der Gesetzlosigkeit, das Sie geschaffen haben, nicht nachgeben."
Maßnahmen politisch motiviert?
Die Maßnahmen gegen CHP-Politiker, allen voran gegen Imamoglu, haben national wie international für Aufsehen gesorgt. Kritiker sehen darin den Versuch der Regierung, die politische Konkurrenz mundtot zu machen. Der 2023 erneut gewählte Präsident Recep Tayyip Erdogan regiert das Land mit seiner islamisch-konservativen Partei AKP zunehmend autoritär. Beobachter werfen ihm vor, die Unabhängigkeit der Justiz ausgehöhlt und politische Gegner systematisch verfolgt zu haben.
Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hingegen weist alle Vorwürfe politischer Einflussnahme zurück und betont die Unabhängigkeit der Justiz. Doch die Serie von Verhaftungen und Suspendierungen nährt Zweifel: Seit Imamoglus Inhaftierung wurden zahlreiche Mitglieder der CHP und Mitarbeiter der Stadtverwaltung Istanbul festgenommen. Anfang Juni wurde sogar der Zugang zu Imamoglus X-Konto in der Türkei gesperrt.
Ekrem Imamoglu gilt als einer der populärsten Oppositionspolitiker des Landes und als möglicher Herausforderer Erdogans bei künftigen Wahlen. Seine Absetzung im März hatte Massenproteste ausgelöst und wird von vielen Beobachtern als gezielte politische Maßnahme gewertet.
Die aktuelle Welle von Suspendierungen und Ermittlungen gegen führende CHP-Politiker vertieft die politische Krise im Land. Viele Bürgerinnen und Bürger sehen die demokratische Ordnung in Gefahr.
pgr/se (dpa, rtr)