Japans neuer Kaiser Naruhito hat den Chrysanthemen-Thron bestiegen. Das fernöstliche Land hat es verstanden, eigene Traditionen und westliche Einflüsse erfolgreich zu kombinieren.
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Der Country-Hit des 2016 verstorbenen amerikanischen Songwriters Buck Owens funktioniert noch heute als Ohrwurm. "Made in Japan" aus dem Jahre 1972 stand insgesamt 13 Wochen in den US-Charts. Westliche Filmproduktionen widmeten sich dem Land der aufgehenden Sonne, eine Auswahl: "Yakuza" mit Robert Mitchum (1974) "Wasabi - Ein Bulle in Japan" (2001) mit Jean Reno, der dreifach oscarprämierte Film "Die Geisha" (2005) und "Tokyo Drift" (2013) aus der Reihe "Fast & Furious".
Zuerst chinesisch, später preußisch
Japan hat den Westen schon immer fasziniert. Dabei ist das ostasiatische Land mit knapp 130 Millionen Einwohnern auf 7000 Inseln im Vergleich zum Nachbarn China eine recht junge Zivilisation. Erst ab dem 5. Jahrhundert übernahm Japan die chinesischen Schriftzeichen. Auf dem Inselstaat hatte es vorher keine Schrift gegeben.
Zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert schickte Japan insgesamt 19 Mal Delegationen an den chinesischen Kaiserhof der Tang-Dynastie. Von dort brachten sie Wissen über Staatswesen und Stadtplanung und den Buddhismus zurück.
Doch in der jüngsten Geschichte hatte Japan stets bewiesen, dass der Inselstaat auch seinen eignen Weg gehen kann. Mit den Erneuerungen, die der Kaiser Mutsuhito ab 1868 einleitete, entstand neues politisches System nach westlichen Vorbildern. Dem Shogunat, der Herrschaft durch adlige Generäle, wurde ein Ende gesetzt.
Japans Gesellschaft wurde auf einen komplett neuen Kurs ausgerichtet: Gleichberechtigung, Rechtsstaat (Die preußische Verfassung 1848/1850 als Vorbild), Religionsfreiheit (Aufhebung des Verbots des Christentums 1872) sowie eine groß angelegte Bildungsoffensive, auch für Mädchen.
Diese Zeit ging als "Meiji-Restauration" in die Weltgeschichte ein. Meiji war die Bezeichnung der Ära des Kaisers Mutsuhito, die Ära der "weisen Herrschaft". Für das alltägliche Leben der Japaner bedeutet die umfassende Reform eine umfassende Öffnung der Gesellschaft, die Koexistenz von Brot und Reis, Bier und Sake, Frack und Kimono.
Japans verehrte Kriegsverbrecher
Die Seelen von 14 Kriegsverbrechern werden im japanischen Shinto-Schrein Yasukuni als Märtyrer verehrt. Die Deutsche Welle erklärt, wer die Täter waren und was ihnen zu Last gelegt wird.
Bild: Keystone/Getty Images
Tojo Hideki
Tojo Hideki war Premierminister von Japan (1941-1944) und Oberbefehlshaber der japanischen Armee. Er wurde für die Ermordung von mindestens vier Millionen Chinesen und biologische Experimente an Kriegsgefangenen verantwortlich gemacht. Nach der Kapitulation 1945 versuchte er, sich mit einer Pistole zu töten. Doch er überlebte. Er gestand die Taten und wurde im Dezember 1948 gehängt.
Bild: Keystone/Getty Images
Doihara Kenji
Der China-Kenner begann seine Karriere 1912 als Geheimagent in Peking. Doihara, der fließend Amtschinesisch und einige andere Dialekte sprach, gründete 1932 mit dem letzten Kaiser Chinas, Puyi, das "Kaiserreich" in der Mandschurei, ein Marionettenregime unter japanischer Kontrolle. 1940 befürwortete er den Angriff auf Pearl Harbor. 1948 wurde er gehängt.
Bild: Gemeinfrei/Unbekannt
Matsui Iwane
Matsui wurde für das Nanjing-Massaker 1937 verantwortlich gemacht, bei dem innerhalb von einer Woche 300.000 Menschen getötet wurden. Historiker glauben heute, dass die Entscheidung für das Blutbad im Kaiserhaus gefällt wurde. Der Kaiser wurde allerdings nie angeklagt. DasTribunal verurteilte Mutsui zum Kriegsverbrecher der Klasse B. Er wurde 1948 hingerichtet.
Bild: Gemeinfrei
Heitaro Kimura
In Ostchina führte Heitaro 1939 einen brutalen Krieg gegen die Streitkräfte der KP Chinas. Er richtete Konzentrationslager ein, in denen Tausende starben. 1944 kam er nach Birma und wurde dort Oberster Befehlshaber. Um die 415 Kilometer lange Eisenbahn zwischen Thailand und Birma zu bauen, setzte Heitaro Kriegsgefangene ein. Knapp 13.000 Alliierte starben. 1948 wurde er gehängt.
Bild: Gemeinfrei
Hirota Koki (2. v. l.)
Bis Februar 1937 war Hirota Koki Premierminister Japans, später Außenminister. Er wurde angeklagt, weil er das Nanjing-Massaker geduldet hatte. Hirota war der einzige zivile Politiker, der 1948 gehängt wurde.
Bild: Keystone/Getty Images
Itagaki Seishiro
Am 18. September 1931 inszenierte Itagaki einen Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnstrecke in der nordöstlichen Region der Mandschurei. Dieses Ereignis nutzte Japan als Vorwand, um Krieg gegen China zu führen. Später führte Itagaki Kriege in Nordkorea, Indonesien und Malaysia, bis er 1945 in Singapur kapitulierte. Er wurde für die Eskalation des Kriegs verantwortlich gemacht und 1948 gehängt.
Bild: Gemeinfrei
Muto Akira
Nach dem Ausbruch des Krieges kämpfte Muto in China und wurde für viele Gräueltaten, unter anderem das Massaker in Nanjing, verantwortlich gemacht. Nach Überzeugung des Tribunals hatte Muto "gefoltert, gemordet und Kriegsgefangene verhungern lassen".
Bild: Gemeinfrei
Matsuoka Yosuke
Unter seiner Führung verließ Japan den Völkerbund, da einige Mitgliedsstaaten Japan als Auslöser für den Krieg gegen China ansahen. Als Außenminister (1940-1941) unterzeichnete Matsuoka den Dreimächtepakt mit Nazideutschland und dem faschistischen Italien. Matsuoka starb 1946 an Tuberkulose, bevor er verurteilt werden konnte.
Bild: Gemeinfrei/Japanese book Ningen Matsuoka no Zenbo
Osami Nagano
Als Kommandeur der Marine befürwortete Osami den Angriff auf den US-Militärstützpunkt auf Pearl Harbor und ordnete 1941 den Angriff an. Zwölf US-Kriegsschiffe sanken oder wurden schwer beschädigt, mehr als 2400 US-Soldaten kamen ums Leben. Er starb 1946 an Lungenentzündung, bevor Anklage im Tokioer Prozess erhoben werden konnte.
Bild: Gemeinfrei
Toshio Shiratori
Er war der Kopf der japanischen Propaganda. Toshio war Botschafter in Italien und setzte sich dafür ein, dass Japan mit Nazideutschland und dem faschistischen Italien eine Allianz schloss. Als Berater für den Außenminister verbreitete er sein faschistisches Gedankengut "auf der Bühne" und "hinter den Kulissen". Toshio wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1949 im Gefängnis.
Bild: Gemeinfrei
Kiichiro Hiranuma
Kiichiro war Premierminister Japans zwischen Januar und August 1939. Während dieser Zeit baute Japan seine Beziehungen zu Deutschland und Italien aus. Später galt Kiichiro als engster Berater vom Kaiser Hirohito. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, kam 1952 frei und starb im selben Jahr.
Bild: Hulton Archive/Getty Images
Kuniaki Koiso
Kuniaki war Japans Premierminister vom Juli 1944 bis April 1945 und diente in China und Nordkorea. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl er nach Ansicht des Tribunals zwar nicht direkt an den Gräueltaten des Militärs beteiligt war, aber "die Möglichkeit gehabt hätte, diese zu verhindern". Kuniaki starb 1950 während der Haft an Krebs.
Bild: Keystone/Getty Images
Umezu Yoshijiro (2. v. l. in der ersten Reihe)
Umezu war 1939 bis 1945 Oberbefehlshaber der bis zu 700.000 Mann starken Guandong-Armee mit Sitz im Nordosten Chinas. Kurz vor Kriegsende war er gegen die Kapitulation, wurde aber vom Kaiser angewiesen die bedingungslose Kapitulation am 02. September 1945 zu unterschreiben. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1949 in der Haft an Krebs.
Bild: AP
Shigenori Togo
Shigenori war ein Deutschlandkenner. Er sprach Deutsch, studierte Germanistik, heiratete eine Deutsche und wurde 1937 Japans Botschafter in Berlin. 1941 und 1945 wurde er zweimal zum Außenminister berufen. Er riet Japan während seiner zweiten Amtszeit zur Kapitulation und übernahm politische Verantwortung für den Krieg. Er wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. 1950 starb er während der Haft.
Bild: Gemeinfrei
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Krieg und Nachkriegsboom
Auf Modernisierung und Wirtschaftswachstum folgte die Politik der Expansion und Kolonialisierung im asiatisch-pazifischen Raum, die in den Zweiten Weltkrieg im Pazifik mündete. Die kaiserliche Armee beging Gräueltaten und Kriegsverbrechen fast in allen ost- und südostasiatischen Ländern bis zur Kapitulation im September 1945 als Folge der beiden US-Atombombenabwürfe auf Japan.
Doch Japan erholte sich schnell von der Niederlage. Mit planwirtschaftlichen Konjunkturprogrammen wurde bis Mitte der 1950er Jahre die Schwerindustrie aufgebaut. Später setzte sich der Liberalismus durch und brachte Japan Wirtschaftswunder und Nachkriegsboom.
Heute ist Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, nach USA und China und vor Deutschland, und eine Hightech-Nation. Fast in jedem Haushalt befindet sich japanische Haushalts- und Spielelektronik. Auch Zukunftsthemen wie E-Mobilität, Künstliche Intelligenz und alternde Gesellschaft packen japanische Firmen längst an. Schon vor 18 Jahren stellte Toyota das erste Hybridfahrzeug aus Serienproduktion im Autoland Deutschland vor. Durch den Einsatz von Industrierobotern in Verbindung mit IT entstand die Initiative "Robot Revolution".
Nach dem wirtschaftlichen Aufstieg will Japan aus dem Schatten des Zweiten Weltkriegs treten. Die Nachkriegsverfassung, erstellt durch die Alliierten, legt in Artikel 9 fest, dass Japan auf die Unterhaltung einer Armee und auf Kriegsführung verzichtet. Das Militär Japans darf sich nur als Selbstverteidigungsstreitkraft bezeichnen.
Premierminister Shinzo Abe will Japan aus diesen Einschränkungen lösen. Seine nationalistische Politik wird von sämtlichen Nachbarländern scharf kritisiert, da in ihren Augen Japan seine Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg noch nicht ausreichend aufgearbeitet hat. Konfliktstoff bieten auch eine Vielzahl von territorialen Streitigkeiten mit China, Südkorea und Russland.
Verbindendes und Ungewohntes
Das moderne Japan bietet neben Hightech zwei weitere Exportschlager auf: Sushi für den Gaumen sowie Manga und Anime für die Augen. Japanische Comics und Zeichentrickfilme erobern die Welt. Neben Playstation sind sie das wichtigste Exportgut aus Nippon, wie die Japaner ihr Land selber bezeichnen.
Sportlich haben Japan und Deutschland einiges gemeinsam. Japan hat die besten Fußballnationalmannschaften in Asien, Männer wie Frauen. Auch Wintersport ist in Japan sehr beliebt.
Übrigens, falls wir mit diesem Länderporträt Ihr Interesse an Japan geweckt haben und Sie das Land mal besuchen wollen: Das Verbeugen ist eine hohe Kunst. Die Faustregel: je tiefer, desto besser. Die höflichste und respektvollste Art ist die 45- Grad-Beugung, sie kann Dankbarkeit, Reue oder Entschuldigung ausdrücken.
Und wer Auto fahren will, muss aufpassen. Japaner fahren wie die Briten auf der linken Seite der Straße. Vermutlich, weil britische Ingenieure in der Meiji-Zeit das Schienennetz in Japan mit aufgebaut haben. Aber keiner weiß so richtig, warum.