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Gesellschaft

Mein Deutschland: Angstbild China

Danhong Zhang
3. November 2016

Wenn Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewinnt oder es in Deutschland morgen bergab geht, dann steht für manche schon heute fest: Schuld daran kann nur China sein. Damit ist Zhang Danhong nicht einverstanden.

Peking Long Ma Drache 17.10.2014
Das Symbol Chinas, der Drache, ist immer schon ein Wesen, vor dem man Angst haben mussteBild: Reuters/Kim Kyung-Hoon

Weder für Hillary Clinton noch für Donald Trump spielt China in diesem Wahlkampf eine große Rolle. Aber inzwischen muss man das Land nicht mehr unbedingt namentlich nennen. Diese dunkle Macht hat längst Einzug gehalten in der westlichen Gesellschaft und zerfrisst unsere Demokratie von innen. Experten bezeichnen das als den "geheimen Faktor China".

Das Ganze haben die Schlitzohren aus Fernost von langer Hand geplant. Erst überschwemmen sie die Weltmärkte mit billigen Produkten "made in China", was zu Fabrikschließungen und Massenarbeitslosigkeit in westlichen Industrieländern führt. Dann entstehen hier populistische Parteien, die den Abgehängten der Globalisierung eine Stimme geben und die demokratische Grundordnung infrage stellen.

Eine US-Studie stellt frappierende Parallelen zwischen dem Zuwachs der chinesischen Importe und der politischen Polarisierung fest. Mit anderen Worten: Je mehr die Amerikaner chinesische Waren konsumieren, desto radikaler werden sie. Ähnliche Studien gibt es auch in Frankreich und Italien, in denen China ebenfalls verantwortlich gemacht wird für das Erstarken des Front National und der Lega Nord.

"Wie Chinas Aufstieg zur Polarisierung im Westen beiträgt", heißt dann auch folgerichtig ein Artikel von Sebastian Heilmann. Das von ihm geleitete Mercator-Institut für China-Studien in Berlin hat inzwischen eine monopolartige Stellung erlangt, wenn es um Analyse und Einordnung von Vorgängen im Reich der Mitte geht. Fairerweise gibt Heilmann den Chinesen wenigstens nicht die Hauptschuld am Stimmenzuwachs der AfD. Für deren Anhänger stünden Eurokrise und Flüchtlinge im Vordergrund.

Deutschland vor dem Ausverkauf?

Doch so einfach können sich die Chinesen auch in diesem Fall nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Deutschen haben eine andere Rechnung mit ihnen offen: Denn Deutschland, das Land der Hochtechnologie, steht kurz vor dem Ausverkauf.

Kuka in chinesischer Hand - aus deutscher Sicht eine schmerzhafte AngelegenheitBild: picture alliance/dpa/Z. Jinqiao

Seit Jahren strecken chinesische Invasoren, pardon, Investoren ihre Fühler nach den deutschen "Hidden Champions" aus: Putzmeister, Kiekert und Kion haben sie sich bereits unter den Nagel gerissen. Zähneknirschend nahm zuletzt die Bundesregierung die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Konzern Midea zur Kenntnis. Doch der Appetit der Chinesen wächst und wächst. Nun zieht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Reißleine und stoppt innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei Kaufabsichten aus dem Reich der Mitte (Aixtron und die Osram-Tochter Ledvance). Um dem chinesischen Spuk ein Ende zu setzen, denkt unser wachsamer Minister sogar über ein Eckpunktepapier nach, das die deutschen Schlüsselbranchen vor chinesischem Zugriff besser schützen soll.

Das gleiche Spiel auf EU-Ebene: Die Kommission will den Kauf des schweizerischen Düngemittelherstellers Syngenta durch ChemChina prüfen. Diese Schlitzaugen wollten Europa überholen, schimpfte der künftige EU-Kommissionsvize Günther Oettinger bei einer Rede in Hamburg.

Sinophobie hat Dauerkonjunktur

Dass China der Schwarze Peter zugeschoben wird, ist eigentlich nichts Neues. Ich erinnere mich an die Zeit vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking, als die Sinophobie einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Damals waren die Chinesen sogar verantwortlich dafür, dass das Schweinefleisch in Deutschland teurer wurde. Dann haben meine Landsleute auch noch durch ihren hemmungslosen Konsum den Milchpreis in die Höhe getrieben. Auf der anderen Seite sollen die Chinesen doch angeblich unter Laktoseintoleranz leiden? Das passt irgendwie nicht zusammen. Schließlich haben diese Nichtchristen auch noch Weihnachten entdeckt und dafür gesorgt, dass die Weihnachtsbäume knapp wurden. In Wirklichkeit wurden in ganz Peking im Dezember 2007 nur 1000 Weihnachtsbäume geordert. Und die meisten davon kamen aus den USA.

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Es schadet nicht, die Perspektive mal zu wechseln. Aus Sicht der Chinesen hat ihr Land der Welt jahrzehntelang als Werkbank gedient, dabei die eigene Luft verpestet und die Umwelt geschändet, die Konsumenten im Westen mit günstigen Waren beglückt und die Inflation dort niedrig gehalten. Den Deutschen hat man so ziemlich alles abgekauft, was sie herstellen und ihnen so jahrelang zum Titel des Exportweltmeisters verholfen. Nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise hat man mit einem gigantischen Konjunkturprogramm die Welt vor einer tiefen Depression bewahrt. Der wirtschaftliche Aufstieg hat in den vergangenen 30 Jahren über 400 Millionen Chinesen aus extremer Armut geholt: Das ist der größte Beitrag zur Verringerung der Armut in der bisherigen Menschheitsgeschichte. Ohne diesen Erfolg hätten sich wahrscheinlich mehrere Hundertmillionen Chinesen auf den Weg nach Europa oder Nordamerika gemacht. Mir fehlt dazu die Vorstellungskraft.

Ist China nun der Schwarze Mann, vor dem alle Angst haben müssen, oder der Weiße Ritter? Für den angeschlagenen Chipanlagenbauer Aixtron würde das letztere zutreffen. Vorausgesetzt: Minister Gabriel gibt dem Deal grünes Licht. Danach sieht es allerdings nicht aus. Er hält seine schützende Hand über deutsche Unternehmen, die von chinesischen Investoren gerettet werden wollen. Kann mir jemand die Logik dahinter erklären?

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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