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Gesellschaft

Mein Deutschland: Die faulen Griechen und der Euro

Danhong Zhang
10. November 2016

Wie geht Grillen auf Griechisch? Ohne Kohle natürlich. Die Griechen sind pleite, weil sie einfach faul sind, so die gängige Meinung. Zhang Danhong hat im Urlaub auf Kreta ganz andere Griechen kennengelernt.

Griechenland Tourismus - Kreta
Bild: picture-alliance/zb/A. Lander

Ein bekannter Ökonom aus China landete einen Lacher, als er auf einer Veranstaltung in Hamburg sagte: "Man kann schnell aus Deutschen Griechen machen, denn sich an den Strand legen und sonnen, fällt auch Deutschen nicht schwer. Aber aus Griechen Deutsche machen: Das wird niemals funktionieren." Kein Deutscher kann es sich erlauben, so frei von der Leber zu reden. Doch innerlich geben sie dem Chinesen sicherlich recht: Wenn die Griechen so tüchtig wären wie wir, dann würden sie nicht alle zwei Jahre mit ihrer Pleite den Euro gefährden. 

An die Worte des Chinesen musste ich oft denken, wenn ich Berichte über griechische Schuldenprobleme las. Doch dieses Bild der faulen Griechen wurde durch meinen jüngsten Urlaub auf Kreta nachhaltig erschüttert.

Tüchtige und herzliche Griechen

Da lerne ich Marina kennen, die Chefin des Kellner-Teams im Hotelrestaurant: Egal, wie früh wir zum Frühstück kommen und wie spät wir von einem Ausflug zurück zum Abendessen erscheinen - sie ist immer da. Sie grüßt, führt die Gäste zu ihrem Tisch, nimmt Bestellung entgegen, räumt ab. Dabei ist sie immer gut gelaunt und zu Scherzen aufgelegt - wo sie ist, wird gelacht. Einmal habe ich sie gefragt, ob sie überhaupt schläft. "In der Saison ist es immer so, kaum ein freier Tag", da entdecke ich fast einen Hauch von Müdigkeit, doch sofort strahlt sie wieder: "In zwei Wochen fliege ich nach Mallorca. Dann werde ich nichts tun."

Dimitrios hat die Beach-Bar gepachtet. Er fängt morgens nicht so früh an wie Marina. Dafür bedient er die Gäste in Badeanzügen oder -mänteln neun Stunden durchgehend. Ob er nach der Saison auch mal alle Viere von sich strecken kann? frage ich. Er schüttelt den Kopf und lacht: "Nein, dann muss ich mich um meine Olivenbäume kümmern." Die gepflückten Oliven müsse er vom Berg herunter tragen. "Sehr schwer", ächtzt Dimitros beinahe bei der Vorstellung. Bis Januar dauert die Ernte.

Auf dem Hotelgelände spielt Alexandros mit den Kindern der deutschen UrlauberBild: DW/Z. Danhong

Gut gebräunt und gut aussehend ist Alexandros - wie alle anderen Animateure. Mit den Kindern der meist deutschen Urlauber spielt er Fußball oder Wasserball, damit die Eltern auf ihren Liegen am Strand in Ruhe lesen oder dösen können. Abends unterhält er Große wie Kleine mit Pantomimentheater. Wenn die Knirpse erschöpft und glücklich ins Bett fallen, tanzt und plaudert Alexandros mit den Erwachsenen. Einmal ist mir gelungen, den lustigen Animateur in ein ernsthaftes Gespräch zu verwickeln.

Der Euro ist den Griechen zu teuer

Ausgebuchte Hotels, volle Strände, wo ist die Krise? frage ich. "Die ist für uns Griechen omnipräsent. Unsere Gehälter sind in den vergangenen Jahren um rund 20 Prozent gekürzt worden. Gleichzeitig stiegen die Steuern um zehn Prozent. Versuchen Sie das mal in Deutschland." Ich spüre die mühsam unterdrückte Wut in seiner Stimme. "Hassen Sie die Deutschen?" Als Deutsche mit einem asiatischen Gesicht glaube ich, eine ehrliche Antwort erwarten zu können: "Ich hasse die Deutschen nicht, aber ich hasse die deutsche Regierung. Sie zwingt uns zu sparen und stürzt uns in eine noch tiefere Rezession. Wie können wir die Schulden jemals zurückzahlen?" Das kann ich so nicht stehen lassen: "Die Bundesregierung bürdet den deutschen Steuerzahlern hohe Risiken und Belastung auf, um Griechenland zu retten." "Uns retten? Sie machen Witze! Das meiste Geld landet doch wieder auf den Konten von Banken, auch von deutschen Banken. Wir werden nicht gerettet und können gerne auf das Geld verzichten." "Dann ist Ihr Land aber wahrscheinlich raus aus dem Euro." "Na und?! Dann wird es Griechenland endlich besser gehen. Der Euro ist für uns zu teuer."

Traumhaft schön: Die Lagune am westlichen Zipfel von KretaBild: DW/D. Zhang

Da ist was Wahres dran. Noch vor kurzem lag Griechenland in der Gunst deutscher Urlauber hinter der Türkei, die dieselbe Sonne und dieselben Strände im Angebot hat - nur zu einem viel günstigeren Preis. Erst die Terrorwelle lenkt die Deutschen wieder auf die griechischen Inseln. Ich wünschte, auch der chinesische Ökonom würde sich mal hier von der türkisfarbenen Lagune und dem saphirblauen Meer verzaubern lassen. Nebenbei könnte er sein Klischee über die faulen Griechen und die tüchtigen Deutschen ins Mittelmeer werfen.

An "meine" Griechen denke ich immer noch

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Es wäre unfair, die geschäftstüchtigen Griechen in der Tourismusbranche mit den Deutschen, die in ihrem wohlverdienten Urlaub Energie und Sonne tanken, in einen Zusammenhang zu bringen. Doch einen direkten Vergleich hatte ich die Woche darauf in Thüringen und Sachsen-Anhalt. An das herzliche "Kaliméra" von Marina kam kein vor sich hin gemurmeltes "Morgen" der deutschen Hotelangestellten heran. Auch würde das griechische Arbeitszeitmodell keiner Überprüfung durch einen deutschen Personalrat standhalten. Damit möchte ich die Errungenschaften der Gewerkschaften hierzulande keineswegs in Frage stellen.

Ob der Euro eine Errungenschaft der europäischen Integration ist? Alexandros hat so seinen Zweifel: Die Gemeinschaftswährung sei eher ein Zankapfel, der die Völker Europas spalte, so der Animateur, der nach der Saison in Iraklio, der Hauptstadt von Kreta, sein Studium der Politikwissenschaft fortsetzt. Ich hoffe, dass sich sein Land in einem besseren Zustand befindet, wenn er sein Studium abgeschlossen hat - mit oder ohne Euro.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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