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Gesellschaft

Mein Deutschland: Die Prügelknaben der Nation

Zhang Danhong
13. Juli 2017

Während des G20-Gipfels mussten sie um Leib und Leben fürchten. Dennoch ernten sie mehr Kritik als Anerkennung. Auch sonst müssen sie viel einstecken. Deutsche Polizisten können einem leidtun, findet Zhang Danhong.

Deutschland, Hamburg, G20 Proteste, Rote Flora
Seit Monaten leuchtete vom Dach des linken Kulturzentrums "Rote Flora" in Hamburg der Protest gegen den G20-GipfelBild: picture-alliance/dpa/C.Charisius

Deutsche Polizisten sind arme Schweine. Dieser Tage habe ich von einem guten Freund aus Troisdorf erfahren, dass sich Polizisten in diesem einst idyllischen Städtchen im Rhein-Sieg-Kreis von herumlungernden Menschen mit schicken Turnschuhen und iPhones in der Hand als Nazi-Säue beschimpfen lassen müssen. Ihre Kollegen aus bestimmten Bezirken in anderen Städten bekommen es schon beim Ausstellen von Strafzetteln mit ganzen Familienclans zu tun.

Die Polizisten in meinem Bekanntenkreis können ihr Privatleben kaum noch planen, weil sie wegen Großveranstaltungen immer häufiger im Wochenenddienst sind und überdies ständig mit Terroralarm rechnen müssen.

Arme Hauptstadt eines reichen Landes

Deutsche Polizeibeamte sind darüber hinaus schlecht ausgerüstet. Der Wochenzeitung "Die Zeit" war zu entnehmen, dass sich die Polizei in der Hauptstadt selten Schießübungen mit echten Patronen leisten kann. Von einem anderen Bundesland haben die Berliner ausrangierte Pistolen erworben - zum symbolischen Preis von einem Euro.

DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V. Glasow/V. Vahlefeld

Beim Verdienst sieht es kaum besser aus. Rund 2000 Euro netto erhält ein Durchschnittsbeamter, der auf der Straße Dienst tut, im Monat. Für die Verantwortung, die sie für das Land und die Bürger tragen, ist das nicht viel. Und sie bessern ihr Einkommen nicht durch Korruption auf, wie es in vielen anderen Ländern dieser Erde üblich ist.

Deutsche Polizisten nehme ich als höflich, anständig und kontrolliert wahr. Eine Zeitlang half ich der Kriminalpolizei als Dolmetscherin im Kampf gegen chinesische Schlepperbanden. Auch wenn beim Verhör gelogen wurde, bis sich die Balken bogen, hatten die Kommissare ihre Emotionen stets im Griff. Sarkasmus war das einzige Ventil, um etwas Dampf abzulassen. Wir können uns glücklich schätzen, dass die chinesische Redewendung "Polizei und Banditen gehören zusammen" hierzulande nicht im Geringsten zutrifft.

Immer mehr Aufgaben bei immer heftigerer Kritik

Was war das übrigens für eine traumhafte Zeit, als es in erster Linie die italienische Mafia und asiatische Triaden waren, über die sich die Kriminalbeamten den Kopf zerbrechen mussten! Nun hat sich die Sicherheitslage grundlegend verändert. Zu Schlepperkriminalität riesigen Ausmaßes gesellen sich islamistische Terroristen und rechtsextreme Gewalttäter, was das Berufsrisiko der Polizisten enorm gesteigert hat.

Als ob dies alles nicht schon kräftezehrend genug wäre, so muss sich die Polizei auch noch gegenüber Politikern des grünen und linken Spektrums sowie dem Großteil der Medien für alles rechtfertigen. Nachdem zwei Polizisten vor rund einem Jahr in Würzburg einen 17-jährigen Afghanen erschossen hatten, der zuvor vier Menschen in der Bahn mit einer Axt schwer verletzt hatte, fragte die grüne Politikerin Renate Künast per Twitter, warum der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden konnte. Nach der Silvesternacht zu Beginn dieses Jahres warf die Grünen-Chefin Simone Peter der Kölner Polizei "racial profiling" vor, da sie gezielt rund 1000 Nordafrikaner zur Personenkontrolle zwang.

Die Polizei in Köln sorgte zum Jahreswechsel dafür, dass sich die Silvesternacht 2015 nicht wiederholte und handelte sich dennoch Kritik einBild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Kurzum: Hat die Polizei die Lage nicht im Griff und es passiert etwas, wird sie von allen Seiten kritisiert. Handelt sie hingegen entschieden und es passiert nichts, wird die Verhältnismäßigkeit ihres Einsatzes von Teilen der Politik und Medien in Frage gestellt.

Gute und schlechte Gewalt

Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden die Beamten selber zur Zielscheibe der Gewalt, die in diesem Fall von sogenannten linken "Autonomen" geplant und orchestriert wurde. Es ist nicht so, dass die linke Gewalt in Deutschland etwas Neues wäre. Nur solange sie einem vermeintlich guten Zweck dient, zum Beispiel um einen AfD-Parteitag zu stören oder um die Abschiebung von Flüchtlingen zu verhindern, wird sie von der Politik und den Medien toleriert und dadurch womöglich ermutigt.

Vor dem Gipfel staunte ich darüber, dass der Rechtsanwalt der Roten Flora, des inzwischen bundesweit bekannten Zentrums der linken Szene in Hamburg, auf allen Kanälen indirekt zur Gewalt aufrufen durfte. Dann folgte der Tweet des Spiegel-Kolumnisten Jakob Augstein: "Der Preis muss so in die Höhe getrieben werden, dass niemand eine solche Konferenz ausrichten will."

Die Plünderung eines Supermarktes - auch das war angeblich Protest gegen den G20-Gipfel und die GlobalisierungBild: Reuters/P. Kopczynski

Der Preis stieg in der Tat beträchtlich: abgefackelte Autos, geplünderte Geschäfte, massenhaft verletzte Polizisten. In ihrer Gewalt und Wut stehen die Linksextremisten den rechtsextremen Brandstiftern in nichts nach. Doch diesen Vergleich dürfe man nicht vornehmen, mahnt Jakob Augstein. Denn hier stünden legitime Demonstranten gegen schwer bewaffnete Polizisten, während dort wehrlose Flüchtlinge angegriffen würden, sagt der Journalist im Streitgespräch mit seinem konservativen Kollegen Jan Fleischhauer. Es hat also offenbar etwas Heldenhaftes, Polizisten mit Steinen zu bewerfen. Andere Kommentatoren geben der Hamburger Polizei eine Mitschuld für die Exzesse, da sie selbst mit Gewalt vorgegangen sei.

Gewalt hat mit links nicht zu tun - von wegen

Wie und aus welchen Gründen der Ort eines solchen Gipfels konkret ausgewählt wird, weiß ich nicht genau. Ich stelle mir nur vor: Da will die Kanzlerin kurz vor der Bundestagswahl schöne Bilder aus ihrer Geburtsstadt haben und das Stadtoberhaupt fühlt sich geschmeichelt. Starke linke Szene? Zeichen der Vielfalt. Gewaltpotenzial? Ach was, der Linksextremismus ist doch nur ein aufgebauschtes Problem. Die Polizei hat bei alledem keine Alternative - sie muss sich auf die "Mission impossible" einlassen.

Und für die fatale Fehleinschätzung der Politik mussten die Einsatzkräfte heftig büßen. Knapp 500 Verletzte - eine Zahl, die sonst eigentlich nur in einem Bürgerkrieg vorstellbar ist. Dafür, dass sie ihr Leben riskiert haben, gebührt ihnen eigentlich Dank und Anerkennung. Doch wo kommen wir hin, wenn die bösen Bullen mit ihren Wasserwerfern und Pfefferspray auch noch gelobt werden? Vor allem für Politiker aus dem grünen und linken Lager steht fest, dass die Sicherheitskräfte selbst an der Eskalation der Gewalt Schuld sind, weil sie den Randalierern direkt zum Auftakt des Gipfels die Grenzen des Demonstrationsrechtes gezeigt haben. Eine für Außenstehende schwer verständliche Logik.

Die armen Polizisten - sie haben mein Mitgefühl.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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