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Gesellschaft

Mein Deutschland: Eigenheim adé

Danhong Zhang
6. Oktober 2016

Seit März gilt eine EU-weite Richtlinie für Immobilienkredite. Für die Deutschen, von denen nicht einmal jeder Zweite eigene vier Wände besitzt, wird sie fatale Folgen haben, meint Kolumnistin Zhang Danhong.

Eigenheim
Bild: DW/Alterfalter

Sind Sie jünger als 30 oder älter als 40? Gehören Sie nicht zu den Topverdienern dieser Republik? Dann ist Ihr Traum vom Eigenheim wahrscheinlich ausgeträumt. Denn die EU-Richtlinie für Wohnimmobilienkredite und die strenge deutsche Auslegung haben dazu geführt, dass die Banken seit diesem März jeden potenziellen Kunden wie ein Subprime-Wertpapier durchleuchten und nach Verwundbarkeiten suchen.

Eine davon heißt Schwangerschaft. Ein junges Paar unter 30 (beide normale Verdiener) kommt als Kreditnehmer für die Banken kaum noch in Frage. Die Frau gilt nämlich als gebärfähig und daher hoch riskant. Denn bleibt sie nach einer Entbindung erst mal zu Hause, wird sie nicht nur selber kreditunwürdig, sie zieht auch noch ihren Partner in seinem Rating herunter.

Für die Banken gelten Sie erst wieder als berechenbar, wenn Sie das Kapitel der Familienplanung abgeschlossen haben. Aber dann sollten Sie nicht zu lange warten. Denn ein Stichwort dieser Richtlinie lautet "Kapitaldienstfähigkeit". Das heißt, die Rückzahlung des Darlehens muss über die ganze Laufzeit gewährleistet sein. Wenn Sie also keinen Rentenanspruch vorweisen, mit dem Sie Zinsen und Tilgung des Kredits auch weiterhin schultern können, müssen Sie vor dem Erreichen des Rentenalters alle Schulden beglichen haben. Keine leichte Aufgabe für einen Familienvater jenseits der 40.

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Irgendwo ist immer ein Haken

Es sei denn, Sie gehören zu den zehn Prozent Topverdienern in diesem Land, so wie mein chinesischer Freund Lin Feng (den Namen habe ich geändert). Trotz seines "hohen" Alters von 45 Jahren wurde ihm Wohlwollen seitens der Banken signalisiert. Doch die Geldinstitute fanden etwas anderes, das sie abschreckte: Lin Feng hat gerade seinen Lebensmittelpunkt in China, um das Asien-Geschäft für seinen Arbeitgeber (einen deutschen Weltmarktführer) zu koordinieren. Trotz seiner deutschen Staatsbürgerschaft gilt er im Juristendeutsch als ein Devisenausländer oder ein Gebietsfremder. Was wäre zum Beispiel, wenn er seinen lukrativen Job an den Nagel hängen und in ein chinesisches Kloster gehen würde? Dann wäre er nämlich für die Banken gar nicht mehr greifbar. Die meisten Geldhäuser winken deshalb ab. Eine große deutsche Bank begründete die Ablehnung mit dem zu erwartenden bürokratischen Aufwand.

Selbst wenn Sie nach Alter und Einkommen mit einer Triple-A-Bonität bewertet werden und zudem kein Gebietsfremder sind, sind Sie für die Banken noch lange kein sorgenloser Fall. Eine Scheidung könnte die Bonität von Ihnen und Ihrem Partner ruinieren; durch Arbeitslosigkeit könnten Sie schnell auf dem Ramsch-Niveau landen; auch eine schwere Krankheit könnte Ihre schöne Lebensplanung durchkreuzen. Hier könnte Ihre Bank Sie zum Abschluss einer Versicherung gegen die Berufsunfähigkeit drängen. Das Dumme ist, dass Ihnen die hohe Prämie dann bei der Tilgung der Hypothek fehlt.

Wer eine Hypothek will, muss viel Bürokratie über sich ergehen lassenBild: Fotolia/Kzenon

Nach dem deutschen Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie muss Sie der Bankangestellte über all diese Risiken aufklären, ein Gesprächsprotokoll anfertigen und es von Ihnen unterzeichnen lassen. Der Kunde wird hier von der Bank entmündigt, die ihrerseits von der EU bevormundet wird.

Die eine EU-Institution weiß nicht, was die andere tut

Natürlich meinen es die Brüsseler Bürokraten gut mit uns. Sie möchten uns Bürger durch strengere Auflagen für die Banken vor der nächsten Finanzkrise bewahren. Nur weiß sie nicht so recht, ob sie der Bekämpfung der aktuellen Krise oder der Vorbeugung der nächsten Krise Vorrang geben soll. Deswegen wirkt ihre Politik etwas diffus und widersprüchlich. Da tut die eine Institution - die Europäische Zentralbank - alles, vom Negativzins bis zum Anleihekauf, um die Kreditvergabe und dadurch das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, während die andere Institution - die Kommission - dasselbe Bankgeschäft einschränkt. In Deutschland ist bei vielen Banken das Kreditgeschäft regelrecht eingebrochen.

Dabei hat es in Deutschland noch nie einen Exzess der Immobilienkredite gegeben. Ich würde so weit gehen, zu behaupten, dass die deutsche Mentalität für einen Exzess amerikanischer Ausmaße vor 2008 nicht ansatzweise den Nährboden bietet. Die Deutschen sorgen von sich aus vor und sichern sich gegen den schlimmsten Fall ab. So hat mein Mann bei unserem Immobilienerwerb trotz meines Protests (Chinesen gehen im Allgemeinen davon aus, dass das Unglück immer nur andere trifft) auf zwei Risikolebensversicherungen bestanden.

Deutsche Gründlichkeit macht alles noch schlimmer 

Von daher hätte die Beamtenschar um Heiko Maas die Sache mit der EU-Richtlinie ruhig etwas entspannter angehen können. Aber nein, die deutsche Gründlichkeit fordert die maximale Auslegung einer EU-Richtlinie und sattelt am besten noch eins drauf.

Hier offenbart sich auch ein Widerspruch in der deutschen Politik: Einerseits kämpft sie mit Mindestlohn und Mietpreisbremse für mehr soziale Gerechtigkeit, andererseits sorgt sie mit dem strengen Gesetz über Immobilienkredite dafür, dass fast nur noch Menschen mit einer Triple-A-Bonität in den Genuss solcher Darlehen kommen, so wie Lin Feng. Für ihn ist die Sache doch noch gut ausgegangen, nachdem er einer willigen Bank 1500 Euro für ein Rechtsgutachten gezahlt hat. Wahrscheinlich hat die Rechtsabteilung dieser Bank bescheinigt, dass das Risiko bei dem Chinesen, den Job als Manager gegen ein Leben im Kloster auszutauschen, gleich null ist.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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