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Mein Deutschland: Keine Panik, Volkswagen!

Zhang Danhong1. Oktober 2015

Während VW hierzulande nun als vogelfrei gilt, glaubt unsere Kolumnistin Zhang Danhong, dass die Chinesen dem Autokonzern die Treue halten werden. Deshalb hat sie einen tröstenden Brief an die Wolfsburger geschrieben.

Symbolbild Autos deutscher Herstellung in China
Bild: P. Lopez/AFP/Getty Images

Liebe Volkswagen AG,

ich weiß, es ist keine angenehme Zeit für Euch. Im Moment seid Ihr gerade die Sau, die von den hiesigen Medien durchs Dorf getrieben wird. Mit Berichten, Kommentaren und Analysen schreiben sich die Journalisten die Finger wund, um ja nicht eine Spekulation auszulassen. Und davon gibt es reichlich. Sogar über Eure Pleite wird spekuliert. Zwei Dinge würden Euch zum fast sicheren Tod führen: Der Käuferstreik und horrende Schadenersatzsummen durch Sammelklagen in den USA. Auf dem Weg dorthin reißt Ihr auch noch das Label "Made in Germany" mit in den Abgrund. Ich kann von daher zu gut nachvollziehen, wenn bei Euch Weltuntergangsstimmung herrscht.

Aber so schlimm wird es nicht kommen. Die Rettung heißt China. Erstens, weil der chinesische Markt, Euer wichtigster Markt, kaum von der Affäre betroffen ist; zweitens, weil Ihr als deutsches Unternehmen vom Mythos Deutschland in China bisher profitiert habt und weiterhin profitieren werdet. Warum Deutschland als Projektionsfläche für den chinesischen Traum besonders geeignet ist, habe ich in einer früheren Kolumne bereits thematisiert. Skandale wie der um den Berliner Flughafen tun dem chinesischen Glauben an deutsche Tugenden keinen Abbruch. Im Gegenteil: Manche Chinesen sehen darin sogar ein Zeichen für die strenge Kontrolle und das Verantwortungsbewusstsein des Aufsichtsrates.

Im VW-Werk in Shanghai werden keine Dieselmotoren gebautBild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Auch diesmal könnt Ihr auf die Chinesen zählen. So zeigt der bekannte Autoexperte Zhong Shi, der chinesische Ferdinand Dudenhöffer sozusagen, in Interviews indirekt Verständnis für Eure Schummelei: VW sei in der ersten Jahreshälfte an Toyota vorbeigezogen und habe das Ziel, Nummer eins auf der Welt zu werden, drei Jahre vor dem Plan erreicht. Um den winzigen Vorsprung zu halten, müsse Volkswagen den Absatz vor allem von Dieselfahrzeugen in Nordamerika drastisch erhöhen. Es sei von daher nachvollziehbar, dass die Deutschen den Durchbruch bei solchen Modellen suchen. Der Zweck heiligt also die Mittel. Dass Ihr unbedingt Nummer eins auf der Welt werden und bleiben wollt, das beeindruckt die Chinesen ungemein. Alles andere ist erst mal zweitrangig.

Schuld sind Amerikaner

Der Euch gewogene Chinese macht die strenge Abgasnorm in den USA fast mitverantwortlich für das Desaster: "Obwohl VW über fortschrittliche Abgastechnik verfügt, ist es dennoch schwierig, die Anforderungen in Kalifornien zu erfüllen. Deshalb kam VW auf die Idee mit der Software, die Testergebnisse manipuliert." Andere sind direkter. "Wenn die Deutschen es nicht schaffen, den Kriterien zu entsprechen, dann sind die Kriterien einfach unrealistisch", schreibt ein chinesischer User. Für viele Chinesen sind Amerikaner die Bösen schlechthin. So wie sie China auf dem Weg an die Weltspitze ein Bein in den Weg stellen, so versuchen sie mit hinterhältigen Methoden, auch andernorts die Konkurrenz auszuschalten. "Letztes Jahr wurde Toyota geschwächt, nun ist VW dran", kommentiert ein User im chinesischen Twitter Weibo.

Ist VW erst mal in die Opferrolle katapultiert, kennt das Mitleid der Chinesen mit Euch keine Grenzen mehr. Ein Kommentator der renommierten Caixin-Gruppe lehnt es ab, Euch als Betrüger zu bezeichnen. Das Wort "schummeln" benutzt er im Zusammenhang mit Euch nur in Anführungszeichen. Und falls Ihr tatsächlich "geschummelt" hättet, dann hätten es bestimmt alle getan. Nun müsst Ihr vor Rührung in Tränen ausbrechen, wenn ich hier seine Schlussfolgerung wiedergebe: Eigentlich habe die US-Umweltbehörde nur eine Erklärung von dem Autokonzern gefordert, warum die Test-Ergebnisse im Labor von denen auf der Straße abweichen, doch Volkswagen habe umgehend die Existenz der Manipulationssoftware zugegeben. "So ehrlich sind die Deutschen!" Diese Verzerrung der Fakten wurde selbst den Deutschland liebenden Chinesen zu viel. "Ganz ehrlich haben sie die Welt betrogen", schreibt ein User lapidar.

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Japaner können sich keine Hoffnung machen

Ja, das Image der ehrlichen und zuverlässigen Deutschen mag durch Euch sogar in China einen Kratzer bekommen haben. Aber die tief verwurzelte Sympathie der Asiaten für deutsche Produkte werde sich so schnell nicht ändern, prophezeit ein anderer Autoexperte aus China. Was das Auto anbetrifft, so kommt man an Euch sowieso nicht vorbei. In den ersten acht Monaten landeten gleich sechs VW-Modelle unter den Top 10 der absatzstärksten Autos in China. Da müsst Ihr keine Sorgen haben, dass sich die Chinesen nach dem Abgas-Skandal scharenweise von Euch abwenden. Sie werden Euch treu bleiben - auch mangels Alternative. Denn für viele Chinesen kommt es nicht in Frage, ein Auto von den verhassten Japanern zu kaufen.

Mit China habt Ihr also die halbe Miete sicher. Und mit dem dort verdienten Geld könnt Ihr die amerikanischen Rechtsanwälte und deren Forderungen bezahlen. Außerdem wisst Ihr ja aus den Erfahrungen der Tabakkonzerne: Große Steuerzahler lässt der Staat nicht fallen. Auch die moralische Empörung wird abebben. Denn bald findet sich bestimmt eine andere Sau, die sich durch das mediale Dorf treiben lässt. In diesem Sinne: Kopf hoch!

Hochachtungsvoll

Zhang Danhong

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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