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Gesellschaft

Mein Deutschland: #MeToo: Auch ich bin sexistisch!

Zhang Danhong
26. Oktober 2017

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli hat Zhang Danhong die Augen geöffnet. Seitdem entdeckt die Kolumnistin Sexismus an allen Ecken in Deutschland, nicht zuletzt auch bei sich selbst.

Sawsan Chebli
Bild: picture-alliance/AA

Vor 16 Jahren wollte ich mich über Anlagemöglichkeiten informieren und machte einen Termin bei einem Finanzberater. Ich wartete im Eingangsbereich. Ein gutaussehender junger Mann sprang förmlich die Treppe herunter und gab mir lächelnd die Hand: "Tag, Frau Zhang!" Etwas verdutzt lächelte ich zurück: "Um ehrlich zu sein, habe ich einen älteren Herrn mit grauen Schläfen erwartet."

Nun las ich vergangene Woche, dass Sawsan Chebli schwer unter Schock steht, weil ein Botschafter a.D. sie nicht als Staatssekretärin erkannt hat mit der Begründung, sie sei so jung und schön. "Ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe ich noch nie erlebt", schreibt die SPD-Politikerin auf ihrer Facebook-Seite.

DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V.Glasow/V.Vahlefeld

Wenn ich im Publikum gesessen hätte, hätte ich spontan gedacht: Ein etwas missglücktes Kompliment, aber lieb gemeint. Doch zum Glück gibt es ja Politiker, welche die Dinge für uns einordnen: Sexismus ist es also, weil die Aussage des älteren Herrn impliziert, dass ein solch hohes Amt keiner jungen Frau zugetraut werden kann.

Sofort fiel mir die Begegnung mit meinem Finanzberater ein. In meiner Aussage schwang doch auch Zweifel an seinen Beraterqualitäten aufgrund seines Alters mit. Außerdem habe ich ihn indirekt auf sein Geschlecht und Aussehen reduziert. Sexistischer geht's ja wohl nicht!

Sexismus lauert überall

Sind meine Sensoren einmal für den Sexismus aktiviert, gibt es kein Halten mehr. Da wagte Edmund Stoiber auf die Frage von Frank Plasberg "Welches Geschenk bringen Sie mit, wenn Sie von Sebastian Kurz zu einem Opernball eingeladen werden?" zu antworten, er würde dessen wunderschöner Lebenspartnerin einen Blumenstrauß schenken. Denkt der etwa, Alter schützt vor Sexismus?!

Am Wochenende habe ich die Wagner-Oper "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg" besucht. Es war kaum auszuhalten. Eine sexistische Strophe reihte sich an die nächste. Nur ein Beispiel: "Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen, und jedes holde Wunder stammt von dir. Die Glut, die du mir in das Herz gegossen, als Flamme lodre hell sie dir allein!", lobpreiste Tannhäuser die schöne Venus. So ging das in einem fort.

Auch meine Entdeckungsreise in die Welt des Sexismus ging weiter. Zufällig stieß ich auf eine Aussage von Heinrich Heine über München: Hier "schmeckt das Bier ganz vortrefflich" und es herrschten auch "wunderschöne Weiberverhältnisse"... Eigentlich müsste man einen Brief an den Rektor der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf schreiben und fragen, wie seine Institution den Namen eines solch sexistischen Machos tragen kann. Wahrscheinlich haben das Feministinnen auch schon längst getan.

Heinrich Heine - ein brillanter Dichter und ein lüsterner SexistBild: picture alliance/akg-images

Nichts gegen Feministinnen. Sie haben sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau verdient gemacht. Wenn man bedenkt, dass vor 60 Jahren keine Frau in Deutschland ein eigenes Konto eröffnen oder ohne die Genehmigung ihres Mannes arbeiten gehen durfte, leben wir heute doch in sehr fortschrittlichen Umständen.

Deutsche Männer sind arme Schweine

Im Zuge der Gleichberechtigung haben wir die Männer umerzogen und ganz unter unsere Kontrolle gebracht. Neben der Mutter sind es die Erzieherinnen und Lehrerinnen, die das Weltbild der Jungs prägen. Später sind sie gehalten, unterschiedliche Rollen miteinander zu verschmelzen. Frauenversteher sollen sie sein und leidenschaftliche Liebhaber, moderne Väter, welche die Tochter zum Ballett begleiten und für das Pubertier den Ratgeber spielen, und am besten auch noch gut verdienen. Trotz aller Bemühungen, bessere Menschen zu werden, wird ihnen immer wieder eingeimpft, dass sie Frauen unterdrücken und im Grunde Schweine sind.

Deutsche Männer können einem leid tun. Sie erinnern mich an die chinesischen Reaktionäre während der Kulturrevolution, die bei jeder Gelegenheit hervortreten mussten, um angeprangert zu werden und öffentlich Selbstkritik zu üben: Ja, er habe schon mal seine Position als Chef ausgenutzt und eine Praktikantin zum Essen eingeladen, er habe schon mal einer schönen Frau hinterhergeschaut und ein unpassendes Kompliment gemacht.

Wir können sie weiter malträtieren, um dem Mann den letzten Rest der männlichen Natur auszutreiben. Dann dürfen wir aber nicht meckern, wenn uns bald keiner mehr die Tür aufhält, den schweren Koffer abnimmt, ein nettes Kompliment macht und wenn die männlichen Kollegen uns nur noch als Neutrum betrachten. Letzteres stelle ich mir besonders hart vor, sagen doch die Chinesen gerne: "Besteht ein Team aus Mann und Frau, ist der Alltag nicht mehr trist und grau." Wir könnten aber auch die Kirche im Dorf lassen und nicht mehr bei jeder Kleinigkeit das gekränkte Mädchen spielen.

Das bedrückende Schweigen

Verstehen Sie mich nicht falsch. Sexuelle Übergriffe und erst recht Vergewaltigungen sind für mich keine Kleinigkeiten. Doch genau darüber schweigen die meisten Frauenrechtlerinnen und die veröffentlichte Meinung. Ich höre keinen Aufschrei über das völlig anachronistische Frauenbild, das mit der jüngsten Masseneinwanderung vorwiegend junger Männer importiert wird. Ich lese keine wütenden Kommentare darüber, dass in Schwimmbädern das Belästigen von Mädchen und jungen Frauen inzwischen als naturgegeben angesehen wird und als Gegenmaßnahme allein auf den einen Damenschwimmtag pro Woche verwiesen wird.

Wo ist der Aufschrei wegen Kinderehen, Zwangsheiraten und Ehrenmorden?Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Immerhin kann ich mich nun für meine sexistische Äußerung gegenüber dem so jugendlich wirkenden Finanzberater von damals entschuldigen, mit dem ich inzwischen seit 14 Jahren verheiratet bin.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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