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Gesellschaft

Mein Deutschland: Mutter, Handy und Tochter

Zhang Danhong
26. Juli 2017

Wenn Zhang Danhong einen Gegenstand in ihrem Haushalt hasst, dann ist es das Handy ihrer Tochter. Dieses kleine Ding hat das Potenzial, das Mutter-Kind-Verhältnis ins Wanken zu bringen. Nun könnte es eine Wendung geben.

Mutter, Tochter und Handy
Bild: Colourbox

Es ist 10.30 Uhr. Ich setze mich an den Schreibtisch und nehme das Handy voller Vorfreude in die Hand. Einen Anruf erwarte ich von meiner 13-jährigen Tochter, die sich gerade in einem Feriencamp befindet. Als wir vorgestern dort ankamen, musste sie ihr Handy sofort abgeben. Jeden Tag zwischen 10.30 und 11.00 Uhr bekommen die Kinder ihr Smartphone zurück und können die Eltern anrufen, lautet die wichtigste Regel im Camp. Wahrscheinlich muss sie erst Schlange stehen und dann nach einer ruhigen Ecke suchen. Gestern rief sie erst um 10.37 Uhr an.

Inzwischen ist es 10.37 Uhr. Ich werde ungeduldig und drücke ihre Nummer. "Der Teilnehmer ist im Moment nicht erreichbar, wird aber per SMS über Ihren Anruf informiert. Vielen Dank für Ihren Anruf. Auf Wiederhören", spricht eine vertraute Frauenstimme. Hat sie die Handyzeit vergessen? Ist das wirklich möglich?

DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V. Glasow/V. Vahlefeld

Ich komme mir etwas seltsam vor. Gerade habe ich die Sorge, dass meine Kleine von der kostbaren halben Stunde keinen Gebrauch macht, wo ich in jüngster Zeit doch so oft gehofft habe, dass sie die Existenz ihres Lieblingsspielzeugs einfach mal ignorieren würde.

Was heißt übrigens in jüngster Zeit? Wenn ich mich recht erinnere, war das Smartphone in den vergangenen drei Jahren der größte Störenfried unseres sonst so harmonischen Familienlebens. Es ist wie ein böser Magier, der es mit immer raffinierteren Tricks schafft, die Aufmerksamkeit meiner Tochter von der Schule, von schönen Büchern und nicht zuletzt von uns Eltern abzulenken.

Vertrauen ist gut…

Das erste Handy haben wir ihr ohne jede Auflage geschenkt. Sie ist ein vernünftiges Mädchen, dachte ich. Das Fernsehgerät ist für sie so gut wie nicht existent, auch den Nintendo-Konsum hatte sie stets im Griff. Doch den Fernseher kann sie nicht in die Hosentasche stecken und mit Nintendo ist sie nicht online. Das Handy ist einfach genial: Man kann nicht nur Spiele spielen, sich Videos anschauen - man ist auch nach der Schule mit der ganzen Klasse in Interaktion, bis man ins Bett geht. Und wahrscheinlich auch noch danach.

Als sie immer später mit den Hausaufgaben fertig wurde, sah ich mich zu Maßnahmen gezwungen. Keine Handynutzung nach 20 Uhr, war die erste Einschränkung. Der erste Einwand ließ nicht lange auf sich warten: "Ich habe die Checkliste für die Mathearbeit in der Schule vergessen, muss die anderen bitten, sie mir per WhatsApp zu schicken." Und schon blieb das verdammte Ding wieder den ganzen Abend in ihrem Zimmer. Es folgten mehr oder weniger heftige Diskussionen.

Dann kam von ihr der Vorschlag, das Handy bei mir abzugeben, wenn sie das Gefühl habe, die Kontrolle darüber zu verlieren. Doch sie hatte so gut wie nie das Gefühl. Nur einmal - vor einer Englischarbeit. Ihre Zeit für die Schule wurde noch knapper, und ich vermisse unsere gemeinsame Lesestunde auf der Couch schmerzlich.

Ich schaue auf mein Handy: 10.47 Uhr. Noch einmal rufe ich sie an - wieder die Frau der Telefongesellschaft, die sich für meinen Anruf bedankt. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen?

…Kontrolle ist besser

Kontrollverlust, Machtlosigkeit und Überforderung - das sind typische Symptome von Eltern, die sich mit internetsüchtigen Pubertieren herumschlagen, habe ich mal gelesen. Wer sich so fühlt, neigt zu Kurzschlussreaktionen. So habe ich das Handy meiner Tochter immer wieder zur Arbeit mitgenommen oder irgendwo in der Wohnung versteckt. Doch anstatt eines Wutausbruchs kamen abfällige Bemerkungen wie "Wer von uns beiden ist eigentlich in der Pubertät?"

Ein Foto der Kolumnistin mit ihrer Tochter aus früheren Zeiten, als sich die Kleine noch mit Mikado begnügteBild: Privat

Als Zeichen des guten Willens ergriff sie dann die Initiative: "Ich gehe nur noch dreimal am Tag ans Handy, jedes Mal für zehn Minuten. Du achtest auf die Zeit." Ich glaube, es war ihr nicht bewusst, wie schnell zehn Minuten verfliegen. Sie bekam dann jedes Mal fünf oder zehn weitere Minuten gratis dazu. Nach zwei Tagen wurde es mir zu blöd, ständig die Uhr anzustarren und die Zeit anzusagen. Außerdem konnte ich das ständige Pling-pling nicht ertragen, wenn das Handy gerade unter meiner Obhut stand. Wie ein wedelnder Hund trachtet es nach Aufmerksamkeit.

Ich gebe zu, es sind nicht nur Nachteile, die mit diesem Teufelszeug verbunden sind. Insgeheim bewundere ich meine Tochter, wie routiniert sie es als Lexikon oder Wörterbuch benutzt. Unsere Family-WhatsApp-Gruppe bereitet mir oft Freude. Und es ist auch praktisch, wenn andere die Hausaufgaben abfotografieren und einem einfach zuschicken.

Soziale Kontakte auch ohne Soziale Medien

Man könnte aber auch versuchen, die Hausaufgaben nicht permanent in der Schule liegen zu lassen. Früher haben wir uns eben etwas mehr auf das Wesentliche konzentriert. Und früher haben wir uns nachmittags draußen zum Spielen getroffen - das war unsere Gruppendynamik und unsere sozialen Kontakte. Dabei waren wir wenigstens an der frischen Luft und hatten Bewegung. Heute hocken die Kinder in ihren abgedunkelten und ungelüfteten Zimmern und sind von der Angst geplagt, offline zu sein.

10.53 Uhr. Noch sieben Minuten Handyzeit für meine Tochter. Nach einem Moment des Zögerns wähle ich die Nummer der Campleiterin und frage, ob alles in Ordnung sei. Zwei Minuten später meldet sich meine Tochter mit einer fremden Nummer: "Mama, der Akku von meinem Handy ist leer. Außerdem habe ich überhaupt keine Lust, dran zu gehen."

Das sind ja ganz neue Töne, aus denen ich nun Hoffnung schöpfe.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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