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Gesellschaft

Mein Deutschland: "Rette einen Hund, iss einen Chinesen"

Zhang Danhong Kommentarbild App
Zhang Danhong
15. März 2017

Diesen Slogan auf den T-Shirts der Leipziger Firma Spreadshirt findet Kolumnistin Zhang Danhong gar nicht lustig. Es ist an der Zeit, mit einem alten Vorurteil aufzuräumen.

Bild: Spreadshirt.com

Wann haben Sie das letzte Mal Hundefleisch gegessen? Ich vergangene Woche. Das Fleisch habe ich schmoren lassen. Zart und würzig, eine echte Delikatesse. Meine Nachbarin wundert sich wahrscheinlich immer noch, wo ihr Vierbeiner geblieben ist.

Nein - das stimmt natürlich nicht! Aber inzwischen ist Sarkasmus fast das letzte Mittel, mit dem ich mich gegen hartnäckige Vorurteile wehre. Dass alle Chinesen Hunde essen, gehört zu der besonders hartnäckigen Sorte.

Seit ich in Deutschland lebe, habe ich gefühlt mindestens zehn Prozent der deutschen Bevölkerung erklärt, dass nur in einer bestimmten chinesischen Provinz so ziemlich alles auf dem Esstisch landet, was sich bewegt, außer Autos und Menschen. Ich schwöre bei Konfuzius, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie Hundefleisch verzehrt habe. Das gilt auch für meine Familie und meine Freunde in Peking. Darüber hinaus habe ich bisher weder in Supermärkten eingepacktes Hundefleisch angeboten bekommen noch in Restaurants auf Speisekarten entsprechende Gerichte gesichtet.

Irgendwann musste ich mich gegenüber meiner Tochter rechtfertigen, da auch sie in der Schule mit solchen Vorurteilen konfrontiert wurde. Da erzählte der Lehrer von den Haien, die vom Aussterben bedroht sind und fügte nonchalant hinzu, "weil die Chinesen Suppe aus ihren Flossen kochen". Wütende Blicke der Mitschüler richteten sich auf sie.

Einfache, aber falsche Logik

Ich tröstete sie und ließ dem Lehrer ausrichten, dass auch bei Vorurteilen etwas mehr Präzision angebracht wäre. So sollten sich die Haie noch mehr vor Japanern in Acht nehmen und die Hunde vor Koreanern. Es half alles nichts. Bald darauf wurde meine Tochter in der Schule als Hundeesserin geächtet, dann folgte der Vorwurf mit den Katzen. Die Kinder bedienen sich dabei einer einfachen Logik: "In China wird (irgendwo) Hundefleisch gegessen. Deine Mutter ist eine Chinesin, also wird bei Euch zu Hause der beste Freund des Menschen verspeist."

DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V. Glasow/V. Vahlefeld

Kinderlogik, die sich auswachsen wird, dachte ich. Weit gefehlt. Dass das Differenzierungsvermögen auch bei manchen Erwachsenen nicht vorausgesetzt werden kann, sieht man nun an Slogans wie "Save a dog, eat a Chinese" ("Rette einen Hund, iss einen Chinesen") oder "Save a shark, eat a Chinese" ("Rette einen Hai, …"), die der Leipziger Internethändler Spreadshirt auf T-Shirts druckt.

Wie vielen Landsleuten haben wir es zu verdanken, dass wir pauschal als Hundefresser verurteilt werden? Zahlen habe ich nicht gefunden. Ich kann dennoch versichern, dass die überwiegende Mehrheit der Chinesen damit nichts zu tun hat. Eine kleine Umfrage unter meinen Followern bei Weibo (das chinesische Pendant zu Twitter) bestätigt das: "Der Verzehr von Hundefleisch kommt für mich nicht in Frage." "Ich bin Hundehalter, also erübrigt sich die Antwort." "Ich bin Vegetarier…" - Sätze, die ebenso aus deutschem Munde kommen könnten. Einer schrieb: "Bis jetzt habe ich kein Hundefleisch ausprobiert. Aber da wir ohnehin diesen Ruf haben, werde ich das bei nächster Gelegenheit tun."

Auch in China umstritten

"Was ist dann mit dem berühmt-berüchtigten Hundefleisch-Fest in Yulin?", werden einige von Ihnen einwenden. Erstens machen die knapp sieben Millionen Einwohner in der südchinesischen Stadt gerade mal 0,5 Prozent der chinesischen Bevölkerung aus; zweitens beteiligen sich längst nicht alle Bürger an der Hundefleisch-Orgie; drittens wird dieses Fest von einheimischen Aktivisten ebenso heftig bekämpft wie von den Hollywood-Stars.

Diese Vierbeiner sind dem Tod knapp entkommen, da sie Aktivisten von Hundehändlern abgekauft habenBild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Nebenbei bemerkt halte ich den Hundefleisch-Konsum nicht für verwerflicher als den Verzehr von Schwein, Rind, Pferd, Kaninchen oder Lamm. Apropos Lamm: Meine Follower haben allerlei neue Vorschläge für Spreadshirt gemacht, zum Beispiel "Rette ein Lamm, töte einen Türken". Was passierte wohl, wenn die Leipziger diese Idee tatsächlich umsetzen würden? Angela Merkel wäre wahrscheinlich die Erste, die sich zu Wort melden würde: "So etwas ist in der jetzigen angeheizten Stimmung nicht hilfreich." Und die deutschen Gerichte würden mit Klagen wegen Volksverhetzung überschwemmt. Aufgebrachte Türken und die aufrichtigen deutschen Konsumenten würden den Internethändler boykottieren. Ich wette, dass die T-Shirts geräuschlos verschwinden würden.

David gegen Goliath

Nun aber steht Spreadshirt als strahlender Held da, der sich getraut hat, sich mit dem mächtigen China anzulegen. Die Forderung der chinesischen Botschaft, die T-Shirts mit den beleidigenden Motiven aus dem Sortiment zu nehmen, lehnte das Startup-Unternehmen ab mit der Begründung der Kunstfreiheit. Der Streit beschert den Ostdeutschen sogar die Aufmerksamkeit der "Bild-Zeitung", die ihren Bericht darüber mit einer weiteren Beleidigung der Chinesen betitelt: "Zu fleche Splüche".

Das hat mich fast mehr geärgert als die dämlichen Shirt-Slogans. Das Rollen mit der Zunge ist uns Chinesen nun mal fremd. Ich habe damals jeden Morgen beim Zähneputzen mit dem Wasser gegurgelt, bis einen Monat später es auf einmal ohne Wasser klappte - wie ein kleines Kind habe ich mich gefreut! So geht es vielen Chinesen, die sich auf das Abenteuer der deutschen Sprache eingelassen haben. Diese Mühe verdient Anerkennung und keine Häme. Und Chinesen-Witze sollten auch lieber uns überlassen werden, denn dann sind sie wenigstens lustig. "Ein Chinese kommt auf die Bühne: Übellaschung – rrrrrrrrrrrrrrrrrr."

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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