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Gesellschaft

Mein Deutschland: Frühlingsfest und Karneval

Zhang Danhong
8. Februar 2018

In China beginnt mit dem Frühlingsfest das Jahr des Hundes, im Rheinland wird Karneval gefeiert. Es ist nicht nur die zeitliche Nähe, die beide Feste miteinander verbindet, findet Kolumnistin Zhang Danhong.

China Frühlingsfest in Beijing
Bild: picture alliance/dpa

Irgendwann im Laufe des Jahres fragt sich jeder rheinische Jeck und jeder Chinese, wann denn nächstes Jahr Karneval beziehungsweise Frühlingsfest ist. Denn im gregorianischen Kalender haben beide Feste kein fixes Datum. Beide variieren zwischen Ende Januar und Anfang März, manchmal exakt, manchmal vage identisch. Hüben wie drüben ist es nämlich der Mondkalender, der den Termin setzt.

Carl Friedrich Gauss, der nach eigenen Angaben eher rechnen als sprechen gelernt haben soll, hat vor über 200 Jahren berechnet, dass der Aschermittwoch als erster Tag der Fastenzeit nach Karneval immer 46 Tage vor Ostersonntag liegt. Dieser wiederum fällt stets auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Klingt kompliziert, ist aber einfach zu rechnen.

Der Mond setzt den Termin

Auch das Frühlingsfest - das chinesische Neujahr - richtet sich nach dem Mondkalender, der das ganze Jahr in zwölf Mondmonate mit jeweils 30 Tagen teilt. Alle drei Jahre schiebt sich ein Schaltmonat dazwischen. Fällt laut dem Mondkalender der Frühlingsbeginn auf die erste Hälfte eines Mondmonats, wird der Neumond desselben Monats zum Frühlingsfest; beginnt der mondkalendarische Frühling in der zweiten Hälfte eines Monats, wird der Neumond des Folgemonats zum chinesischen Neujahr. Klingt kompliziert, ist aber noch einfacher zu berechnen als Karneval. In beiden Fällen hilft auch einfach googlen (oder im chinesischen Pendant baidu nachschlagen).

Beide Feste sind elastisch, sprich: Sie können je nach persönlicher Vorliebe ausgedehnt oder knapp gehalten werden. Für viele in Deutschland hat die närrische Zeit ja bereits am 11. November begonnen, der in China übrigens als Singles' Day gilt und vor ein paar Jahren vom Onlinehändler Alibaba zu einem riesigen Shopping Event aufgeblasen wurde.

So könnten auch Darsteller einer Peking-Oper aussehenBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Chinesen werden traditionsbewusster

Auch auf das Frühlingsfest kann sich ordentlich eingestimmt werden, zwar nur drei Wochen lang und nicht drei Monate, dafür aber intensiver und auf das Kulinarische fokussiert: Ab dem Tag, der im gregorianischen Kalender dem 8. Dezember im Verhältnis zu Neujahr entspräche, kochen die Mütter einen leckeren Brei mit Bohnen, Rettich, Erdnüssen, Fleischwürfeln oder anderen Zutaten. Das kleine Frühlingsfest wird acht Tage vor Neujahr (dieses Jahr am 8. Februar 2018, an Weiberfastnacht) begangen. Dem Gott der Küche wird buchstäblich Honig um den Bart geschmiert, damit er im Himmel nur Gutes über die Familie berichtet. Die ganzen Wanderarbeiter bemühen sich, vor diesem Tag in die Heimat zurückzukehren. Den Folgetag habe ich als Kind gehasst: der Tag des Großputzes. Danach nimmt die Fressorgie langsam Fahrt auf. Vier Tage vor Neujahr wird beispielsweise ein Huhn geschlachtet. Als Kind bin ich immer weggelaufen, wenn meine Oma dem armen Huhn an die Kehle ging. Dieses Ritual ist heute aus Chinas Großstädten weitestgehend verschwunden, was nicht bedeutet, dass die Chinesen weniger traditionsbewusst werden. Im Gegenteil, alte Feste und Gebräuche feiern seit einigen Jahren ein Comeback nach dem anderen.

Sowohl das Frühlingsfest als auch der Karneval blicken auf eine Geschichte von mehreren tausend Jahren zurück. Böse Geister und die Winterkälte sollten mit Lärm und Masken vertrieben werden. Das Erwachen des Frühlings wird ausgelassen gefeiert - hier im Straßenkarneval, dort auf Märkten in Tempelanlagen. Für kurze Zeit herrscht das Gleichheitsprinzip. Der Untertan wird dem Herrscher gleichgestellt. Die Weiber im Rheinland übernehmen sogar die Rathäuser für einen Tag. Von den chinesischen Kaisern war einst die Kunst des Dichtens und der Kalligraphie gefordert: Für ihren Hofstaat schrieben sie Neujahrsverse auf oder von anderen ab, die dann von den Untertanen an die Haustüren aufgehängt wurden. Auch die Politiker heute glänzen im Karneval gern mit Bildung und tiefgründigem Humor. Hierzulande ist aber eher die Redekunst gefragt - einmal im Jahr müssen die Politiker so mitreißend sprechen, dass Säle voller Narren unterhalten oder - am Aschermittwoch - Bierzelte gefüllt werden.

Mit jedem weiteren Glas sieht die Welt schöner aus

Damit sind wir beim Alkohol angelangt. Trinkfestigkeit ist für beide Feste von Vorteil. Während es hier um die Quantität geht (während des Straßenkarnevals werden 150 Millionen Gläser Kölsch allein in Köln konsumiert), zählt in China eher die Stärke der Getränke (dass Chinesen keinen Alkohol vertragen, ist ein hartnäckiges Gerücht). Alles unter 50 Prozent ist nichts für harte Jungs. Hier wie dort gilt: Je mehr runtergekippt wird, desto lieber hat man einander.

DW-Redakteurin Zhang DanhongBild: V.Glasow/V.Vahlefeld

Während man im Karneval eher völlig fremde Menschen in die Arme schließt, ist das Frühlingsfest in China immer noch eine familiäre Angelegenheit. Am ersten, zweiten und dritten Festtag werden nahe und ferne Verwandte besucht. Dabei erweisen in der Regel Jüngere den Älteren die Ehre. Gemeinsam wird festlich gespeist und mit Hochprozentigem angestoßen. Danach wird oft Mahjong gespielt, gerne um Geld, es bleibt ja alles in der Familie. Früher mussten sich Kinder niederknien und den Kotau machen, nicht nur andeuten, sondern richtig mit dem Kopf auf den Boden knallen. Mein Vater erzählte mir, dass sein Kopf vom Kotau noch Beulen bekam. Belohnt wurde dieser Körpereinsatz mit Barem - dem Geldgeschenk in den roten Briefumschlägen. Der Brauch mit dem Bargeld für die Kinder ist geblieben, der Kotau jedoch längst erlassen.

Lachen gehört einfach dazu

Humor darf bei beiden Festen nicht fehlen. Büttenredner treten in China meistens zu zweit auf. Auch Sketche gehören zu den Highlights der Gala-Abende im chinesischen Fernsehen. Der einzige Unterschied: Politiker werden nicht auf die Schippe genommen - so weit reicht der chinesische Humor nun doch nicht.

Wenn nächste Woche in den Karnevalshochburgen das Fasten beginnt, heißen Chinesen aller Welt das Jahr des Hundes willkommen. Neugeborene tragen dann das liebste Tier der Deutschen als Zeichen. Alle, die im neuen Jahr ein Alter erreichen, das durch zwölf teilbar ist, sind ebenfalls Hunde. Ihnen werden Ehrlichkeit und Loyalität nachgesagt. Und was bringt uns das Jahr des Hundes? Bewegung, Motivation und unkonventionelle Lösungen. Das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was die neue Große Koalition in Deutschland verspricht. Aber wer weiß, für Überraschungen ist Angela Merkel ja immer gut. In diesem Sinne: Alaaf, Helau und alles Gute zu Neujahr! 

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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