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Mein Deutschland: War Adolf Hitler ein China-Fan?

Zhang Danhong Kommentarbild App
Danhong Zhang
28. Januar 2016

So viel Hitler war lange nicht: Film, neue Biographie und die kritische Edition von "Mein Kampf". In China halten sich Gerüchte über seine Sympathie für Chinesen hartnäckig. Kolumnistin Zhang Danhong forscht nach.

Bild: picture-alliance/dpa/Keystone

"Schlecht genährt, hohlwangig mit dunklen Haaren, die ihm ins Gesicht schlugen" und "schäbig gekleidet", so beschrieb ein ehemaliger Mitbewohner in einem Wiener Männerwohnheim Adolf Hitler im Jahr 1910, als er dort als Postkartenmaler sein Dasein fristete. Von seinem späteren politischen Aufstieg in Deutschland ahnte er damals genauso wenig wie seine wenigen Bekannten.

Dann traf er zufällig ein chinesisches Ehepaar namens Cheung, das ihn gleich ins Herz schloss. Er wurde beköstigt und finanziell großzügig unterstützt. Nach der Annexion Österreichs ließ Hitler nach seinen früheren Mäzenen suchen - vergebens. Seine tiefe Dankbarkeit der Familie Cheung gegenüber habe Hitler in seiner Autobiographie zum Ausdruck gebracht. Diese Anekdote wird gerne in chinesischen sozialen Netzwerken erzählt. Im 70. Todesjahr von Hitler fand sie besonders weite Verbreitung.

Der Experte kennt keine Belege

Mir scheint sie allerdings nicht glaubwürdig. In "Mein Kampf" findet sich eine entsprechende Passage jedenfalls nicht. Ich frage den Historiker Peter Longerich, der im vergangenen November eine über tausendseitige "Hitler-Biographie" veröffentlicht hat. Zuvor hatte er bereits die Lebensgeschichten von Himmler und Goebbels zu Papier gebracht. Wenn einer sich mit Hitler und der NS-Diktatur auskennt, dann Peter Longerich. Auf seine wissenschaftlich trockene Art antwortet er: "Ich habe dafür keine Bestätigung gefunden. Aber ganz ausschließen kann man das nicht." Wenn er tatsächlich Kontakte zu einer chinesischen Familie gehabt hätte, hätte er aber wegen seiner rassistischen Einstellung Grund gehabt, das zu verschweigen.

Sachlich und detailreich - die neue Hitler-BiographieBild: Siedler

Denn auch Asiaten hielt Hilter für minderwertig. "Während der NS-Zeit hat es in Deutschland Versuche gegeben, Ehen zwischen Deutschen und Asiaten zu verhindern", so Longerich. Von seiner Abneigung gegenüber den Asiaten machte Hitler nur eine Ausnahme: "Er hat die Japaner als Kriegervolk bewundert." Hinzu seien die strategischen Überlegungen gekommen: Durch eine Allianz mit Japan sollte die Aufmerksamkeit der USA verstärkt auf den pazifischen Raum gelenkt werden. Dadurch erübrigt sich für mich die Mühe, ein anderes Gerücht zu zerstreuen: dass Hitler nämlich die Japaner gar nicht ausstehen konnte und eigentlich ein Bündnis mit den Chinesen bevorzugt hätte.

Ziemlich beste Freunde?

Auch die Internetseite der Volkszeitung, des Parteiorgans der Kommunistischen Partei Chinas, beteiligt sich an der Mythenbildung. Ein Bericht mit der Überschrift "Liebe und Hass zwischen Chiang Kai-shek und Hitler" sorgte für Aufsehen. Der nationalistische Präsident habe deutsche Tugenden angepriesen, seinen jüngeren Sohn nach Berlin geschickt, um von den Deutschen zu lernen. Das mag stimmen. Doch dann stellte der Autor eine spektakuläre These auf: "Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begaben sich beide Länder auf die Hochzeitsreise."

Als Beispiel wurde unter anderem die Entsendung deutscher Militärexperten nach China angeführt. Darunter der ehemalige Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt. Doch dieser Austausch hatte begonnen, bevor Hitler die Macht übernahm. "In Nazi-Deutschland wurden diese Berater nicht als Abgesandte des Reiches gesehen, sondern eher als Einzelgänger", meint Peter Longerich. Dem eher prochinesischen Kurs des Auswärtigen Amtes setzte Hitler ein Ende, als Japan 1937 China angriff. "Hitler und sein außenpolitischer Berater Joachim von Ribbentrop haben sich im japanisch-chinesischen Konflikt auf die Seite Japans gestellt", sagt der Historiker.

Peter Longerich ist ein Kenner der NS-ZeitBild: Leonie Lallemand

Was ist dann mit der von gegenseitiger Zuneigung zeugenden Korrespondenz zwischen dem deutschen Diktator und dem chinesischen Präsidenten, von welcher der chinesische Autor schreibt? Und den kleinen Geschenken zwischen den beiden, die die tiefe Freundschaft erhalten sollten? Wenn Hitler tatsächlich so viel für den antikommunistischen Chiang Kai-shek empfunden hätte, dann hätte er seine Gefühle verdammt tief versteckt. Denn dem Historiker Peter Longerich sind keinerlei prochinesische Äußerungen bei den sogenannten Tischgesprächen zwischen Hitler und seinen Vertrauten bekannt.

Ein Fan chinesischer Kultur?

Ebenso unbekannt ist ihm die Legende von Hitlers Vorliebe für die chinesische Kultur. Demnach sollen sich deutsche Übersetzungen chinesischer Klassiker an seinem Bett gestapelt haben. Besonders angetan soll Hilter von Sunzi gewesen sein, der vor über 2500 Jahren über die Kriegskunst philosophiert hatte. Als Erwin Rommel zum Oberbefehlshaber des deutschen Afrikakorps ernannt wurde, soll ihm Hitler ein Exemplar von Sunzis Strategiebuch mit seinen eigenen Anmerkungen geschenkt haben, was den General zu Tränen gerührt habe.

DW-Redakteurin Zhang Danhong

Aber Gerüchte werden nicht dadurch wahr, dass sie mit zahllosen Details geschmückt werden. Sunzi konnte nicht Hitlers Vorbild gewesen sein, denn der Chinese war ein großer Pazifist. Krieg führe man nur, wenn er sich nicht vermeiden lasse, lautet sein oberstes Gebot. Hätte Hitler nur einen Funken von Sunzis Weisheit übernommen, hätte er Deutschland nicht in den totalen Abgrund geführt.

Geschichtsdefizit

Bleibt die Frage, warum manche Chinesen auf Biegen und Brechen eine Nähe ihres Landes zu Hitler erzeugen wollen? Der Mann mit dem anachronistischen Bart wird vielfach regelrecht bewundert. "In China höre ich immer wieder, dass im Zweiten Weltkrieg ein relativ kleines Land wie Deutschland fast ganz Europa besetzt und besiegt hat. Das sei eine große Leistung gewesen", sagt China-Experte Thomas Heberer. Hinter der Bewunderung steckt seiner Meinung nach der Wunsch nach einem starken Führer, der das Land eint und auf autoritärer Grundlage stark und mächtig macht.

Von den beispiellosen Verbrechen des Nationalsozialismus wissen die Chinesen indes kaum etwas. "Chinesische Schüler wissen nicht mehr über die Hintergründe des Zweiten Weltkriegs als die deutschen über den Opiumkrieg", schreibt Sven Hänke in seinem gerade erschienenen Buch "Nackte Hochzeit: Wie ich China lieben lernte". Auf humoristische Art erzählt der ehemalige DAAD-Lektor von seinen Erlebnissen im Reich der Mitte. "Wenn man einem Taxifahrer erzählt, dass man aus Deutschland kommt, dann sagt er meist: 'Deutschland gut. Fußball gut. Hitler gut.' Ich antworte dann immer: 'Hitler nicht gut. Hitler böse. Fußball gut.'" Am besten sollte er noch hinzufügen: "Hitler, Japan, Freunde." Denn dass sich das vermeintliche Idol ausgerechnet mit dem historischen Erzfeind Chinas verbündet hat, müsste auch seinen chinesischen Fans die letzte Illusion rauben.

Bild: rowohlt Berlin

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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