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Reise

Mein erstes Mal auf dem Oktoberfest

Hallie Rawlinson
1. Oktober 2018

Einmal auf dem Oktoberfest in München sein! Das steht für viele auf ihrer Wunschreiseliste. DW-Reporterin Hallie Rawlinson hat sich diesen Traum erfüllt, hier ihr Bericht vom größten Volksfest der Welt:

Deutschland Oktoberfest in München
Bild: DW/H. Rawlinson

Ich bin US-Amerikanerin und lebe seit zwei Jahren in Deutschland. Ich kann mir gut vorstellen, welches Bild sich meine Freunde zu Hause über mein Leben hier machen: wie ich jeden Tag aufstehe, mein Dirndl anziehe und an Fachwerkhäusern vorbei laufe, während ich eine Brezel esse und zur Arbeit gehe.

Aber Berlin ist weit weg vom traditionsreichen Süden Deutschlands, ich habe noch nie in meinem Leben ein Dirndl getragen. Und ich würde wahrscheinlich irritierte Blicke ernten, wenn ich in einer bayerischen Tracht ins Büro kommen würde.

Das Oktoberfest - in Kopie

Sicher, ich war schon mal auf einem Oktoberfest:  in Ohio oder Florida, wo jeder entweder ein Lederhosen-T-Shirt oder ein Biermädchen-Halloween-Kostüm trägt.

Echtes Oktoberfest-Food: Hendl mit Kartoffelsalat, eine perfekte Kombi aus cremig und salzig. Lecker!Bild: DW/H. Rawlinson

Die Amerikaner lieben es, an der Kultur ihrer Vorfahren festzuhalten und die anderer zu erleben. Besonders, wenn es sich bei diesen Festen ums Essen und Trinken dreht, wie etwa beim St. Patrick's Day.

Rund 44 Millionen Amerikaner haben deutsche Wurzeln, da erscheint es nur folgerichtig, dass bei vielen eine Reise zum "echten" Oktoberfest in München auf ihrer To-Do-Liste steht. Ich fühlte mich also mehr als bereit, jetzt, nach zwei Jahren in Deutschland, an meinem ersten Oktoberfest teilzunehmen.

Das Outfit ist alles

Die erste Herausforderung lautet: Besorg Dir ein Dirndl! Ich war schockiert, als ich feststellte, dass so ein traditionelles Outfit zwischen 90 und 900 Euro kostet. Ich will gar nicht wissen, was die Designer-Versionen, die man an deutschen Promis auf dem Oktoberfest sieht, so kosten. Immerhin, ein anständiges Dirndl kann man schon um die 200 Euro bekommen.

Ich fand mein Kleid online - und verliebte mich sofort: ein altrosa Dirndl mit einer süßen Spitzenschürze, gebunden mit einer schönen rosa Schleife. Dazu eine weiße Bauernbluse, eine Blumenkrone und ein Samtkragen aus dem Kaufhaus vervollständigten meinen Look. Ich habe gelernt, dass fast jeder auf der "Wiesn" – so nennen die Einheimischen das Oktoberfest - ein Dirndl oder eine Lederhose trägt und dass dies den Spaß wesentlich erhöht. Man muss sich nicht das teuerste Outfit kaufen, aber in Jeans fühlt man sich schnell als Außenseiter.

Das Marstall-Zelt ist genauso farbenfroh und bunt wie sein Publikum.Bild: DW/H. Rawlinson

Eine Welt-Party

Schon das Anziehen meines Dirndls stimmt mich auf die Party im bayerischen Stil ein. Als ich mich auf den Weg zum Oktoberfest mache, sehe ich, wie viele Menschen aus aller Welt sich darüber freuen, sich für einen Tag als Bayer oder Bayerin zu verkleiden.

Was das Oktoberfest in München von den amerikanischen Versionen unterscheidet, ist die Authentizität. Die Einheimischen lieben ihre Traditionen und es macht sie stolz zu sehen, wie viele Menschen von weither anreisen, nur um diese Traditionen einmal mitzuerleben. Und es sind weiß Gott viele Reisende!

Ich begegne einer Gruppe Zwanzigjähriger aus Südkorea, die direkt vom Flugzeug zum Oktoberfest gekommen sind. Und einer Familie mit zwei kleinen Kindern aus Pennsylvania und einen Mann aus Peru, der seine deutsche Freundin besucht.

Dieses nette Paar aus München kommt seit über 40 Jahren auf die Wiesn.Bild: DW/H. Rawlinson

Andere aber mussten gar nicht weit anreisen. Ich spreche mit einem Paar aus München, das seit 40 Jahren jedes Jahr gemeinsam auf die Wiesn geht. Sie teilen die Freude an ihren Lieblingsattraktionen: eine 150 Jahre alte Zaubershow, bei der ein Zuschauer "den Kopf verliert" und ein Karussell, das klassische bayerische Volkslieder spielt. Ihr bester Ratschlag für ein authentisches Oktoberfest-Erlebnis lautet: Drängele dich in einem der großen Bierzelte an einen Tisch und finde neue Freunde!

Neue Freunde

Es ist bekanntlich schwer, einen Platz in einem der Bierzelte zu ergattern. Sie werden bis zu einem Jahr im Voraus gebucht, und man wird nur bedient, wenn man einen Sitzplatz gefunden hat.

Aber meine Erfahrung ist: wenn man allein oder zu zweit unterwegs ist und höflich fragt (Das Oktoberfest ist definitiv kein Ort, um schüchtern zu sein!), dann rücken die Leute am Tisch zusammen und machen Platz. Ich tue genau das und schließe den ganzen Tag internationale und bayerische Freundschaften.

In jedem Zelt spielt eine Band eine spezielle Mischung aus Volksliedern und deutschen Partyhits. Meine Tischgenossen und ich unterhalten uns, lachen und versuchen, die Lieder mitzusingen. Ich kämpfe mich mit meinen ausländischen Nachbarn durch die traditionelleren Lieder. Und hebe mein Glas für ein "Prost", genau wie alle andere es tun. (Nicht vergessen: Augenkontakt mit allen Zuprostern aufnehmen!)

Wirklich lustig finde ich den Moment, in dem die Band eine Strophe von "Country Roads" von John Denver anstimmt und alle perfekt mitsingen. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn man sich in einem Zelt mit tausenden Menschen fühlt wie inmitten einer riesigen Gruppe von Freunden. Besonders, wenn es sich bei dem Lied um einen Ort in der Nähe von deinem Zuhause handelt.

Bayerische Spezialitäten

Nachdem ich mir einen Platz am Tisch gesichert habe, kann ich auch ein paar der bayerischen Gerichte probieren. Ich studiere die Speisekarte und bestelle ein "Hendl" (gebratenes halbes Huhn) und "Käsespätzle" (deutsche Nudeln mit Käse). Und: ich bekomme ein Festessen! Beides ist sehr üppig und deftig, dabei unglaublich lecker und passt perfekt zum Bier.

Ich hebe meine Mass zum "Oans, zwoar, g'suffa" Trinkspruch. Prost!Bild: DW/H. Rawlinson

Ich merke, wie wichtig es ist, eine ordentliche Grundlage für das Bier zu schaffen. Denn das Oktoberfestbier wird extra stark gebraut, und in ein "Mass"-Glas passt ein ganzer Liter. Also trinkt langsam, denn von euch wird erwartet, dass ihr jedes Mal einen Schluck nehmt, wenn ihr "Oans, zwoa, g'suffa!" hört. (Was ungefähr alle 10 Minuten passiert, um euch zum Trinken zu animieren.)

Fazit: Ich kann nur jedem empfehlen, einmal zum Oktoberfest zu fahren. Mit all den Traditionen, die ich kennen gelernt habe, mit den Freundschaften, die ich geschlossen habe - und mit den Fotos, die meinen Freunden zu Hause beweisen: *in der Tat* ich lebe in Deutschland! – war es die Reise wert. Prost!