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Politik

Das unmögliche Kommunismus-Museum

Ivaylo Ditchev
10. November 2019

Drei Jahrzehnte nach dem Sturz von Diktator Schiwkow streitet Bulgarien über ein Museum des Kommunismus. In den ehemaligen Ostblock-Staaten gibt es sehr unterschiedliche Modelle der Erinnerung, schreibt Ivaylo Ditchev.

Ivaylo Ditchev
Bild: BGNES

So seltsam es auch anmuten mag: In bulgarischen Ausstellungen zum Thema Geschichte ist heutzutage mehr zu sehen über die sagenumwobenen Thraker der Antike als über den sowjetischen Sozialismus, der das Leben im heutigen Bulgarien so stark geprägt hat.

Doch wie sollten wir uns an den Kommunismus erinnern? Es gibt sehr unterschiedliche Modelle. Junge Demokratien tendieren oft dazu, die Schrecken der totalitären Gewalt zu betonen, wie beispielsweise im Museum der Kommunistischen Geschichte in Prag, dem Terror-Museum in Budapest, dem Gulag-Museum in Moskau oder jenem Museum in Vilnius, das an die Opfer der kommunistischen Massenmorde erinnert. Der Besucher sieht Gefängniszellen, Verhör- und Folterszenen und Fotos der Opfer, er liest und hört die Geschichten der Überlebenden. Solche Museen werden zu Orten der Trauer, dienen aber auch der politischen Legitimation der neuen Eliten.

Terror, Glorifizierung oder skurrile Komik? 

Es gibt auch das Gegenteil: Museen, die die Vergangenheit glorifizieren, wie jenes in Belgrad, der Hauptstadt des blockfreien Jugoslawien, oder in Hanoi, wo der mutige Kampf gegen die USA im Mittelpunkt steht. Dazu gehören auch die Mausoleen von Lenin und Mao oder der neuere kommunistische "Freizeitpark" im chinesischen Wuhan. Aus der Sicht eines souveränen Imperiums scheinen sogar Massenmorde eine andere Bedeutung zu bekommen.

Gulag-Museum in Moskau: Erinnerung an die Schrecken der Diktatur Bild: DW/E. Baryschewa

Es gibt noch eine dritte Art der Museen: Jene, die die dürftigen und übereilten Modernisierungen des Kommunismus auf spielerische Weise als exotisch darstellen. Das DDR-Museum in Berlin zeigt beispielsweise kuriose Alltagsgegenstände, hässliches Spielzeug, alte Süßigkeitenmarken oder die legendären Ampelmännchen. In Warschau kann man rekonstruierte Wohnungen aus der kommunistischen Zeit bestaunen und die materielle Welt von damals mit heute vergleichen. In Statuen-Parks wie jenem in Budapest entsteht ein komisch-surrealer Effekt durch die Vervielfältigung von ähnlich pathetischen ideologischen Denkmälern, die nebeneinander gestellt werden. Solche Museen werden meistens dafür kritisiert, dass sie die kommunistische Ära normalisieren und moralische Urteile durch Humor ersetzen. Schließlich gibt es nichts Verbrecherisches am ostdeutschen "Trabi" oder am bulgarischen Paprika-Röster "Tschuschkopek", der im nationalen Fernsehen zur "bulgarischen Haushaltsrevolution des 20. Jahrhunderts" gewählt wurde.

Für einige war es immer zu früh, für andere zu spät 

Auch durch Kunst wird die Erinnerung an den Kommunismus aktiviert. In der Vergangenheit boten künstlerische Aktionen einen indirekten Weg, um über das Regime zu spotten. Ein großartiges Beispiel war die sowjetische "Soc-Art": Sie spielte mit Gegenständen der Propaganda, ähnlich wie die Pop-Art mit jenen der Konsumgesellschaft. An Orten, wo die Vergangenheit nicht komplett vergangen scheint, versuchen heutzutage einzelne Künstlergruppen, die moralische Apathie zu überwinden. Die exotischen Bunker des Diktators Enver Hodscha in Albanien werden für verschiedene Performances genutzt. Auch in Ceausescus "Palast des Volkes" in Bukarest befindet sich, unter anderem, ein Museum für zeitgenössische Kunst. Die früheren Räume der Macht werden durch eine ästhetische Blasphemie sichtbar gemacht, sie lösen neue Debatten aus. Trotzdem ist dieser künstlerische Gestus sehr weit entfernt von dem historischen Narrativ, das man von einem Museum erwarten würde. 

Bulgarien zögerte sehr lange und konnte sich für keinen dieser verschiedenen Museums-Typen entscheiden. Es hat keine ernstzunehmende Gedenkstätte für die kommunistische Epoche geschaffen, denn für einige war es immer zu früh und für andere zu spät. 

Ehemalige Kommunisten sind immer noch präsent in der Politik 

Ein Terror-Museum konnte nicht Gestalt annehmen, weil die ehemaligen Kommunisten bis heute eine zentrale Rolle in der bulgarischen Politik spielen. Das einzige große anti-kommunistische Ritual war die Sprengung des Mausoleums von Georgi Dimitroff (einem führenden kommunistischen Funktionär in Bulgarien zur Zeit des Stalinismus), die zu Wut und Spott führte. Im Vergleich zu anderen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang gab es in Bulgarien relativ wenige Todesopfer des Kommunismus, beispielsweise kam es hier nicht zu Massenprotesten und deren gewaltsamer Niederschlagung wie in Ungarn 1956 oder in Prag 1968. Andererseits gestaltete sich der politische Übergangsprozess in den 1990er-Jahren schwieriger als in vielen anderen ehemaligen Ostblock-Staaten. Die Erinnerungen an den Terror der Anfangszeit des kommunistischen Regimes verschwammen und wurden von jenen an neuere Traumata überschattet. 

Die "souveränistische" Version des Kommunismus passt am allerwenigsten zu Bulgarien, das als engster Satellit der Sowjetunion bekannt war. Heute ist sogar bekannt, dass Diktator Schiwkow zwei Mal vorgeschlagen hat, sein Land solle ein Teil der Sowjetunion werden. Glücklicherweise lehnte Moskau das ab. Das Geburtshaus des Diktators ist eines der wenigen Museen in Bulgarien die, wenn auch sehr vorsichtig, ein positives Licht auf die kommunistische Zeit werfen. 

Todor Schiwkow regierte Bulgarien mehr als drei Jahrzehnte lang als treuer Verbündeter der Sowjetunion Bild: picture-alliance / dpa

Unbeholfene Kompromisse und falsch verstandene Ironie

Die Alltagsversion des Sozialismus wird in Bulgarien auch von mehreren Amateuren präsentiert, auf der Basis ihrer Sammlungen von Nostalgie-Gegenständen. Einige davon sind zu kommerziellen Projekten geworden, wie dem Retromuseum oder dem "Roten Appartement", wo man witzige Geschichten über die sehr bescheidenen Dinge hört, die eine durchschnittliche bulgarische Familie damals besaß. Solche Ausstellungen richten sich an ausländische Touristen, deren schriftliche Kommentare im Gästebuch darauf deuten, dass sie die Ironie nicht verstanden haben. Sie schreiben zum Beispiel: "Venceremos! Lang lebe der Kommunismus!" Wieso kommen aber so wenige Bulgaren in solche Ausstellungen? Die Eintrittskarten sind sehr teuer und die gezeigten Gegenstände gehören immer noch zum Alltag vieler Bürger, also dürfte es schwierig sein, eine ästhetische Distanz zu den Exponaten zu bewahren. 

Das einzige staatlich subventionierte Museum in Sofia widmet sich der Kunst der sozialistischen Zeit: Es vereint Propaganda und Werke von hoher Qualität, Maler aus der Nomenklatura und Opfer des Regimes. Ein unbeholfener Kompromiss: Das Museum wurde für seine fehlende Einheitlichkeit und Zielorientierung kritisiert. 

Nun will Sofia ein Modell aus Rumänien nachahmen und ehemalige Räume der Macht - in diesem Fall die Tunnel unter einem alten kommunistischen Mausoleum - in einen Kunstraum verwandeln. Das Hauptargument ist, dass möglichst viele Touristen kommen werden. Ist es nicht eine seltsame Art der Erinnerung, das Erinnern eines anderen zu imitieren? Im Grunde genommen werden all diese Erinnerungsprojekte in den post-kommunistischen Ländern auf mimetische Weise verwässert. Bulgarien ist ganz hinten in der Reihe. Es ist ihm nicht gelungen, sich seiner Vergangenheit alleine zu stellen. Deshalb sieht es sich ängstlich um, um Erinnerungsmodelle von anderswo auszuleihen. 

Ivaylo Ditchev ist Professor für Kulturanthropologie an der Universität Sofia in Bulgarien. Er hat unter anderem in Deutschland, Frankreich und den USA gelehrt.

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