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Politik

Mein Europa: Gott und die Maske

2. November 2020

In Griechenland nehmen viele Priester und Bischöfe das Coronavirus nicht ernst. Notfalls muss der Staat die Griechisch-Orthodoxe Kirche zwingen, ihre Gemeinden zu schützen, meint Kaki Bali.

Mit brennenden Kerzen in der Hand
Bild: AP

Dieses Virus scheint rachsüchtig zu sein. Besonders gegenüber jenen Leuten, die nicht an seine Existenz glauben oder COVID-19 als "leichte Grippe" bezeichnen. Beispielsweise haben sich die Corona-Relativierer Jair Bolsonaro und Donald Trump, die Präsidenten Brasiliens und der USA, angesteckt. Letzteren könnte das Coronavirus womöglich um seine Wiederwahl bringen.

Unter der Rachsüchtigkeit des Virus leiden auch diejenigen Geistlichen der Griechisch-Orthodoxen Kirche, die seit Monaten lautstark behaupten, dass man sich während des Gottesdienstes nicht anstecken kann. So etwa Theoklitos, der Bischof von Ierissos, des Berges Athos und Adrameni, der seit Anbeginn der Pandemie immer wieder verkündete, dass der Glaube ihn schütze. Und dass man daher keine Maske und keine Abstandsregeln brauche. Mehrfach forderte Theoklitos sogar die Ärzte auf, ihn zu testen, um festzustellen, dass er durch die Heilige Kommunion geschützt sei.

Positiv nach einer feierlichen Messe

Nun wurde Theoklitos positiv auf COVID-19 getestet. Und zwar, nachdem er am 26. Oktober den Festgottesdienst zu Ehren des Heiligen Demetrios, des Schutzpatrons von Thessaloniki, zelebriert hatte. Ohne Maske und Abstandsregeln, wie jeder im Fernsehen beobachten konnte. Und in Anwesenheit der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou.

Verkehrskontrolle in Athen: In Griechenland herrscht MaskenpflichtBild: Giannis Panagopoulos/ANE Edition/Imago Images

Das positive Testergebnis wurde am Samstag in einer Erklärung der Bischofskonferenz, dem Leitungsgremium der Griechisch-Orthodoxen Kirche, bekannt gegeben und löste bei den anderen sieben Bischöfen, die an dem Gottesdienst teilgenommen hatten, Panik aus.

Sie sind alle eher alt, sie standen lange ohne Maske neben Theoklitos und sie erhielten die Heilige Kommunion aus ein und demselben Löffel, so, wie es in der Griechisch-Orthodoxen Kirche üblich ist.

Alarmstufe Rot

Nun eilen der Klerus und die Gläubigen plötzlich in die Privatkliniken Thessalonikis, um sich testen zu lassen. Aber die Testkapazitäten in der nordgriechischen Metropole sind knapp, da in der Stadt und ihrer Umgebung seit zehn Tagen die oberste Corona-Alarmstufe gilt, also Stufe Rot.

Dadurch wurde zwar die Bewegungsfreiheit für die Einwohner erheblich eingeschränkt. Sogar auf leeren Promenaden musste man mit Maske gehen.

Doch für die Kirche gibt es wie üblich Ausnahmeregelungen, siehe den Festgottesdienst. Die jetzige konservative Regierung traut sich nicht, den Priestern die Stirn zu bieten, so wie es bisher auch sonst keine griechische Regierung gewagt hat.

Kampf gegen die Rationalität

Demonstrationen von Corona-Gegnern, wie sie beispielsweise in der Bundesrepublik stattfinden, kennt Griechenland nicht. Den Widerstand gegen das Rationale führt meistens die Kirche an. Natürlich gibt es durchaus viele rationale Priester, die sich um die Gesundheit ihrer Gemeinde sorgen. Doch ebenso viele behaupten genau wie Theoklitos, dass Gott schütze. Und also der Gläubige auch nichts zu tun brauche, um sich und seine Mitmenschen zu schützen. Manche Geistliche meinen sogar, dass die Gläubigen nichts tun dürfen - sonst sei ihr Glaube nicht echt.

Gläubige müssen auch innerhalb der Kirche eine Schutzmaske tragenBild: Reuters/A. Vaganov

Nach dem positiven COVID-19-Test von Bischof Theoklitos gab seine Diözese schließlich zum ersten Mal eine Erklärung ab, in der sie die Gläubigen aufforderte, innerhalb und außerhalb der Kirchen eine Maske zu tragen - und für den Bischof zu beten.

Rational betrachtet, könnte man sagen: Gott schützt diejenigen Gläubigen, die sich selbst und ihre Mitmenschen schützen. Doch eine solche Aussage möchte die Diözese nicht machen. Womöglich ist sie theologisch tatsächlich falsch. Doch darum geht es nicht. Es geht darum, dass sich immer noch zu viele Priester und Bischöfe weigern, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Kirchenleitung sollte diejenigen ihrer Amts- und Würdenträger, die mit der Gesundheit der Gläubigen spielen, isolieren. Tut sie das nicht, was wohl der Fall sein wird, wäre der Staat an der Reihe. Die Regierung sollte die Kirchen wieder schließen, so wie im Frühjahr - egal, wie weh es politisch tut.

Schade, dass man die Kirche zwingen muss, ihre Gemeinden zu schützen.