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Politik

Orbán als Test für die Konservativen

Krsto Lazarevic
13. April 2018

Nun sag, wie hältst Du’s mit Viktor Orbán? Das ist die aktuelle Gretchenfrage, die anständige Konservative von stumpfen Rechtspopulisten scheidet, meint Krsto Lazarevic.

Krsto Lazarevic
Bild: Privat

Sind ihnen eigentlich die gravierenden Ähnlichkeiten zwischen Bayern und Ungarn aufgefallen? Die Lage in Zentraleuropa, eine vergleichbar große Fläche, ähnlich viele Einwohner. Wahlen werden zwar abgehalten, aber man weiß vorher schon, wer gewinnt. Politik und Wirtschaft sind, um es freundlich auszudrücken, sehr eng miteinander verbunden.

Bei diesen Ähnlichkeiten ist es kein Wunder, dass die Regierungsparteien CSU und Fidesz beste Kontakte pflegen und sogar mit denselben Themen Wahlkampf machen: Grenzen dicht für Flüchtlinge und die Betonung der eigenen nationalen Identität auf dem Rücken von Minderheiten. Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, ließ es sich nicht nehmen, Viktor Orbán nach seinem Wahlsieg für dessen "bürgerlich-konservatives Programm" zu gratulieren.

Dieses Programm bestand in den vergangenen Jahren daraus, EU-Gelder in die Taschen von Orbáns Freunden zu lenken, die Demokratie abzubauen, gegen die EU und Minderheiten zu hetzen sowie die Pressefreiheit zu Grabe zu tragen. Wenn das als "konservativ-bürgerlich" durchgeht, dann bleibt zu hoffen, dass die bayrische Provinzpartei in Deutschland nicht zu viel an Einfluss gewinnt.

Eine unheilvolle Allianz

Natürlich wissen seine Fans in der CSU, dass Orbán kein lupenreiner Demokrat ist - es stört sie nur nicht. Denn Orbán wurde aus einem ganz anderen Grund zum Liebling der CSU und der Rechtsaußenpolitiker in der CDU: Ihn für seine restriktive und menschenrechtlich fragwürdige Abschottungspolitik zu loben, ist ein billiger Weg, Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren, ohne ihren Namen nennen zu müssen. Wer Orbán für seine Flüchtlingspolitik lobt, sagt im Subtext nämlich auch, Deutschland hätte überhaupt nicht so viele Geflüchtete ins Land lassen und Angela Merkel hätte niemals "Wir schaffen das" sagen dürfen. 

In Eintracht: CSU-Parteichef Horst Seehofer (li.), mit dem Ministerpräsidenten von Ungarn, Viktor Orbán (Mitte), und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (re.)Bild: picture-alliance/dpa/A. Geber

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn war sich nicht zu blöd, wenige Tage vor den Ungarnwahlen zu verlautbaren: "Bei aller Kritik an Viktor Orbán: Er setzt an der Grenze europäisches Recht um und sichert Europas Grenze." Man muss es in dieser Deutlichkeit sagen: Einem Teil der Unionspolitiker ist die Aushöhlung der Demokratie in einem EU-Mitgliedsstaat egal, solange der autoritäre Herrscher vor Ort die Drecksarbeit an der EU-Außengrenze erledigt.

Noch schlimmer ist, dass die deutschen Unionsparteien den offen antisemitischen Wahlkampf von Viktor Orbán kritiklos haben durchgehen lassen. Der CSU ist es natürlich sehr wichtig Antisemitismus zu bekämpfen. Aber eben nur den Antisemitismus von Muslimen, Linken und Ausländern - natürlich nicht den Antisemitismus der eigenen Partner. Der wird einfach totgeschwiegen oder dreist geleugnet.

Vielleicht sollte der CSU-Heimatminister Horst Seehofer mal ein längeres Gespräch mit dem soeben neu ernannten Antisemitismusbeauftragen Felix Klein führen. Der könnte ihm dann vielleicht erklären, dass es antisemitisch ist, wenn im Zentrum von Orbáns Wahlkampf ein jüdischer Milliardär steht, der angeblich aus dem Hintergrund die Fäden ziehe und den ungarischen Volkskörper zersetzen wolle.

Angst vor den Wählern

Das schlimmste ist aber, dass sich die CSU für den bayrischen Wahlkampf die Strategien von Orbán zu eigen macht. Spielen wir doch das "Wer hat es gesagt?-Spiel". Folgende vier Sätze stammen entweder vom Alexander Dobrindt oder vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán: 

"Fakt ist: Multikulti ist gescheitert!"

"Politische Korrektheit ist keine Heimat"

"Fakt ist: Der Islam gehört, egal in welcher Form, nicht zu diesem Land."

"Fakt ist: Das Kruzifix steht für die christliche Werte, die unsere Rechtsordnung prägen - das Kopftuch nicht."

Und, wer hat es gesagt? Fakt ist: Alle diese Sätze hat Alexander Dobrindt in den vergangenen Wochen auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Und Fakt ist auch, dass sie genauso gut von Viktor Orbán stammen könnten. 

Es gibt sehr viele Politiker und Mitglieder in den deutschen Unionsparteien, die solche Aussagen und Orbáns Politik ablehnen - allen voran Angela Merkel. Doch die anständigen Konservativen sind derzeit sehr leise, weil sie Angst vor den Wählern und einer Stärkung der rechtspopulistischen AfD haben.

Die Farbe bekennen

Angela Merkel wird seit Beginn ihrer Kanzlerschaft 2005 vorgeworfen, die Wählerinnen und Wähler mit ihrem ruhigen und pragmatischen Politikstil einzuschläfern. Suche nach Kompromissen, keine Gruppen zu sehr erzürnen und wenn unpopuläre Politik gemacht werden muss, wird das auf alternativlose Sachzwänge zurückgeführt, nicht auf eigene ideologische Überzeugungen.

Offener Antisemitismus in Ungarn: "Lass nicht zu, dass am Ende Soros lacht!" hieß es auf Plakaten im ganzen LandBild: AFP/Getty Images

Doch seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 ist es in Deutschland mit dem wegmoderieren von ideologischen Unterschieden vorbei. Die Rechtsaußen-Konservativen werden immer lauter und klingen immer mehr nach den Rechtspopulisten. Inzwischen fordern diese offen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und natürlich das Ende und Zurückdrehen von Merkels Flüchtlingspolitik. 

Ob unsere Demokratien kippen oder nicht, hängt davon ab, ob Konservative sich auf den Hass von Rechtsaußen einlassen, oder ob sie standhaft bleiben. Wir haben erlebt, wie die Konservativen in den USA Trump als Präsidenten möglich machten. Wir haben gesehen, wie der einst liberale Orbán die "illiberale Demokratie" in Ungarn ausrief und wie die Konservativen in Österreich erst das Programm der rechtsextremen FPÖ kopierten und später mit ihnen koalierten. Für die Konservativen in Deutschland sollte das eine Warnung sein - keine Anleitung.

Krsto Lazarevic ist in Bosnien-Herzegowina geboren und floh als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Heute lebt er in Berlin, arbeitet als Journalist und Publizist und schreibt für verschiedene deutschsprachige Medien.