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Politik

Osteuropäer mögen Trump

Boris Kálnoky
9. November 2018

Hinter der Trump-Abscheu in Westeuropa steckt ein tiefer Anti-Amerikanismus. In Osteuropa kommt Trump besser an - weil man die USA dort positiver sieht.

Boris Kalnoky
Bild: privat

Wenn Donald Trump etwas sagt, ist es oft schockierend, vulgär - und stimmt, meint der konservative US-Publizist Tucker Carlson. Er erfuhr es am eigenen Leib, als er Abfälliges über Trumps Haare sagte. Der konterte: Carlsons Frisur sei tatsächlich besser, aber er, Trump, bekomme mehr Sex ("I get more pussy"). Wie kann man so etwas nur sagen, wunderte sich Carlson, musste aber zugeben, dass Trump Recht hatte.

Bei uns in Ostmitteleuropa sagt man solche Dinge ohne weiteres, und auch unsere Politiker können recht ungehobelt sein. Etwa Tschechiens Präsident Milos Zeman ("Tod den Abstinenzlern und Vegetariern"), der einmal sagte, Umweltschützer sollte man "verbrennen, auf sie pissen und (die Überreste) einsalzen". Oder Polens starker Mann Jaroslaw Kaczynski, der Migranten als Träger von "Parasiten und Protozoen (Urtierchen, Einzeller)" bezeichnete.

Osteuropa mag Trump

Es ist vielleicht ein Grund, warum Trump bei uns besser ankommt als bei den Deutschen. Wir mögen Provokation, Männer mit Eiern und klare Worte - und wenn sie  grob sind, umso besser. Es liegt jedoch nicht nur an Trumps Art, dass er in Deutschland und anderswo in der Alt-EU verabscheut, in der Ost-EU aber oft geschätzt wird. Im Osten mag man ihn, weil man Amerika mag. In der Alt-EU mag man Amerika grundsätzlich weniger, obwohl man sich - besonders in Deutschland - seltsamerweise selbst für den "Westen" hält. Der Westen, das wissen wir im Osten, ist Amerika (und England). Nur diese beiden sind bereit, notfalls für die Freiheit zu kämpfen. Der Rest ist das bürokratieversessene, regulierungswütige, im Zweifelsfall feige Kontinentaleuropa, dessen intellektuelle Eliten den damaligen  US-Präsidenten Ronald Reagan am liebsten daran gehindert hätten, den Kalten Krieg zu gewinnen.

Begeisterte polnische Trump-Anhänger bei dessen Besuch in Warschau im Juli 2017 Bild: Reuters/C. Barria

Die Amerika-Skepsis der Westeuropäer (und der Deutschen) ist messbar. Beispielsweise haben in Deutschland - laut einer Studie des Pew-Forschungsinstituts - nur 30 Prozent der Deutschen und 38 Prozent der Franzosen ein positives Bild von den USA - aber 70 Prozent der Polen und 63 Prozent der Ungarn. Schizophren wird es, wenn man das China-Bild betrachtet. 54 Prozent der Deutschen haben ein positives China-Bild. Das kommunistische, diktatorische China wird also positiver gesehen als die demokratischen USA. In Polen  und Ungarn ist es umgekehrt. Immerhin sähen 58 Prozent der Deutschen dennoch gerne die USA als Führungsmacht der Welt (aber 19 Prozent hätten lieber China). Polen ist amerikafreundlicher: 68 Prozent wollen die USA als Führungsmacht, nur sechs Prozent China.

Verwunderung über die Deutschen

Da fragt sich so mancher bei uns in Ostmitteleuropa, was denn in den Köpfen der Deutschen vorgeht. Bei uns sind das Amerika-Bild und die Meinung über Trump zwei verschiedene Dinge. Bei den Deutschen und allgemein in Westeuropa nicht. Das Vertrauen in Trump ist im Osten Europas (etwa 35 Prozent) zwar höher als im Westen (etwa 10 Prozent), ist aber auch bei uns begrenzt, so sehr man seine hemdsärmelige Art zu schätzen weiß. Trumps Amtsvorgänger Barack Obama fand man der Pew-Studie zufolge auch bei uns vertrauenswürdiger. Aber während das Vertrauen zum US-Präsidenten auch in Ostmitteleuropa nach Trumps Wahl abstürzte, blieb das positive USA-Bild davon unberührt. Nicht so in Westeuropa. Da verurteilte man die USA unter Präsident George W. Bush, fand sie unter Obama toll, und verurteilt sie jetzt wieder unter Trump.

Man kann daraus eigentlich nur folgern, dass wir im Osten genauer hinschauen und realistischer denken.

Trumps persönliche Art? Echter Charakter. Wir mögen Charakter. Seine Haltung zur Migration? Sieht man bei uns genauso. Seine Politik des "Amerika zuerst"? Ist auch bei uns so, Orbán sagt "Ungarn zuerst", in Warschau heißt es "Polen zuerst". Aber da Ungarn und Polen nicht Amerika sind, bedeutet das auch, dass man Trump nicht vertrauen darf - er will nicht unser Wohl, sondern das der Amerikaner. Und wir nicht seines, sondern unseres. Das ist aber normal - und ehrlich.

USA als Garantiemacht des Ostens

Die Frage, die man sich in Ostmitteleuropa stellt (aber offenbar weniger in Westeuropa) ist, wo unsere Interessen sich decken, und wo nicht. Trumps Handelskrieg gegen die EU? Schadet uns, denn wir sind ja in der EU. Die EU politisch schwächen? Das kann uns helfen, wenn die Westeuropäer uns zu Dingen zwingen wollen, die wir ablehnen. Es gilt also, sich zu wehren, wo Trump und die USA uns Nachteile bringen, sie zu hofieren, wo sie Positives bringen, und im Endeffekt pragmatische Kompromisse zu suchen.

Grundsätzlicher jedoch vertritt Trump die Idee, dass die USA das mächtigste Land der Welt sein und bleiben sollen. Make America great again! Es ist die stärkste Garantie unserer Sicherheit, die wir uns vorstellen können. Ein Amerika, das nicht mehr dominieren will, ist ein Amerika das uns nicht mehr schützen kann. Ganz sicher werden uns die Deutschen nicht beschützen, wenn es hart auf hart kommt, und die Franzosen auch nicht. Etwa vor den Russen. Mit denen machen wir derweil freilich gern Geschäfte, solange sie uns nicht bedrohen.

Boris Kálnoky, Jahrgang 1961, berichtet als Ungarn-Korrespondent mit Sitz in Budapest für die Tageszeitung "Die Welt" und andere deutschsprachige Medien. Er ist Autor des Buches "Ahnenland" (Droemer 2011), in dem er sich auf die Spuren seiner Vorfahren begibt - unter anderen der k.u.k. Außenminister Gustav Kálnoky.

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