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Politik

Trumps Deal auf dem Balkan

Norbert Mappes-Niediek
1. Februar 2020

Die EU hat auf dem Balkan versagt - nun engagieren sich wieder einmal die USA verstärkt in der Region. Für die Balkan-Länder ist das aber keine gute Nachricht, meint Norbert Mappes-Niediek.

Norbert-Mappes-Niediek - Korrespondent mehrerer deutschsprachiger Zeitungen in Südosteuropa
Bild: L. Spuma

Die Russen kommen! Das war die häufigste Erwartung, nachdem die Europäische Union im letzten Herbst mit ihrem Nein zu Beitrittsverhandlungen mit den Balkanländern Albanien und Nordmazedonien ihren wichtigsten Hebel in der Region, die Beitrittsperspektive, aus der Hand gegeben hatte. Wer würde in die Lücke stoßen, die die Europäer hinterließen?

Manche wetteten auch auf China. Zeigen die Chinesen in ihrem Bestreben, wirtschaftlich und politisch in Europa Fuß zu fassen, nicht schon seit Jahren Interesse für den Balkan? Als Geheimtipp galt die Türkei, die neue Regionalmacht. Tatsächlich aber nimmt den Platz der Europäer eine Macht ein, mit der kaum jemand gerechnet hatte: Die USA.

Gleich zwei Sonderbeauftragte ernannte Washington in den letzten Monaten für eine Region, an der es eigentlich schon lange das Interesse verloren hatte. Seither ist der geplagte Balkan das Spielfeld Trumpscher Außenpolitik. "Deals" will der US-Präsident überall in der Welt schließen, so seine Doktrin: In jedem Konflikt auf der Welt sollen sich die Streithähne, meist "starke Männer" nach seinem eigenen Bilde, auf sogenannte Lösungen einigen. Rücksicht auf internationale Regeln, Absprachen, das Völkerrecht, die Interessen Dritter brauchen sie dabei nicht zu nehmen. Erfolgreich war Trump mit seiner Strategie bisher nirgends auf der Welt. Der Balkan, so scheint es dem Weißen Haus, wäre ein willkommenes Übungsfeld: Die Akteure dort sind schwach, und vor Amerika haben sie einen gewaltigen Respekt.

Ein starker Mann für das Kosovo

Kaum ernannt, begann Trumps Sonderbeauftragter, der Berlin-Botschafter Richard Grenell, mit bulliger Diplomatie: Im Kosovo soll ein "starker Mann" Trumpschen Musters, Präsident Hashim Thaci, wieder das Heft in die Hand bekommen. Dass dessen Partei bei der Wahl im letzten Oktober abgestraft wurde und Thaci selbst in weiten Teilen der Bevölkerung zu einer Hassfigur geworden ist, tut seiner Unterstützung durch das Weiße Haus keinen Abbruch.

Ob die USA sich im Kosovo auf ganzer Linie durchgesetzt haben, wird sich schon am Montag entscheiden, wenn der Sieger der Kosovo-Wahl vor vier Monaten, der Linkspopulist Albin Kurti, sich dem Parlament stellen muss. Die Amerikaner wollen ihn nicht und basteln stattdessen an einer bunten, wackligen Koalition, gegen die Thaci leichtes Spiel hätte. Dass fremde Botschafter entscheiden, wer in die Regierung kommt und wer nicht, sind die Kosovaren schon gewöhnt. Von den gerade mal 45 Prozent, die noch zur Wahl gehen, tut es ein sattes Drittel nur, um den eigenen Job zu sichern: Verliert die Partei, der man seinen Posten verdankt, ist der Job weg.

In Brüssel haben Vucic (l.) und Thaci (r.) über die Grenzverschiebungen verhandelt - unter der Schirmherrschaft von Federica MogheriniBild: Europäische Kommission

Kosovo und Serbien sollen Gebiete austauschen, albanisch besiedelte in Serbien gegen serbisch besiedelte im Kosovo: Das ist der "Deal", den Thaci und sein serbischer Widerpart Aleksandar Vucic gern schließen würden. Nur auf den ersten Blick wäre ein Gebietstausch eine Lösung in der noch immer offenen Kosovo-Frage. Alle Erfahrungen mit der Schaffung "sauberer" Lösungen auf dem Balkan schrecken ab: Ist ihre Bevölkerung erst ethnisch hinreichend "rein", brauchen autoritäre Führer auf beiden Seiten auf Minderheiten, deren Rechte und vor allem auf deren Schutzmächte keine Rücksicht mehr zu nehmen. Sie dürfen sich als Herren im eigenen Hause fühlen und können schalten und walten, wie sie wollen.

Im Kosovo ist die Abneigung gegen den Deal und überhaupt gegen autoritäre, korrupte Führer und fremde Bevormundung beträchtlich. Ob die Abneigung aber ausreicht, den Lockungen und Drohungen aus Washington zu widerstehen, darf man bezweifeln. Selbst wenn der rebellische Kurti gegen den Willen der USA Regierungschef wird, wird der Druck der USA anhalten.

EU hat versagt

Die wirtschaftlich dominierenden Europäer sind da keine Hilfe. Es waren sogar europäische Würdenträger aller Parteien, die plötzlich meinten, sie könnten Geschichte schreiben, und die den fatalen Gebietstausch-Deal zwischen den starken Männern, Thaci und Vucic, überhaupt erst auf die große Bühne brachten: Ein liberaler Präsident aus Frankreich, ein grüner aus Österreich, ein konservativer EU-Kommissionschef aus Luxemburg, allen voran eine sozialdemokratische EU-Außenbeauftragte aus Italien - zum Entsetzen der Deutschen und der Briten, aber auch ihrer eigenen Diplomaten sowie aller, die sich in der Region auskennen.

Die Europäische Union hat auf dem Balkan, wieder einmal, versagt, und wieder sind es die Amerikaner, die in das Vakuum stoßen - so wie einst im Bosnien-Krieg und schon zweimal im Kosovo. Eine gute Nachricht ist das nicht, wenn man auf die Ergebnisse blickt: Bosnien ist bis heute geteilt, Serbien ist ein Wackelkandidat und jongliert mit der EU, Putin, und allen, die auf dem Balkan Einfluss suchen. Kosovo ist ein Protektorat von Mächten, die sich nicht vertragen.

Das Interesse, das die USA im aktuellen Falle leitet, lässt noch Schlimmeres befürchten: Der Präsident sucht im Wahljahr einen billigen außenpolitischen Triumph und nutzt nebenbei die Gelegenheit, die verachtete EU noch weiter zu schwächen. Seit dem Nein zum nächsten Schritt der Osterweiterung, formuliert vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, stehen die Europäer ohnehin schon ohnmächtig am Spielfeldrand. Ob sie sich dort weiter streiten oder nicht, tut für den Balkan schon nichts mehr zur Sache.

Norbert Mappes-Niediek lebt im österreichischen Graz und ist Südosteuropa-Korrespondent zahlreicher deutschsprachiger Zeitungen.