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Katastrophe

Mein verlorenes australisches Paradies

Chloe Lyneham hk
7. Januar 2020

DW-Reporterin Chloe Lyneham hat die australischen Buschfeuer hautnah miterlebt. Zweimal musste sie mit ihrer Familie vor den herannahenden Flammen fliehen. Ein beklemmender Erfahrungsbericht.

Australien Strand Broulee
Rauch über dem Broulee-Strand nahe Batemans Bay, dem liebsten Urlaubsort der Familie LynehamBild: DW/C. Lyneham

Am 30. Dezember aß ich mit meiner Familie in einem kleinen Dorf südlich von Batemans Bay in New South Wales gerade Spaghetti, als meine Mutter anrief. Ein riesiger Brand rase den Clyde Mountain hinunter auf uns zu, sagte sie. Die Behörden hätten die Menschen aufgefordert, die Gegend zu verlassen, sonst riskiere man, von den Flammen eingekesselt zu werden.

Es war ein unheimliches Gefühl, so schnell wie möglich unsere drei Kinder und hektisch vollgestopfte Taschen ins Auto zu packen. Welche Straßen waren wohl noch befahrbar? Während wir mit meinem Bruder in Canberra telefonierten, überprüften wir ständig, wo es gerade brannte. Ob die Straße Richtung Süden wohl schon gesperrt war? Würden wir Richtung Norden fahren können?

Die südliche Route nach Canberra über Brown Mountain war schon dicht - eine Feuerwalze zog durch die unberührte Natur des Nationalparks. Wir machten uns auf den Weg gen Norden, fuhren mehrere hundert zusätzliche Kilometer durch das Kangaroo Valley, und kamen um 1.30 Uhr nachts zu Hause an.

Wir hatten Glück - wir waren entkommen. Schon am frühen Morgen waren alle Straßen gesperrt und über den Tag hinweg fraßen sich die Flammen durch Batemans Bay und die umliegenden Dörfer. Orte, die ich mein ganzes Leben lang besucht habe, sind nun verschwunden.

Die Straße nach Norden, der einzige Fluchtweg aus Batemans BayBild: Getty Images/AFP/S. Khan

Zwar blieb uns der Schrecken erspart, mit unseren Kindern dichtgedrängt auf einem Strand zu stehen und unsere Köpfe mit Handtüchern zu bedecken, während brennende Glut niederregnet. Aber auch uns nahmen die Brände mehrfach die Luft zum Atmen.

Der neue Normalzustand?

Als wir am Neujahrstag in Canberra aufwachten, herrschte dort die schlechteste Luftqualität der Welt. Die nächsten fünf Tage verbrachten wir zusammengekauert in unserer Wohnung. Ich habe während dieser Zeit vieles gelernt. Zum Beispiel, dass man bei so viel Rauch außerhalb der Wohnung die Klimaanlage nicht anschalten darf, weil sie den Rauch einsaugt. Dass Kinder unter 14 Jahren aufgrund von Erstickungsgefahr keine Luftpartikel filternden P2-Atemschutzmasken tragen dürfen. Dass die Augen innerhalb einer Minute anfangen zu brennen, wenn man bei so viel Rauch nach draußen geht. Dass es ziemlich elendig ist, tagelang dieselbe abgestandene Luft einzuatmen und dann auch noch am 4. Januar bei 44 Grad Celsius Canberras heißesten Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung zu ertragen.

Unsere Wohnung heizte sich auf wie eine Sauna und wir konnten weder die Fenster öffnen noch die Klimaanlage anmachen. Schlimmer noch: Wir konnten nirgendwo anders hingehen. In öffentlichen Gebäuden war die Situation noch schlimmer. Sie waren so voller Rauch, dass man sich genauso gut hätte draußen aufhalten können.

Am 5. Januar, nachdem meine Tochter sich fast die ganze Nacht durch erbrochen hatte, weil sie Rauch eingeatmet hatte, flohen wir ein zweites Mal. Wir kauften teure Flugtickets nach Adelaide, um in der fast 1000 Kilometer Luftlinie entfernten Stadt bei Verwandten zu bleiben. Den Flughafen von Adelaide zu verlassen, war, wie in einen Alltag zurückzukehren, in dem man vieles für selbstverständlich hält - zum Beispiel einigermaßen saubere Luft. Meine Schwägerin scherzte, wir seien Klimaflüchtlinge geworden. Doch das Lachen blieb uns im Halse stecken. 

Wenn es nichts mehr gibt, das brennen kann, was dann?

Die Krise ist noch lange nicht überstanden, daran werden wir immer wieder erinnert. In einer Woche fliege ich zurück nach Canberra, aber in New South Wales lodern immer noch 130 Brände. Es wird davon ausgegangen, dass sich mehrere große Buschfeuer an der Grenze zum benachbarten Bundesstaat Victoria zu einem Mega-Brand verbinden werden.

DW-Reporterin Chloe LynehamBild: DW/C. Lyneham

Und wenn der irgendwann gelöscht ist und es nichts mehr gibt, das brennen kann, was dann? Seit Jahren warnen Klimaforscher, dass die Buschfeuer-Saison in Australien länger und tödlicher werden wird. Jetzt können sie sagen, dass sie Recht hatten.

Es ist eine bittere Ironie, dass das Land mit einer der schlechtesten Klimabilanzen der Welt zum Musterbeispiel dafür geworden ist, was der Klimawandel anrichten kann. Aber wenn irgendetwas die Australier aus ihrer Bequemlichkeit reißen kann, dann dieses Ereignis.

Mein Bruder hat darauf hingewiesen, dass es nicht nur "linke Ökos" seien, die über die globale Erwärmung reden. Auch "normale" Australier diskutieren inzwischen darüber. Das ist vielleicht der einzige Hoffnungsschimmer dieser Geschichte. Wenn die Brände dazu führen, dass Australien - oder irgendein anderes Land - seine Klimapolitik verbessert, dann ist das zumindest etwas.

In der Zwischenzeit verwandeln sich unsere schönen Urwälder in Asche, während unsere einzigartigen und wertvollen Tiere bei lebendigem Leib verbrennen. An diejenigen, die noch nie in Australien waren: Es war ein wunderschöner Ort mit himmelhohen Eukalyptuswäldern entlang der Ostküste. Sie hätten ihn geliebt.