Das W:O:A ist zu Ende - zum 27. Mal haben 80.000 Menschen eines der größten Metalfestivals der Welt gefeiert - voller extremer Musik, Sonne, Regen, Bier und Schlamm. Unsere Reporterin Silke Wünsch war mittendrin.
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Das war Wacken 2016 - Heavy Metal Heaven
Das W:O:A ist vorbei. Vier Tage lang haben Metalheads aus aller Welt ihre Musik gefeiert. 80.000 sind zu diesem einzigartigen Familientreffen zusammengekommen und haben Regen, Hitze, Schlamm und dickem Kopf getrotzt.
Bild: picture-alliance/rtn - radio tele nord
Hier schlug das Herz des Metal
75.000 Metalheads, 5.000 Gäste - V.I.P.s, Presseleute und Musiker - und 5.000 Mitarbeiter: Wie jedes Jahr versammelte sich eine unfassbare Menschenmenge auf den Kuhwiesen vor dem beschaulichen Örtchen Wacken. Für wenige Tage hatte das Dorf einen gigantischen Nachbarn - und wurde Tag und Nacht beschallt. Auf insgesamt acht Bühnen spielten in vier Tagen gut 160 Bands.
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Traditionelle Stürmung des Infields
Der Moment, wenn das "Infield", das Zuschauerfeld vor den Hauptbühnen, öffnet, ist für Wacken-Freunde ein ganz besonderer Augenblick. Donnerstags um Punkt 14.00 Uhr werden traditionell die Tore geöffnet, und die Metalheads stürmen brüllend das Gelände. Mit Kind und Kegel. Was mittags noch Wiese ist, ist nach kurzer Zeit Matsch. Das kennt das Wackener Publikum.
Bild: DW/S. Wünsch
Schlammschlacht
Das Wacken Open Air (W:O:A) ist meistens mit einer großen Menge Schlamm verbunden. Der fehlte auch in diesem Jahr nicht. Die Fans aber sind es gewohnt. Sie feierten den Matsch, sprangen hinein oder bewarfen sich gegenseitig mit dicken Klumpen.
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Kinderparadies
Endlich mal so richtig im Matsch herumspringen - hier macht die Gummihose Sinn. Viele Metalheads haben ihre Kinder mit aufs Festival gebracht. Die meisten fühtlen sich sichtlich wohl, trugen stolz die W:O:A-T-Shirts und feierten mit ihren Eltern die lauten Bands auf den acht Bühnen.
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Rock-Ikonen
Erster Höhepunkt am Donnerstag war der Gig von Iron Maiden - von den Fans zwar bejubelt, dennoch als nicht besonders aufregend bewertet. Ein Routine-Job für die britische Band. Zu Gast waren auch Klassiker wie Whitesnake und Foreigner. Der Freitag brachte den Fans unter anderem die deutsche Band Blind Guardian. Sänger Hansi Kürsch (Foto) nahm das Publikum mit und brachte zigtausende zum Mitsingen.
Bild: Imago
Knallharte Exoten
Allerfiesesten Death Metal spielt die Band Overthrust aus Botswana. Die Vier sind aber - wie die meisten Metaller - sehr nett. Sie waren zum ersten Mal auf Wacken und sahen sich als Botschafter des afrikanischen Metal. Auch wenn Botswana nur zwei Millionen Einwohner hat, ist die dortige Metalszene sehr groß. Bis die Bands diese Musik unbehelligt spielen konnten, mussten sie einen langen Weg gehen.
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Karibische Töne...
...sind auf dem Wacken Open Air eher selten. Zum ersten Mal ist die Band Lynchpin nach Europa gekommen. Die sympathischen Jungs aus Trinidad haben am Wacken Metal Battle teilgenommen. Nicht mit Steeldrum und Ukulele, sondern mit härtestem Progressive Death Metal. Dass sie den Battle nicht gewonnen haben, macht ihnen nichts aus, sie waren glücklich, dabei gewesen zu sein.
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Posen gehört dazu
Gitarrist Tom Steam von der österreichischen Band "Pain Is" mit seiner neuen Gitarre. Musikinstrumente und Geld gehören zu den Preisen, die die Gewinner des Metal Battle mit nach Hause nehmen können. Die Österreicher machten in diesem Jahr den fünften Platz. DW-PopXport war bereits zum zweiten Mal Medienpartner des Battle und porträtiert alle Gewinner in den PopXport-Sendungen.
Bild: DW/S. Wünsch
Spaßkombo
Die holländische Marching Band "Blaas of Glory" machte seit Mittwoch das komplette Festival-Gelände unsicher. Wo immer sie auftauchten, bildete sich eine gut gelaunte Menschentraube um sie herum. Die Truppe spielt Coverversionen von Rock-Klassikern und bringt die Leute zum Mitsingen und -tanzen.
Bild: DW/S. Wuensch
Auftritte des Wackener Blasorchesters
Die Wacken Firefighters sind Kult. Die örtliche Blaskapelle spielt traditionell am Tag vor der offiziellen Eröffnung des W:O:A und während des ganzen Festivals immer mal wieder. Ihre Musik: Sie interpretieren Partysongs, Rock-Klassiker und so richtig schöne Volksmusik. Die Metalheads bejubelten die Kapelle bei jedem Auftritt und sangen und schunkelten fröhlich mit.
Bild: DW/S. Wünsch
Lemmy ist omnipräsent
Lemmy Kilmister von Motörhead ist einer der meistverehrten Rockmusiker aller Zeiten. Er ist im Januar 2016 gestorben. Doch sein Geist wird immer über Wacken schweben - er war schon bei vielen der 27 Festivals zu Gast und hat mit seiner Mischung aus Rock'n'Roll, Metal und Punk viele Rock-Genres vereint. Unzählige Wacken-Fans posierten vor seiner Statue.
Bild: DW/S. Wünsch
Drei Tage wach - mindestens
Das W:O:A ist in der Nacht zum Sonntag zu Ende gegangen. Gut 80.000 Fans sind am Sonntag heiser und völlig übermüdet nach Hause gefahren. Nicht ohne im ebenfalls traditionellen, viele Kilometer langen Wacken-Stau zu stehen. Doch die Wacken-Fans nahmen's gelassen, hörten laute Metalmusik im Radio und grüßten sich auf der Autobahn mit dem Wacken-Gruß: Der Pommesgabel.
Bild: DW/S. Wünsch
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Über den Wiesen vor dem norddeutschen Dorf Wacken liegt noch dieser typische Wacken-Geruch: eine Mischung aus Schlamm, Kuhdung, Bier und Urin. Der Geruch scheint trotz Duschen an allem zu kleben: an der Kleidung, an den Haaren und vor allem an den Gummistiefeln.
Vier Tage war ich im Metal-Himmel, habe mich dauerbeschallen lassen, mich von Grillwürsten und Nudeln ernährt, wurde nassgeregnet und von der Sonne wieder getrocknet. Nach Feierabend gab es natürlich auch ein Bier - das gehört dazu. Ich habe schwarze T-Shirts mit den Emblemen ultraböser Bands getragen und meine Hose war vom ersten Tag an mit Schlamm befleckt - Wacken eben. Vier Tage außerhalb der Zivilisation - und dennoch mittendrin.
Wacken ohne Netz
Ich habe zwei Laptops und eine Kamera durch die Gegend geschleppt, saß im engen Produktionsbus der DW oder im Pressezelt, an zugemüllten Tischen zwischen anderen Presseleuten, Musikern und V.I.P.s. Hier und da lag auch jemand in der Ecke, um seinen Rausch auszuschlafen. WLAN gab es nur dort, telefonieren war kaum möglich. Netzprobleme auf dem ganzen Festivalgelände und auf dem Campingplatz sowieso. Improvisation war angesagt; etwa Hotspots mit funktionierenden Handys einrichten, oder sich von irgendjemandem ein Telefon ausleihen, das Empfang hatte, um zu kommunizieren.
Internationale Metalszene traf sich in Wacken
Trotzdem habe ich wieder viel gesehen und vor allem gehört. Ich habe mir die grausamsten Death-Core-Speed- etc-Bands angeguckt, habe mir vorher völlig unbekannte Industrial- und Punkbands reingezogen und durfte Klassiker wie Iron Maiden, Blind Guardian oder Whitesnake auf den Bühnen von Wacken erleben. Besonders spannend war der (vom DW-Magazin PopXport unterstützten) Wacken Metal Battle. Hier traten 27 Bands aus der ganzen Welt gegeneinander an. Ich hatte das große Vergnügen, mit Lynchpin aus Trinidad über das Festivalgelände zu ziehen und die Death Metalband Overthrust aus Botswana zu interviewen. Gerade die "Exoten" machen Wacken besonders interessant: Sie kommen aus Ländern hierher, denen man eine lebendige Metalszene nicht zutraut. Sie alle präsentierten sich beim W:O:A und überraschten Fans und Kollegen mit amtlichem Sound.
Die Wacken Foundation, die den Metal Battle initiiert hat, kümmert sich intensiv um den internationalen Nachwuchs und will die Metalszene in allen Ländern stärken. Wacken macht es Bands aus anderen Kontinenten möglich, sich einem großen Publikum zu präsentieren - wer zum Metal Battle eingeladen wird, dem wird die Reise bezahlt. Gewonnen hat in diesem Jahr die Band "Zombies ate my Girlfriend" aus Südafrika.
Mit Overthrust zeigte sich erstmals ein schwergewichtiger Vertreter der afrikanischen Metalszene. Die vier Jungs aus Gabarone verstehen sich als Botschafter der afrikanischen Metaller. Wacken wird im kommenden Jahr einen verstärkten Fokus auf afrikanische Bands legen. Sänger Vulture Thrust hat mir einen Crashkurs im "Growlen" gegeben: Die Stimme ganz tief unten aus dem Bauch kommen lassen. Und böse gucken. Das können alle Metalbands - zumindest fürs Foto oder auf der Bühne. Unterhält man sich mit ihnen, sind sie herzlich, gut gelaunt und lachen viel.
Wacken ist wie eine riesige Familie
Auch das gehört zur Metalszene: Alle sehen furchtbar grimmig aus. Spricht man die Leute an, antworten sie freundlich, sind hilfsbereit und entschuldigen sich, wenn sie aus Versehen jemanden anrempeln. Von Satanismus und Brutalität keine Spur - das ist nur die Fassade, hinter der sich eine Kultur entwickelt hat, die familiärer und zusammengehöriger kaum sein kann.
Metalmusik fast rund um die Uhr, nasse Zelte, Schlamm - in manchen Jahren auch Staub - und Bier: Das ist die Rezeptur, die jedes Jahr aufs Neue 80.000 Musikfans nach Wacken lockt. Seit 27 Jahren. Und ein Ende ist nicht in Sicht.