1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

"Mein Zuhause ist immer noch hier"

Samantha Early rb
16. März 2019

Nach den Anschlägen von Christchurch ist die Stadt gelähmt. Muslimische Einwohner erzählen, wie sie mit ihrer Trauer umgehen. Aus Christchurch berichtet Samantha Early.

Terroranschlag Neuseeland Trauer Christchurch
Bild: picture-alliance/dpa

Er habe "überwältigende Reaktionen der Freundlichkeit und Liebe erfahren", erzählt Abbas Nazari. Direkt nachdem sie von den Attentaten gehört hatten, seien Nachbarn zu ihm und seiner Familie gekommen. Sie hätten Blumen und Essen mitgebracht und ihnen einen Platz angeboten, wo sie sich sicher fühlen können. "Es gab so viel Dunkelheit um uns, das war ein kleiner Hoffnungsschimmer.”

Abbas Nazari kam als Kind nach Christchurch, als Flüchtling aus Afghanistan. Er und seine Familie wurden von Neuseeland aufgenommen, nachdem sich die australische Regierung zuvor tagelang geweigert hatte, mehr als 430 Bootsflüchtlinge aufzunehmen, die der norwegische Frachter "Tampa" im August 2001 aus internationalen Gewässern gerettet hatte. Neuseeland gab ihnen und anderen afghanischen Landsleuten "eine Heimat, einen Platz, eine Zukunft, Hoffnung", wie er sagt. Jetzt sei es außerdem der Ort, an dem sie Terror erleben mussten. Trotzdem: "Mein Zuhause ist immer noch hier", sagt er.

Nazari ist auf dem Weg zu einer Anlaufstelle, die für Angehörige und Freunde von Opfern der Terrorattacken eingerichtet wurde. Die Stelle wird von Polizisten bewacht. Sie gehört zu den wenigen Orten der Stadt, an denen an diesem Samstag überhaupt etwas los ist. Jeder in der kleinen afghanischen Gemeinde von Christchurch kenne jemanden, der im Krankenhaus liege oder gestorben sei, sagt Nazari. Jetzt will auch er den Angehörigen und Opfern helfen.

Gewalt ist nicht einfach so passiert

Eine Sache sei ihm noch wichtig zu sagen, sagt Abbas Nazari: Die Gewalt sei nicht "einfach so passiert". "Es gibt einen unterschwelligen Hass und Rassismus in jeder Gesellschaft. Nur weil er in Neuseeland nicht so stark ist, können wir nicht davon ausgehen, dass er nicht existiert. Denn er existiert", sagt Nazari. Am Freitag habe man den Hass in seiner stärksten und extremsten Form gesehen. Aber auch schon davor sei seine Mutter bereits rassistischen Bemerkungen und Misshandlungen ausgesetzt gewesen, weil sie ein Kopftuch trägt. Auch seine Brüder haben Rassismus erlebt. "Ich hoffe die Leute sehen ein, dass wir Alarm schlagen müssen, wenn wir es sehen."

Überlebende fordern Waffenverbot

Sheik Ashad Ali stammt aus Auckland. Er betete mit einem seiner drei Söhne in der Moschee in Linwood als die Schießerei begann. Der 67-jährige Fußballtrainer sah, wie Menschen getötet wurden und konnte seinen Sohn erst einige Stunden später finden. Er hat überlebt.

Sheik Ashad Ali war in der Moschee in Linwood als der Täter das Feuer eröffneteBild: DW/S. Early

Ali erzählt von einem seiner muslimischen Freunde in Christchurch. Er habe nach den Anschlägen Angst, sein Haus zu verlassen oder seine Tür zu öffnen. Trotz allem, was er durchgemacht habe, wolle er nicht alle Neuseeländer beschuldigen. "Die Leute sind in Neuseeland sehr gut", sagt Ali. Es seien nur ein oder zwei Leute, die das Land und seinen Ruf verderben. Er fordert die neuseeländische Regierung auf, den privaten Waffenbesitz zu verbieten. "Wenn es keine Waffen gibt, werden wir alle in Sicherheit sein." 

Ginny Sutherland hat erlebt wie es ist, wenn Hinterbliebene ihren getöteten Angehörigen sehen wollen, aber darauf warten müssen bis Polizei und Gerichtsmediziner ihre Arbeit verrichtet haben, es sei "herzzerreißend". "Es wird lange dauern bis Christchurch darüber hinweg kommt, das Vertrauen zurück gewinnt und bis sich die Menschen davon erholen", sagt sie.

Menschengemachtes Trauma

Vieler der Einwohner von Christchurch vergleichen das Trauma der Terroranschläge den schweren Erdbeben, die die Stadt seit 2010 erschütterten. Sanjay Dutt ist mit seiner Familie zu einer provisorischen Gedenkstätte vor den Botanischen Gärten der Stadt gekommen, wo die Menschen Blumen niederlegen. Dutt war 2011 nach Christchurch gezogen und hatte damals beim Wiederaufbau der Stadt geholfen. Diese Katastrophe gehe zurück auf Mutter Natur, die jetzige sei dagegen menschengemacht und ein Angriff auf alle Neuseeländer, so Dutt.

Catherine McFedries will den Opfern und Angehörigen ihre Solidarität zeigenBild: DW/S. Early

Catherine McFedries hat Bastelmaterial für ihre Kinder und Passanten mitgebracht, um Botschaften für die Gedenkstätte zu erstellen. Sie will damit ihren Schock, die Trauer und ihre Solidarität ausdrücken. "Als Bewohner von Christchurch haben wir gemeinsam Beben erlebt. Das ist hier ist so weit von uns entfernt", sagt sie über die Angriffe und fügt eine Botschaft für die muslimische Gemeinschaft hinzu. "Wir sind mit Euch gemeinsam am Boden zerstört."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen